PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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nngebundnen Triebe, die flatterhaften Meinungen, womit sich<br />
beinahe jedes Individuum der Menschen auszeichnet. w (a.a.O. S.98)<br />
Was Herder damit nennt (und daher die Ausführlichkeit des Zitats)<br />
, ist ein Katalog von anthropologischen Grundbestimmungen,<br />
die aus der beachteten Differenz des Mensch-<br />
Tier-Vergleichs hervortreten. Und diese Grundbestimmungen sind<br />
uns durchaus vertraut, weil sie in der Geschichte anthropologischen<br />
Denkens nach Herder immer wieder auftauchen und sich<br />
bestätigten. Es sind die Genußfähigkeit, die in ihrer abartigen<br />
Form auch vor der eigenen Gattung nicht haltmacht; die Aggressivität,<br />
die sich nicht nur selbst motiviert, die sich vielmehr<br />
auch wecken und in Dienst nehmen läßt, und zwar in makabren<br />
Formen des Gehorsams; es ist die Sprache, welche das Signalinventar<br />
tierischer Kommunikation durch ihre Eignung zur<br />
Symbolisierung und abstrakten Vergegenwärtigung weit übertrifft;<br />
es ist die Schrift, die als künstliches und beständiges Inventar<br />
von Zeichen Dokumentation und objektivierte Tradition ermöglicht;<br />
es ist die Religion als bewußtes Verhältnis zur alle<br />
Welten und Zeiten übersteigenden Transzendenz; es ist das positive<br />
Recht und das positive Gesetz, in denen sich Lebensverbände<br />
und Kulturen das Zusammenleben in bestimmten Formen gliedern<br />
\ind sanktionieren; es ist die Bildung als persönliche und institutionalisierte<br />
Gestaltung eines Lebens und einer Kultur; es<br />
sind die Techniken, mit denen sich der Mensch in der Natur -<br />
sich kleidend und Wohnung schaffend - einrichtet; es sind die<br />
Künste, in denen sich der Mensch imaginativ seine Welt verdichtet;<br />
es sind die offenen Lebensformen der Geselligkeit, durch<br />
die sich menschliches Leben konventionelle Gestalt gibt, die Offenheit<br />
der Triebe, die nach Sitte und Institutionalisierung<br />
verlangt; und es sind schließlich die höchst subjektiven Überzeugungen<br />
und Meinungen, in der sich individueller Geist eine<br />
flüchtige Kontur verleiht. Alle diese Grundzüge machen den unverwechselbaren<br />
Gattungscharakter des Menschen aus, der ihn vom<br />
Gattungscharakter anderer Lebewesen unterscheidet. Undman kommt<br />
nicht umhin, Herder in dieser nur additiven Charakteristik<br />
menschlicher Gattungseigenart eine hohe phänomenale Dichte zu<br />
bescheinigen.