PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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Das wird - folgt man Herders "Modell-Argumentation 11 - besonders<br />
deutlich im Wachstum des Baumes und in der Entwicklung des<br />
Menschen. In Herders eigener Darstellung: "...siehest du<br />
jenen wachsenden Baum! Jenen emporstrebenden Menschenl Er<br />
muß durch verschiedene Lebensalter hindurch... Zwischen jedem<br />
sind scheinbare Ruheplätze/ Revolutionen! Veränderungen!<br />
Und dennoch hat jedes den Mittelpunkt seiner Glückseligkeit<br />
in sich selbst! Der Jüngling ist nicht glücklicher als das unschuldige,<br />
zufriedene Kind: noch der ruhige Greis unglücklicher,<br />
als der heftig strebende Mann." (a.a.O. S. 6o9)Was Herder offenbar<br />
zeigen und sagen will ist folgendes: Es gibt eine geschichtliche<br />
Entwicklung, aber es ist falsch, die Phasen und Träger<br />
dieser Entwicklung auf ein ihnen fremdes Entwicklungsziel zu<br />
verrechnen, sofern ein solches Entwicklungsziel im ganzen der<br />
Geschichte rational überhaupt nicht ausgemacht werden kann.<br />
Der Entwicklungsgedanke an ihm selbst ist nicht falsch, falsch<br />
ist nur die Absicht, ihm die Phasen, Individualitäten, Zeiten<br />
und Völker zu opfern. Falsch ist die Rekonstruktion der Geschichte<br />
von einem definitiven Endziel her, dem sich die geschichtlichen<br />
Momente zu beugen haben. Dabei würde der "Eigensinn"<br />
der biographischen oder historischen Lebenseinheiten<br />
"mediatisiert", man könnte auch sagen, verfremdet und entwertet.<br />
So hat die Geschichte, recht betrachtet, immer einen Doppelaspekt,<br />
den Aspekt der Eigenbedeutung des Moments und den Aspekt<br />
der Gesamtbedeutung aller geschichtlichen Momente, die für Herder<br />
in einem unergründlichen Verweisungszusammenhang stehen.<br />
Man könnte auch von einem dialektischen Verhältnis sprechen,<br />
in dem das Lebensmoment auf einen GesamtZusammenhang hindeutet<br />
und der Gesamtzusammenhang auf das Recht der Momente. Die Momente<br />
stellen die Mikrooptik dar, die Idee der Gesamtheit wäre<br />
die Makrooptik, eine aber ohne die andere nicht denkbar.<br />
Und im Bezug auf diese Doppeloptik wären auch geschichtlicher<br />
Optimismus und geschichtlicher Skeptizismus einzuordnen.<br />
Der Optimismus wäre die einseitige Betonung der Makrooptik<br />
bei selbst gesetztem Ziel; der Skeptizismus beschränkte seinen<br />
Blick auf die zusammenhanglosen historischen Einzelerscheinungen,