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PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv

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-75-<br />

Systematik der beiden Fragestellungen streng durchzuhalten.<br />

Hier wie in anderen Schriften ist Herder offenbar bestrebt,<br />

seine eigene "emotive" Sprachkunst und sprachliche Sensibilität<br />

nicht den Ambitionen einer "kalten Philosophie" zu opfern, die<br />

er immer im Verdacht hat, zugunsten von "Systemchen" (Abhand-<br />

lung, S. 73) schrumpfen zu lassen, was die Phänomene selbst<br />

als Fülle zeigen.<br />

Es geht also um Entwicklungsbedingungen der Sprache - oder<br />

besser: der Sprachlichkeit. Dazu formuliert Herder als zweites<br />

Naturgesetz: "Der Mensch ist in seiner Bestimmung ein Geschöpf<br />

der Herde, der Gesellschaft: die Fortbildung einer Sprache wird<br />

ihm also natürlich, wesentlich, notwendig." (Abhandlung, S.67)<br />

Hier wird ein fundamentaler Zusammenhang benannt, der Zusammen-<br />

hang zwischen Sprachentwicklung und gesellschaftlicher Ver-<br />

fassung des Menschen. Aber inwiefern ist der Mensch ein "Ge-<br />

schöpf" der "Herde", der "Gesellschaft" - und inwiefern steht<br />

nicht nur der Spracherwerb, sondern auch die Sprachentwicklung<br />

im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Geschöpflichkeit des<br />

Menschen? Geschöpf der "Herde" bzw. der "Gesellschaft" ist der<br />

Mensch für Herder zunächst in einem ganz elementaren Sinne,<br />

nämlich als Sproß und Abkömmling einer Geschlechtereinung.<br />

Faktische menschliche Existenz verdankt sich einem Akt der<br />

Zeugung. Zeugung, so kann man sagen,ist jener Urakt menschlicher<br />

Vergesellschaftung, der jedem Einzelleben naturnotwendig voraus-<br />

geht. Allerdings hat es mit der Zeugung des Menschen durch den<br />

Menschen eine besondere Bewandtnis. Sie ist die Erzeugung eines<br />

Geschöpfes von extremer Hilflosigkeit. So sagt Herder, das<br />

"menschliche Junge" sei ... "das schwächste uid hilfloseste Ge-<br />

schöpf unter allen Tieren, wenn nicht mütterliche Brüste da<br />

wären, ihn zu nähren und väterliche Kniee entgegenkämen, ihn<br />

als Sohn aufzunehmen." (Abhandlung,S.67) Löst man die Bilder<br />

in Aussagen auf, dann bedeutet der Satz: Die außerordentliche<br />

Hilflosigkeit des Menschenkindes (im Unterschied zum jungen<br />

Tier) begründet einerseits eine extreme Abhängigkeit ( in der<br />

Sprache der Humanbiologie: die Situation des sekundären Nest-

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