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Gefäß eine Stimme: »Hallo! Ist jemand zuhause? Bist du das,<br />

Esme?«<br />

Margarete erschrak derart, dass sie die Dose fallen ließ.<br />

Doch dann fing sie sich wieder und bückte sich um sie aufzuheben.<br />

»Liebe Dose«, sprach sie in die Dose, »nein, ich bin<br />

nicht die Frau Esmeralda, ich bin Margarete, ihre Gehilfin.«<br />

»Wer hätte gedacht«, kam es aus der Dose, »dass mich<br />

einmal jemand Dose nennt (Gelächter). Nein, diese Dose ist<br />

nur ein Vehikel, wir nennen sie Fernsprecher. Ich bin die<br />

Dame Mafalda, die Cousine von Esme, und einige hundert<br />

Meilen von dir entfernt. Du bist also diese Margarete, von der<br />

alle Welt spricht. Wir werden uns bald kennenlernen, denke<br />

ich, und nun sag bitte Esme Bescheid, dass ich mit ihr<br />

sprechen will.«<br />

Von der alle Welt spricht … Margarete konnte sich keinen<br />

Reim darauf machen, und sie beeilte sich, Esmeralda herbeizuholen.<br />

So verging die Zeit, und als der beginnende Winter wieder<br />

das Land mit Schneedecken überzog und die Frauen eines<br />

Abends im gemütlichen Wohnzimmer zusammensaßen,<br />

kramte Esmeralda eine kleine Schachtel hervor und öffnete<br />

sie. Darin befand sich eine gepresste Substanz von dunkelbrauner<br />

Farbe; von der Größe passte es in eine Handfläche.<br />

Neugierig schnupperte Margarete daran und ihr schien, als<br />

käme ihr der Geruch bekannt vor.<br />

»Was ist das?«, fragte Margarete, »es riecht erdig und<br />

entfernt nach Hanf.«<br />

»Da hast du recht«, erläuterte die Heilerin, »es ist das<br />

Harz der Blüte einer Pflanze, die mit dem Hanf, den du<br />

kennst, verwandt ist. Sie wächst weit weg im fernen Osten, in<br />

einem Land, wo die Leute Turbane und lange Gewänder<br />

tragen. Sie reiten auf Tieren, die sind größer als meine Hütte<br />

– von außen. Was rede ich, ich hole uns das Buch.« Doch<br />

ehe sie aufstehen konnte, schoss Fridolin, der immer in der<br />

Nähe war, wenn er sich nicht auf irgend einem Dienstflug<br />

befand, hinaus in Richtung Bibliothek. Und schon war er<br />

wieder da und ließ ein schweres Buch auf den Tisch<br />

plumpsen, dass die Teegläser wackelten. Das Buch war illustriert<br />

und so konnte Margarete sehen, von was Esmeralda<br />

sprach.<br />

»Die Pflanzen können dort so groß wie ein kleiner Baum<br />

werden und die Wirkstoffe sind um ein Vielfaches stärker als<br />

beim Hanf, der in deiner Heimat wächst. Natürlich ist dies<br />

ein gutes Mittel gegen bestimmte Gebrechen, wenngleich<br />

sehr schwer zu beschaffen. Aber da du in den nächsten Tagen<br />

zu meiner Cousine ziehen wirst, sie ist schon ganz aufgeregt<br />

und möchte dich unbedingt kennenlernen, will ich dir dies<br />

Stück schenken. Mein Gefühl sagt mir, dass du es brauchen<br />

wirst. Trage es stets bei dir. Wenn du davon rauchen solltest,<br />

sei vorsichtig, der Rauch ist sehr beißend und stark. Leute,<br />

die das rauchen, benutzen dazu eine Wasserpfeife. Und halte<br />

das Zeug gut verborgen vor Ra …«<br />

Da war Fridolin schneller als der Schall, schon war er auf<br />

dem Tisch, knabberte sich ein Eckchen von dem Stück ab<br />

und entfleuchte in die Küche.<br />

Die beiden Frauen mussten lachen und Esmeralda<br />

meinte: »Mal sehen, wie er nachher aussieht. Wenn man zu<br />

viel davon raucht, fühlt man sich wie … gesteinigt.«<br />

Tatsächlich, als sie das Teegeschirr zur Küche brachten,<br />

lag der Rabe auf dem Küchentisch und streckte alle Viere,<br />

zwei Flügel und zwei Beine, von sich.<br />

»Ist alles mit dir in Ordnung?« fragte Margarete besorgt<br />

das Tier, »fühlst du dich wie gesteinigt?«<br />

Fridolin blickte sie mit glasigen Augen an und antwortete<br />

total meschugge: »Krch, ooooh jaaaaa! Ich fühle. Und ich<br />

denke, jedermann müsste so gesteinigt werden. Krächz.«<br />

Schon am nächsten Tag begann man mit den Reisevorbereitungen.<br />

Die Dame Mafalda residierte Hunderte Meilen<br />

weiter oben in Lappland, da war warme Kleidung wichtig,<br />

und Margarete musste ihre persönlichen Sachen zusammenkramen,<br />

ein Bündel, das von Mal zu Mal umfangreicher<br />

wurde. Das lag vor allem an ihren Notizen, denn sie hielt<br />

besondere Ereignisse immer fest und sie sammelte<br />

interessante Rezepte. Dieser Tag ging viel zu schnell vorbei<br />

und am nächsten Morgen stand Schneewind gesattelt vor der<br />

Haustür. Die Frauen verabschiedeten sich mit vielen Umarmungen<br />

und Küssen, und Esmeralda drückte Margarete<br />

eine Blechdose in die Hand.<br />

»Da sind Mafaldas Lieblingsplätzchen drin, nasche nicht<br />

davon, sonst ergeht es dir wie Fridolin vorgestern.«<br />

Dann wurde aufgesessen, Esmeralda winkte und Schneewind<br />

setzte sich in Bewegung. Und, wusch, los ging die eisige<br />

Reise, doch Margarete war gut eingepackt. Sie schloss die<br />

Augen und überließ sich ihren Gedanken, die zunehmend<br />

mehr um Karl kreisten. Wie konnte sie den Geliebten erlösen?<br />

Lebte er überhaupt noch? Würde sie die Schneekönigin besiegen<br />

können und, vor allem, wie? Was erwartete sie bei<br />

Dame Mafalda?<br />

Das Rentier streckte und bog sich und raste mit unvorstellbarer<br />

Geschwindigkeit über die eintönigen Landschaften,<br />

schneebedeckte unendliche Weiten. Lappland, wir kommen!<br />

Sechste Geschichte: Die Magierin<br />

Natürlich landete Schneewind wieder mit der für Margarete<br />

gewohnten Uneleganz, rutschend, taumelnd und sich einmal<br />

um sich selbst drehend. Sie sah sich um: Inmitten der unendlichen<br />

Schneefläche befand sich ein großer kreisförmiger<br />

Fleck, worauf grünes Gras wuchs und in der Mitte stand ein<br />

No. 2 • Mai 2009 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 107

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