PDF-Datei: Pädagogische Anthropologie - Egon Schütz Archiv
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nicht verdankt, und das doch vernünftig geglaubt sein will.<br />
Der Sammler der literarischen Urkunden der Völker, der hochsensible<br />
literaturkundige Eerder sieht sich konfrontiert mit<br />
der Präge nach dem Sinn der Universalgeschichte und er weigert<br />
sich, Jenen Spekulationen zu folgen, die geeignet sind,<br />
die Vergangenheit nur in ihrer Bedeutung als Vorstufe des<br />
Fortschritts zu berechnen. Vehement wehrt er sich gegen das<br />
Urteil vom „dunklen" Kittelalter, dem sich die Aufklärung<br />
soweit überlegen fühlt, und er wehrt sich gegen das Taxieren<br />
historischer Lebensgestalten, das in dein Maße, in dem es die<br />
eine emporhebt, die andere disqualifiziert. Er fragt mit deutlichem<br />
Nachdruck: „Machtsprüche des Lobes und des Tadels, die<br />
wir aus einem aufgefundenen Lieblingsvolke des Altertums, in<br />
das wir uns vergafften, auf alle Welt schütten - welches Rechtes<br />
seid ihr?" (Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung<br />
der Menschheit, S.605) Und die Antwort auf die Frage nach<br />
der Rechtmäßigkeit solcher Idealisierung geschichtlicher Epochen<br />
und Völker ist klar: Es gibt kein Recht zu solchen Macht-<br />
sprüchen. Denn „jede Nation hat ihren Mittelpunkt der Glückseligkeit<br />
in sich, wie Jede Kugel ihren Schwerpunkt." (a.a.O.<br />
S.106) Hier wird Herders historischer Sinn ganz deutlich. Er<br />
opponiert gegen die Anmaßungen und Überheblichkeiten beckmesserischer<br />
Retrospektive. Und wir haben keine Schwierigkeit,<br />
für uns zu aktualisieren, welche Bedeutung dem Verlangen Herders<br />
nach Redlichkeit im Blick auf die Völker und Zeiten zukommt.<br />
Denn diese Bedeutung liegt ja keineswegs nur in der<br />
Reklamation historischer Objektivität, die sich der Urteile<br />
enthalten soll, um vorurteilsfrei an die historischen Fakten<br />
selbst heranzukommen. Vielmehr, die Bedeutung der Forderung<br />
nach einem Verständnis der Völker und Zeiten aus ihnen selbst<br />
heraus und unter Verzicht auf Ansprüche eines historischen<br />
Richteramtes liegt vor allem in einem ethischen Moment der Gerechtigkeit,<br />
das aus der vorbehaltlosen Annahme der Vielfältigkeit<br />
entspringt, in der menschliches Leben sich geschichtlich<br />
ausbreitet.