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PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv

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-58-<br />

biologisch disponierter Abhängigkeiten und Gewaltverhältnisse<br />

zurücksinken, soziale Abhängigkeiten als Problem praktischer<br />

Vernunft annehmen. Herrschaft ist für ihn eine Frage der Besonnenheit,<br />

ein Begriff, in dem Herder alle Möglichkeiten der Ver-<br />

nunftäußerung zusammenschließt. Besonders deutlich wird das Eigen-<br />

tümliche des Humanphänomens Herrschaft an dem Sachverhalt der<br />

Selbstbeherrschung. Es scheint in der Tat dem Menschen vorbehalten<br />

zu sein, sich selbst beherrschen zu können und zu müssen.<br />

Aber was ist "Selbstbeherrschung"? Gemeinhin wird darunter die<br />

Tugend (Tüchtigkeit) verstanden, einen spontanen Reaktionsantrieb<br />

(z.B. spontan aufkommenden Zorn, Aggressivität) zu unterbrechen.<br />

Selbstbeherrschung bedeutet dann so viel wie Selbstkontrolle,<br />

die abbremsende Umwandlung eines Reaktionsantriebs in<br />

eine Handlungsdisposition, die auch in einem Handlungsverzicht<br />

bestehen kann. Der Bedeutung von Selbstbeherrschung im Sinne von<br />

Selbstkontrolle schließt sich die Interpretation von Selbstbe-<br />

herrschung als einer grundsätzlich moralischen Forderung an:<br />

Selbstbeherrschung gilt als eine ethisch geforderte Voraussetzung,<br />

die menschliches Zusammenleben aus Achtung vor dem anderen überhaupt<br />

möglich macht. (Heute hat die Forderung nach Selbstbeherrschung<br />

gelegentlich Kritik erfahren. Sie wurde, im Zuge einer<br />

Anwendung psychoanalytischer Denkmodelle, als Selbstunterdrückung<br />

interpretiert, die am Ende Gewaltpotentiale erzeuge). Für Herder<br />

ist Selbstbeherrschung - Herrschaft über sich selbst und durch<br />

sich selbst - vor allem derjenige anthropologische Grundbefund,<br />

an dem sich exemplarisch die Ausdrücklichkeit menschlichen Selbstseins<br />

darlegen läßt. Selbstbeherrschung ist für ihn vorzüglich<br />

Selbstreflexion in praktischer (und theoretischer) Absicht.<br />

Sie ist eines der wesentlichen Momente, durch die sich tierisches<br />

Leben und menschliche Existenz voneinander unterscheidet. Ein<br />

Tier kann und muß sich nicht selbst beherrschen - dem Menschen<br />

aber ist Selbstbeherrschung nicht nur moralische Pflicht, sondern<br />

existentielle Notwendigkeit. "Existentielle Notwendigkeit" -<br />

inwiefern? Insofern als diese Selbstbeherrschung das menschliche<br />

Selbst allererst hervorbringt. Herder sagt in der "Abhandlung

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