PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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dem Begriffsraster unterstellt, um sie darin zu ordnen, nicht<br />
aber um den Begriffsraster an den Erscheinungen zu prüfen,<br />
verliert die Fülle historischen Lebens an Farbe und Gestalt.<br />
Das Begriffsschema tritt an die Stelle des Lebendigen, die<br />
statische Ordnung an die Stelle geschichtlicher Bewegung, und<br />
die Selbsterkenntnis wird zum Machtspruch, wo sie als Frage<br />
sich entfalten sollte. Es ist also das Verhältnis von Begriff<br />
und Geschichte, das von Herder nachdrücklich in Bewegung gesetzt<br />
und als aufsteigende Wechselwirkung interpretiert wird. *<br />
Es gibt keinen zureichenden Begriff vom Menschen ohne einen<br />
zureichenden Begriff von seiner Geschichte und umgekehrt.<br />
Indem Herder aber das Verhältnis der über-und Unterordnung<br />
von Begriff und Geschichte in ein Verhältnis der dynamischen<br />
Wechselwirkung auflöst - auf diese Weise elementar seinen<br />
historischen Sinn bekundend -, verflüssigt er auch den Begriff<br />
der Bildung selbst. Denn Geschichte ist jetzt nicht mehr, was<br />
sie auch sein könnte, ein Erinnerungsvorrat/über den man auf<br />
Abruf verfügt. Sie ist kein äußerer Bildungsinhalt, kein vorgegebener<br />
Stoff für bildenden Unterricht - vielmehr: Bildung ereignet<br />
sich als Geschichte, als "historische Produktion" je<br />
spezifischer Kultur unter verschiedenen und überdies wechselnden<br />
Bedingungen. Nur die Geschichte allein vermittelt, was<br />
es is-t mit der Bildung eins Volkes oder eines Einzelnen auf sich<br />
hat. Eben weil der Mensch wesenhaft geschichtlich existiert.<br />
Und das bedeutet, so wenig es den abstrakten Begriff des<br />
Menschen als sinnvolle Orientierung für Humanität gibt, so wenig<br />
gibt es den Begriff der Bildung, der allen Bildungen<br />
geschichtlicher Zeiten adäquat sein könnte. Deshalb kann ein<br />
gebildetes Volk - wie etwa das Volk der Griechen - zwar beispielhaft<br />
für eine Vollendungsgestalt geschichtlicher Bildung<br />
sein. Doch der Beispielssinn wird zerstört, wenn man griechische<br />
Bildung zum absoluten Vorbild aller nachfolgenden Zeiten stilisiert.<br />
Denn dann würde man weder dem geschichtlichen Griechen-<br />
!<br />
turn gerecht noch der geschichtlichen Selbstaufgegebenheit späterer<br />
Generationen, die ihre eigene Bildung unter den für sie zutreffenden<br />
Bedingungen und vom Standort ihrer Selbsterkenntnis