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fehl. Unmittelbar darauf marschierte eine Kompanie Eisbären<br />

mit Gebrüll aus dem Tor, das war die Elitetruppe des Elementargeistes.<br />

»Verschwinde, Mädchen«, rief deren Hauptmann rau,<br />

»sonst zerreißen wir dich, fressen deine Eingeweide und verstreuen<br />

deine Knochen über die Ebene!«<br />

Doch Margarete deutete mit ihrem Finger auf ihn, stellte<br />

sich Nicht Tödliches Licht vor und stach mit dem Lichtstrahl<br />

durch des Bären Fell und sengte seine Haut. Verdutzt blieb<br />

Meister Petz stehen.<br />

»Ich führe keinen Krieg gegen Eisbären!«, rief sie ihm zu.<br />

»Kein Tier will ich verletzen, doch kann mein Licht auch<br />

tödlich sein. Zieht eurer Wege und es wird euch nichts geschehen!<br />

Kommt näher und ihr werdet es bereuen!« Um<br />

ihren Worten Nachdruck zu verleihen, feuerte sie mehrere<br />

Salven Nicht Tödliches Licht auf die Bären, die sich daraufhin<br />

jaulend die schmerzenden Stellen rieben.<br />

Da wandte sich der Bärenhauptmann um und rief zu<br />

seinen Truppen: »Dagegen sind wir machtlos! Ich befehle<br />

den geordneten Rückzug!« Und die Kompanie verschwand<br />

eiligst in der Landschaft.<br />

Nun gab es nur noch die Schneekönigin und Margarete.<br />

Die Erstere stand völlig bewegungs- und fassungslos über<br />

ihrem zerstörten Schlosstor, die Andere weit unterhalb. Kurz<br />

schoss Margarete der Gedanke durch den Kopf, wie es gekommen<br />

sei, dass sie hier und jetzt stand, mit diesem unmöglichen<br />

Selbstbewusstsein, vor einer Begegnung, von<br />

deren Ausgang das Wohl und Wehe der Menschheit abhing.<br />

Doch sofort verscheuchte sie solch Denken, galt es dringlich,<br />

in der Gegenwart zu verharren. Die Schneekönigin musste<br />

aus ihrem Schloss gelockt und sollte in Augenkontakt mit ihr<br />

treten, damit sie erkenne, wann der Geist den Eisbann senden<br />

werde. Also rief sie hinauf:<br />

»Diebischer Geist! Du hast ein Herz gestohlen, das mir<br />

gehört und ich will es wieder haben! Komm herunter und<br />

verhandle mit mir!«<br />

Doch die Schneekönigin stand nur oben und rührte sich<br />

nicht. Margarete wusste, sie musste den Naturgeist reizen,<br />

ihn zornig machen, damit er sich bewege und vielleicht Fehler<br />

begehe. Ob sie einmal Laras Vokabular benutzen sollte?<br />

»Du schmierige Geisterschlampe, du Scheißhaufen im<br />

Angesicht des Herrn, verfickte Kinderschänderin, schieb deinen<br />

verkommenen Arsch hier herunter, damit ich dir die<br />

Fresse polieren kann!«<br />

Das saß; die Schneekönigin verschwand von der Zinne<br />

und trat durch das geborstene Tor.<br />

»Elende Sterbliche!« rief sie hochroten Hauptes, während<br />

sie näher kam. »Du wagst es, mich herauszufordern? Hast du<br />

dich mit der Hölle verbündet, dass du meine Heere schlugst?<br />

Willst du Schneekönigin werden anstelle der Schneekönigin?<br />

Du wirst schmählich scheitern!«<br />

»Meine Liebe«, gab Margarete zurück und ihre Stimme<br />

troff von Sarkasmus, »mir scheint, du hast viel zu viel Rouge<br />

aufgelegt. Na ja, manche Leute haben einen sonderbaren<br />

Geschmack. Die Hölle? Ich denke, da war jemand, der dich<br />

zu jeder Zeit in die Tasche steckt.« Dann legte sie Schärfe in<br />

ihren Ton: »Mir liegt nichts an deinem Reich und nichts an<br />

deiner Macht. Die ist eh’ dahin, denn deine geraubten Lebenssubstanzen<br />

verflüchtigten sich im Äther. Du hast mir<br />

meinen Liebsten gestohlen, den will ich und sonst nichts. Gib<br />

ihn mir und ziehe hin in Frieden!«<br />

»Wie konnte er dein Liebster sein, du erbärmlicher Erdenwurm?<br />

Ihr wart noch Kinder, als er sich freiwillig an meinen<br />

Schlitten hing!«<br />

»Die Liebe schert sich nicht um Alter, Hautfarbe oder<br />

sonstige Belanglosigkeiten. Wir Menschen haben sie und sie<br />

will gelebt werden, denn ohne sie hätte nichts einen Sinn. Dir<br />

ist sie fremd, du hast sie nie gehabt, außer in grauer Vorzeit,<br />

wo du nichts warst als ein Mensch. Liebe ist eine höhere<br />

Macht, Königin der Kälte, als du sie je einmal besitzen könntest.<br />

Du bist nichts weiter, als eine schäbige und nun gescheiterte<br />

Entführerin. Doch ich bin nicht deine Richterin; ich<br />

maße mir nicht an, ein Urteil über dich zu fällen, das überlasse<br />

ich anderen, vielleicht sogar dir selbst. Gib mir Karl und<br />

ziehe hin in Frieden.«<br />

»Oh, meine sterbliche Gegnerin ist eine Philosophin«,<br />

suchte die Schneekönigin gleich zu ziehen, »doch auch die<br />

schönsten Gedanken erstarren in Kälte. Dein Karl mag in den<br />

Trümmern meines Schlosses verrecken, und du wirst da<br />

stehen, wo du jetzt bist und ihm nicht helfen können, denn<br />

du wirst auf ewig in einem Eiswürfel verschlossen sein!« Und<br />

dann begannen ihre Augen zu irrlichtern.<br />

Das war der Augenblick, auf den Margarete klopfenden<br />

Herzens gewartet hatte. Ihre Hand ertastete das Spiegelchen<br />

von Mafalda in ihrer Jackentasche. Sie zog es hervor, hielt es<br />

dem Elementargeist entgegen und rief: »Erkenne dich selbst!«<br />

Die Schneekönigin fokussierte ihren Blick und sandte mit<br />

selbigem den gräulichen Eisbann auf ihre Gegnerin, der sie<br />

für immer auslöschen sollte. Doch ein Spiegel ist ein Spiegel<br />

und er reflektiert, das ist seine Natur, und so fiel der Eisbann<br />

auf seine Urheberin zurück. Weiß und wunderschön anzusehen,<br />

aber nicht länger gefährlich, wurde sie in einen gewaltigen<br />

Eiswürfel eingeschlossen.<br />

Margarete wusste, was das bedeutete: In einem Jahr gibt es<br />

wieder einen gewöhnlichen Winter, ohne Kapriolen. Nun galt<br />

es, Karl zu finden, und die junge Frau schritt unter dem zerstörten<br />

Torbogen hindurch in das zerfallende Schloss.<br />

Über Trümmer musste sie steigen und dabei ständig Obacht<br />

geben, denn andauerndes Bersten und Splittern kündete<br />

No. 2 • Mai 2009 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 119

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