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PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv

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-3-<br />

II<br />

Wir fragen nach Strukturen menschlicher Daseinsauslegung in der<br />

Überzeugung, vor allem in ihnen einen fundamentalen anthropologischen<br />

Gehalt zu gewinnen, wenn es auch nur der Gehalt prinzipieller Frage-<br />

stellungen ist/ der die Zeiten miteinander verbindet. Unser thematisches<br />

Stichwort ist: <strong>Anthropologie</strong> in Absicht der Selbsterkenntnis.<br />

Das eigentümliche nun, das Selbsterkenntnis von Sacherkenntnis<br />

unterscheidet, ist, daß das Selbst, das erkannt werden soll, zugleich<br />

Objekt und Subjekt der Erkenntnis ist. Dieses "zugleich" macht schon<br />

die Trennung problematisch und läßt sie nur als eine vorläufige<br />

Charakteristik zu. Denn das "zugleich" meint - formal gesprochen -<br />

eine Beziehung der Wechselseitigkeit. Konkreter bedeutet das: das<br />

Selbst der Selbsterkenntnis bleibt nicht unbetroffen von den Erkenntnissen,<br />

die es "über sich" gewinnt oder gewinnen will. Wenn aber<br />

die Selbsterkenntnis auf das erkennende Selbst - es formend und<br />

verändernd - zurückwirkt, dann bleibt dieses Selbst im Prozeß der<br />

Selbsterkenntnis nicht dasselbe. Zur Verdeutlichung: Der Baum, den<br />

wir mit der Absicht des Erkenntnisgewinns über sein Wachstumsverhalten<br />

beobachten, bleibt unbetroffen von der Erkenntnis, die wir von<br />

ihm gewinnen. Wenn aus solcher Erkenntnis Konsequenzen folgen, dann<br />

nur durch uns und für uns. Anders, wenn es um uns selbst geht. Zwar<br />

können auch wir künstlich zwischen unserem Selbst als "Gegenstand"<br />

unserer Erkenntnis und den Folgerungen, die wir daraus ziehen,<br />

unterscheiden - und auf diese Weise verfährt die Wissenschaft zum<br />

größten Teil-, von "wahrer" Selbsterkenntnis sprechen wir erst dann,<br />

wenn mit dem Selbst dieser Erkenntnis etwas geschieht, vielleicht in<br />

der Weise des "du mußt dein Leben ändern". Klassische Beispiele für<br />

solche umstürzenden Weisen der Selbsterkenntnis sind das Damaskus-<br />

Erlebnis des späteren Apostels Paulus, in dem Saulus blitzartig<br />

vom Verfolger Christi zu dessen Nachfolger wird, oder jenes tragische<br />

Schicksal des ödipus, der, im Willen, sich seiner Herkunft zu versichern,<br />

in eine furchtbare Täuschung gerät und schicksalhaft erkennen<br />

muß, wie seine Suche nach der "Identität" im genauen Sinne<br />

des Wortes zu einem mörderischen Unternehmen wird. Aber wir bedürfen<br />

nicht mehr dieser mythischen und religiösen Verdichtungen,<br />

um den Ereignis-Charakter elementarer Selbsterkenntnis zu studieren.

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