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Schätzchen? So war das eben: jeder Lehrling, gleich ob<br />
männlich oder weiblich wurde von seinen Meisterinnen und<br />
Meistern gebumst, gebügelt, genagelt, gepoppt, war man<br />
literarisch veranlagt, wurde der Baum des Lebens in den<br />
Garten Eden gepflanzt. Es blieb einem nichts übrig, als sich<br />
zu fügen, bis man so weit war, dem Meister magisch Paroli<br />
zu bieten um seinen Gesellenbrief zu erhalten. Sieh es so:<br />
Wer in diesen alten Zeiten zu einem Zauberer in die Lehre<br />
ging, der war entweder dahin verkauft worden oder hatte<br />
sonst wie mit seinem Leben abgeschlossen; niemand mit<br />
klarem Verstand tut so etwas. Schau nicht so gramvoll, Liebchen,<br />
denn ich muss gestehen, mein Meister war zwar schon<br />
etwas älter, aber war er bei seinen Arbeiten von philosophischer<br />
Geduld, so war er als Liebhaber zum Ausgleich so<br />
feurig wie zwanzig Zwanzigjährige. Ich muss gestehen, Kindchen,<br />
ich habe lange gezögert mit dem Gesellenbrief. Doch<br />
dann geschah etwas, das mich die Welt als größer erkennen<br />
ließ denn des Meisters Palast. Er hatte einen Spiegel produziert,<br />
den ich hier als Idiotischen Spiegel bezeichnen möchte;<br />
ein Blendwerk, welches die Sicht der Betrachter verdrehte und<br />
den er auch noch für unzerstörbar hielt. Auf unserem Jahresthing<br />
prahlte er über alle Maßen damit, doch dann kam<br />
der Muck. So nannten wir diesen Querdenker, denn keiner<br />
kannte seinen richtigen Namen. Er zerdepperte das Machwerk,<br />
unvorhergesehen zerfiel es zu Staub. Das kostete den<br />
Meister erst den Vorsitz, dann seine Potenz und schließlich<br />
mich, denn er, der dem Spiegel am nächsten gestanden, veränderte<br />
sich scherbenverseucht nach dem Motto: Wer nicht<br />
genießt, wird ungenießbar. Ah, Mädchen, ich sehe dir an,<br />
dich hat eine Ahnung beschlichen. Mich auch, denn so, wie<br />
du mir das Verhalten von Karl vor seinem Verschwinden geschildert<br />
hast, hat er eine oder mehrere der staubfeinen<br />
Scherben abbekommen.«<br />
»Damit wurde er zur leichten Beute für die Schneekönigin!«<br />
»Fein gedacht, mein kluges Kindchen!«<br />
»Was tun?«<br />
»Diese Frage hat schon manchen Weisen beschäftigt.«<br />
Eben wollte Dame Mafalda zu einem ausführlichen Diskurs<br />
ausholen, da kam Quasimodo vernehmlich miauend und<br />
leicht ermattet aus dem Wald getrottet, was bedeutete, dass<br />
die künstliche Sonne schon weit links stand und es Zeit fürs<br />
Abendessen war.<br />
»Na, was ist?«, rief sie statt dessen dem schwarzen Ungetüm<br />
zu, »wie viele unvorsichtige Wildkatzen hast du heute<br />
flachgelegt?«<br />
»Der Kavalier genießt und schweigt, meine Dame. Doch<br />
das letzte Kätzchen fiel glatt aus dem Rahmen. Fragt mich<br />
doch tatsächlich, ob ich nicht Lust hätte, morgen mit ihr zu<br />
jagen.« Der Kater sprang demonstrativ auf seinen Stuhl und<br />
fixierte anzüglich die noch leere Tischplatte. »Ich überlege<br />
mir ernsthaft, ob ich die Einladung vielleicht, unter Umständen,<br />
eventuell, möglicherweise … aber natürlich nicht<br />
… obwohl, wenn man sein Geregeltes hat, das ist ja auch<br />
nicht schlecht …, doch wenn ich sie annehme, dann nicht,<br />
weil mir diese Emma so gut gefällt, sondern nur wegen des<br />
Abenteuers. Darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen.«<br />
Das Tischlein deckte sich, das Abendmahl wurde verzehrt,<br />
man unterhielt sich, und dann erklang ganz außerfahrplanmäßig<br />
von unterhalb der Treppe, die fast schon Waldrand<br />
war, diese Katzenmusik, die Menschen den Schlaf raubt und<br />
bei ihnen Mordgelüste auslöst.<br />
»Emma?« Die gelben Augen weit geöffnet, die Ohren gespitzt<br />
saß Quasimodo, die personifizierte Sprungfeder, die<br />
augenblicklich reagierend funktionierte und den Kater aus<br />
dem Gesichtsfeld katapultierte.<br />
In dieser Nacht stellte sich der Schlummer bei Margarete<br />
sehr spät ein. Da es nun offen vor ihren Augen lag, wie<br />
mächtig diese Schneekönigin war, wollte sie schier verzagen.<br />
Was hatte sie deren Gewalt entgegen zu setzen? Ihre Liebe zu<br />
Karl? Die Sicht? Wie sollte sie damit einen Elementargeist<br />
überwinden? Sie weinte bittere Tränen in ihr Kopfkissen,<br />
bevor der Schlaf sie endlich erlöste.<br />
Der Kummer ihres Schützlings blieb auch Mafalda nicht<br />
verborgen und sie sann über Mittel und Wege nach, diesen<br />
zu lindern. Zunächst galt es, herauszufinden, ob die junge<br />
Frau über versteckte Kräfte verfügte, die über die Sicht<br />
hinaus gingen. So entnahm sie ihrem Fundus ein paar<br />
Spiele, mit denen man sich einerseits die Zeit vertreiben<br />
konnte, andererseits waren dies aber Versuchsspiele, die<br />
Verborgenes offen legen mochten. Doch so oft sie auch<br />
spielten, es blieb dabei: Margarete hatte die Sicht und sonst<br />
nichts.<br />
Wenn ihr gar nichts mehr einfiel, konsultierte Mafalda<br />
ihren Kater. Katzen gelten seit alters her als kluge, gar magische<br />
Tiere und Quasimodo hatte ihr mit seinen Ratschlägen<br />
schon oft aus der Bredouille geholfen. Sie hatte den Schelm<br />
sogar im Verdacht, er könne Gedanken lesen.<br />
»Was bedrückt dich, liebe Futtergeberin?«, fragte er soeben,<br />
als hätte er es gekonnt.<br />
»Wie können wir das Schätzchen aufrüsten?«, fragte sie<br />
seufzend zurück.<br />
»Versuch’s doch mal mit Feuer.«<br />
»Feuermagie?«, entfuhr es Mafalda erstaunt, »wie<br />
kommst du darauf?«<br />
»Gegensätze!«, raunzte Quasimodo zurück. »Schnee ist<br />
Wasser und steht im Gegensatz zum Feuer.«<br />
»Aber Wasser löscht Feuer, du Galgenstrick!«, rief die Magierin<br />
aufgebracht, »wie sollte das nützen?«<br />
No. 2 • Mai 2009 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 111