PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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Grundbestimmung ist also etwas ganz anderes als die Frage nach<br />
konkreten Gestalten der Freiheit und ihren taxierbaren Ausprägungen<br />
zu einer bestimmten historischen Zeit und an einen bestimmten<br />
historischen Ort. Ähnliches gilt für das anthropologische Moment der<br />
Geschichtlichkeit. Nimmt man, was sich begründen läßt, Geschichtlichkeit<br />
als Wesenszug menschlicher Selbstauslegung im Horizont der<br />
Zeit, als "Zeitoffenheit 11 , die theoretisch und praktisch Antwort<br />
fordert, so ist auch sie nicht einfach ein Faktum, etwas Gegebenes<br />
in der Weise wie uns Felsen, Bäume oder Häuser gegeben sind. Vielmehr<br />
ist Geschichtlichkeit jenes grundlegende Zeitverhältnis, das<br />
historische Fakten qua Fakten allererst ermöglicht. Weil, so muß<br />
man sagen, der Mensch sich "immer schon" auf Zeit und Zeitlichkeit<br />
bezieht, kann er im ursprünglichen Zeitbezug "Zeiten" einteilen,<br />
+<br />
kann er erinnern, antizipieren, sich etwas vornehmen, gelungenere<br />
Zukunft projektieren und so fort. Historische oder kulturelle<br />
Fakten, die wir positiv feststellen, begründen also nicht erst Geschichtlichkeit,<br />
sondern umgekehrt: weil es ein Wesenszug menschlichen<br />
Daseins ist, geschichtlich zu existieren, können historische<br />
Erfahrungen allererst Zustandekommen. Und, was den Pädagogen besonders<br />
interessiert, der Grundzug der Geschichtlichkeit, der sich<br />
dem Menschen existentiell in der Erfahrung von Geburt und Tod eröffnet,<br />
ist die sinnhafte Bedingung der Möglichkeit von Erziehung<br />
überhaupt. Erziehung ist eine praktische Weise des Zeitbezugs auf<br />
dem Grunde der Zeitoffenheit, der Geschichtlichkeit des Menschen.<br />
Erziehung ist ein elementarer Umgang mit der Zeitlichkeit als Wissen<br />
um die je-eigene Endlichkeit. Und was faktisch als Erziehung geschieht,<br />
sei es in der Historie, in der Gegenwart oder in der Zukunft,<br />
ist ermöglicht und sogar wesenhaft erzwungen durch die Endlichkeit<br />
des Daseins, die den Sinn des menschlichen Zeitverhältnisses<br />
ausmacht. Wären die Menschen unsterblich, so hat es John<br />
Dewey einmal formuliert, so bestünde keine Notwendigkeit zu erziehen.