PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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-1- 1. Vorlesung<br />
<strong>Anthropologie</strong> zwischen Selbstkenntnis und Selbsterkenntnis.<br />
Jede Ankündigung einer Lehrveranstaltung erweckt bestimmte Erwartungen.<br />
Diese sind zum Teil geprägt durch voraufgehende Erfahrungen<br />
im Umgang mit Wissenschaft, zum Teil durch persönliche Vorlieben und<br />
Fragestellungen/ zum Teil durch die institutionalisierten Formen selbst<br />
die sich in der Tradition akademischer Lehre herausgebildet haben.<br />
Zu solchen Formen gehört die - in ihrer didaktischen Qualität nicht<br />
unbestrittene - Vorlesung. Es heißt, Vorlesungen seien einseitig,<br />
gegen-kommunikativ, sie seien Frontalunterricht, der bestenfalls<br />
ökonomisch, mit dem Motiv der großen Zahl, begründet werden könne.<br />
Es ist indes fraglich, ob diese Einwände gegen Vorlesungen ausreichen,<br />
um sie als akademischen Unterrichtstypus für überholt zu erklären.<br />
Denn, immer vorausgesetzt, universitäre Lehre habe darin ihr Spezifikum,<br />
Forschung und Lehre miteinander zu verbinden und nicht nur etwas<br />
zu vermitteln, was "an sich" vorgegeben ist und eben deshalb auch<br />
anders vermittelt werden könnte, - immer also vorausgesetzt, universitäre<br />
Lehre sei nicht nur ein Transportunternehmen für abgelagertes<br />
und methodisch gut verpacktes Standardwissen, so wird man gerade<br />
in der Vorlesung mit Recht diejenige Form der Lehrveranstaltung vermuten,<br />
in der sich exemplarisch Forschung und Lehre am unmittelbarsten<br />
zusammenfinden. In ihrer anspruchsvollsten Form ist die Vorlesung<br />
Aufforderung zur Beteiligung am Prozeß des Wissens, der Wissensgewinnung,<br />
die Irritationen, Umwege und Abwege eingeschlossen, auf die<br />
jeder gefaßt sein muß, der Wissenschaft nicht nur als Produkt abrufen,<br />
sondern als Prozeß erfahren möchte. Vorlesungen sind, wenn sie sich<br />
diesem Anspruch stellen, nicht Aufführungen einer Partitur, die<br />
der Vortragende selbst nicht verfaßt hat, sondern Werkstatteinblicke,<br />
die, wenn es gelingt, einen Eindruck davon geben, auf welche Weise<br />
Forschungspartituren gelingen oder mißlingen können. Und was für die<br />
Partitur das Thema ist, das ist für die Vorlesung das Problem, das<br />
sie sich stellt oder dem sie sich stellt.<br />
Gewiß, es gibt auch Vorlesungen, die man im Unterschied zu Problem-<br />
Vorlesungen als Referat-Vorlesungen bezeichnen kann. Sie können in