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PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv

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die keine Naturprogramme sind, gehören Handeln, Vernunft, Sprache,<br />

Freiheit. Weil sie aber Naturangelegtheiten, "Organisationen"<br />

sind, unterliegen sie der Notwendigkeit ausdrücklicher Entwicklung.<br />

Diese Entwicklung vollzieht sich prinzipiell als "Lernen".<br />

Lernen bedeutet aber dabei nicht einfach die Übernahme von<br />

traditionell bewährten Erfahrungen - also nicht nur "rezeptives<br />

Lernen" -, Lernen bedeutet "Erfahrung machen" in vitalen Notsituationen,<br />

die menschliches Leben mangels instinktiver Sicherung<br />

prekär werden lassen. Lernen vollzieht sich - in elementaren Perspektiven<br />

- als Handeln und im Handeln. Die elementare Verbindung von<br />

Handelnmüssen und Lernen erschließt die anthropologische Grundbedeutung<br />

des Lernens gleichsam als "Überlebensstrategie". Lernt<br />

der Mensch keine Vernunft (als Instrument der Selbsterhaltung),<br />

verfehlt er nicht nur seine Humanität, sondern er verliert seine<br />

nackte Existenz. Hier ist Herder durchaus überzeugend. Man erinnere<br />

sich an Gehlens Laudatio oder an den reflektierten Pragmatismus<br />

John Deweys. Doch die biologische Erläuterung von Vernunft (als<br />

Instinktprothese), von Freiheit (als Instinktfreiheit), von<br />

Sprache (als Ordnungs- und Entlastungsmittel), von Leiblichkeit (als<br />

Gesamtwerkzeug)ist gewissermaßen nicht das "letzte Wort" zu diesen<br />

menschlichen Grundphänomenen. In der Perspektive der Naturgeschichte<br />

des Menschengeschlechts zeigen sich zwar die Selbsterhaltungsfunktionen<br />

von Vernunft, Freiheit, Sprache und Leiblichkeit.<br />

Es zeigt sich deren strategischer Wert für das "kunstvolle" überleben<br />

unter schwierigen Bedingungen. Aber diese pragmatische Seite<br />

der Grundphänomene wird überboten durch die Kraft der Idealisierung<br />

im Sinne der Distanzierung, der Symbolisierung und der Synthetisierung<br />

der Erscheinungen nach Gesetzen. Die von Herder nicht immer<br />

klar unterschiedene Doppelwertigkeit der Grundphänomene - sie sind<br />

einmal Instrumente einer von Natur aus fragilen Lebensposition<br />

und sie sind Medien einer weit über biologische Selbsterhaltung<br />

hinausreichenden "kulturellen" Selbstverwirklichung - läßt sich<br />

an Herders Sprach-und Vernunftphilosophie studieren. Sprache und<br />

Vernunft - und beide im Wechselbezug - haben einerseits biologische<br />

Stützfunktionen, indem sie notwendendes Handeln ermöglichen, und<br />

kulturspezifische Funktionen, indem sie die Kraft der Ideenbildung<br />

gleichsam gegen die natürliche Umwelt ausspielen und sie damit<br />

transzendieren.

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