PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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Man kann es auch so formulieren: Vernunft und Sprache dienen<br />
einerseits der Sicherung naturhafter Humanität (der<br />
Sicherung vitalen Gattungslebens) und sie dienen der "Beförderung<br />
der Humanität 1 1 , das heißt der Steigerung kulturhafter<br />
Lebensprägung durch ideal antizipierte Lebensentwürfe,<br />
etwa unter den Leitideen von Billigkeit und Gerechtigkeit. Da<br />
diese Ideen keine Naturvorhaben sind, verdanken sie sich der<br />
Kraft der Idealisierung. Der Doppelsinn der Grundphänomene in<br />
ihrer pragmatischen und ideenschöpferischen Bedeutung ist prinzipiell<br />
angelegt in der von Herder entdeckten "Mängelstruktur 11<br />
menschlichen Daseins. Denn was einerseits als Mangel zu verbuchen<br />
ist, nämlich die geringe Naturvorsorge für den Menschen, bedeutet<br />
andererseits die Chance der - wenn auch risikohaften -<br />
Selbstbestimmung und Selbstausprägung nach Maßgabe vernünftiger<br />
Ideen. Weil die Instinktposition des Menschen nur gering ist,<br />
muß er, wie Plessner sagt, sein Leben "führen". Weil er aber sein<br />
Leben führen muß, kann er es auch Ideen unterstellen, die seiner<br />
eigenen freien Intention entspringen. Und hier spielt die Sprache<br />
eine besondere Rolle. Denn sie ist das menschliche "Organ" der<br />
Bestimmung der Dinge und des Menschen selbst. Ihr Bestimmen ist<br />
ein Namengebendes ,durch Herstellung von Beziehung urteilendes<br />
und taxierendes Be-deuten. Das sprachliche Deuten und Bedeuten<br />
durch Ideen ist die anfängliche Stiftung von Kultur überhaupt.<br />
In diesem Sinne sagt Herder: "Von der Sprache also fängt seine<br />
(des Menschen) Vernunft und Kultur an; denn nur durch sie beherrsch<br />
et er auch sich selbst und wird des Nachsinnens und Wählens,<br />
dazu er durch seine Organisation nur fähig war, mächtig." (Ideen<br />
S. 117).<br />
Wir müssen diesen Satz noch etwas genauer bedenken. Er enthält<br />
mehrere Thesen. Zunächst die These, daß mit der Sprache menschliche<br />
Kultur beginne. Diese These ist nicht überraschend. Sie<br />
gehört zumindest zum traditionellen Inventar anthropologischer<br />
Selbstbesinnung und sie setzt sich bis in kommunikationstheoreti-<br />
sche Erwägungen fort. Nachdenklicher stimmt die zweite These, nach