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PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv

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-86-<br />

Treffen diese Überlegungen zu/ dann gibt es keine Identität ohne<br />

Gegensatz - und keinen Gegensatz ohne Identität. Man kann auch<br />

sagen: jeder Akt der Identifizierung (Identifikation) schließt<br />

Akte der Unterscheidung und Entgegensetzungen ein. Darauf be-<br />

zieht sich Herder/ wenn er nach den "Triebfedern"mfragt, die<br />

H die die Verschiedenheit der Sprache unter den nahen Völkern sehr<br />

natürlich veranlassen müssen". (Abhandlung, S. 77) Und führt aus:<br />

Verschiedene "Stämme" mit je eigener "Familiendenkart 11 (und das<br />

heißt: mit je eigenen sprachlich artikulierten und tradierten<br />

Merkwelten) mußten zwangsläufig miteinander in "Zwist" geraten.<br />

"Nicht bloß, daß ähnliche Bedürfnisse sie bald in einen Streit...<br />

des Hungers und Durstes verwickeln ... ein viel heißerer Funke<br />

glimmt ihr Feuer an -Eifersucht, Gefühl der Ehre, Stolz auf ihr<br />

Geschlecht und ihren Vorzug. 11 (Abhandlung, S. 78 ff.) Zweifach<br />

sind also die "natürlichen" Gründe sprachliche: Differenzierungen.<br />

Sie liegen einmal auf der Ebene der Bedürfniskonkurrenz, dem<br />

Streit aus Prinzipien der Selbsterhaltung, und sie liegen - nach<br />

Herder sogar mehr noch - auf der Ebene emotiven Selbstbewußtseins,<br />

nämlich als Eifersucht, Ehre, Stolz und Selbstwert-bzw. Über-<br />

legenheitsempfinden. Und es ist vor allem diese zweite Ebene, auf<br />

der sich eine kollektive Identität ausprägt. Und hier geht es<br />

auch nicht um die Durchsetzung elementarer Lebensbedürfnisse,<br />

sondern um Ausbildung, Tradierung und Erhaltung von Selbst-und<br />

Weltbildern, von kulturellen Signaturen - oder in Herders eigenen<br />

Worten: von "Denkarten" -, deren Existenz und Fortbildung an Sprache<br />

gebunden ist. Wer nicht an einem Identität verbürgenden Selbst-<br />

bewußtsein und Unterscheidung ermöglichenden Selbst-und Weltbild<br />

partizipiert, gilt als Fremdling oder sogar als Barbar. Und<br />

dieser ist vor allem durch eine andere Sprache stigmatisiert,<br />

"da Sprache eigentlich Merkwort des Geschlechts, Band der Familie,<br />

Werkzeug des Unterrichts, Heldengesang von den Taten der Väter<br />

und die Stimme derselben aus ihren Gräbern war." (Abhandlung,<br />

S. 79) Das aber bedeutet, Sprache ist nicht nur ein Ensemble<br />

von Merkworten, mit denen eine eigentümliche menschliche Kultur-<br />

uinwelt bezeichnet wird, sondern sie ist als "Familiensprache"<br />

oder "Nationalsprache" selbst und insgesamt ein Identität markieren-<br />

des Merkmal, das Unterscheidungen trifft und Unterschiede festhält,

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