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te sich eng an Grete. Doch das schien keine gute Idee zu sein,<br />
denn die junge Frau zuckte zurück.<br />
»Sag mal, Lara, gibt’s denn hier kein Wasser? Du<br />
stinkst!«<br />
»Ich riech nix«, war die schon halb schlaftrunkene Antwort<br />
und: »Drunten am Burgberg fließt ein Bach … morgen<br />
… vielleicht …«, und sie klammerte wieder.<br />
Grete lag noch etwas länger wach und roch irgendwann<br />
auch nichts mehr. Der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier.<br />
Sie dachte über Lara nach, über ihr ungepflegtes<br />
Aussehen, die alten Klamotten, ihre schlechten Manieren,<br />
ihre miese Ausdrucksweise, über die abgrundtiefe Traurigkeit,<br />
die in den dunklen Augen zu erkennen war. Dennoch ließ<br />
Laras Verhalten in der letzten Stunde vermuten, dass trotz der<br />
widrigen Umstände in ihrer Brust ein gutes und treues Herz<br />
schlagen mochte. Es war klar: Dieses Mädchen brauchte<br />
dringend eine Rundumerneuerung.<br />
Und so erblickten die ersten Sonnenstrahlen des nächsten<br />
Morgens ein Bild für Götter: Eine junge Frau und ein Mädchen,<br />
bewaffnet mit Beuteln und Tüchern, stiegen den Hang<br />
hinab ins Tal. Die Kleinere führte die Größere an einer Hundeleine<br />
und hätte eigentlich vorausgehen müssen. Doch die<br />
Größere ging vor und zerrte die sich heftig sträubende, lautstark<br />
vor sich hinschimpfende Kleinere hinter sich her, welche<br />
die Leine partout nicht loslassen wollte. Das Ziel der beiden<br />
war eine Stelle, an welcher der Bach ein Stück vom Ufer<br />
weggeschwemmt hatte, sodass dort fast stehendes Wasser war,<br />
worin man sich vorzüglich waschen konnte, falls man auf<br />
jeglichen Luxus verzichtete.<br />
»Nun zieh dich schon aus«, forderte Grete und war im Nu<br />
splitternackt.<br />
»Oh«, staunte Lara, »du hast ja schon richtige Titten …<br />
und Haare zwischen den Beinen.«<br />
»Hast du auch, über kurz oder lang. Aber was ist nun?<br />
Willst du dich ausziehen oder mit den Kleidern baden gehen?«<br />
»Aber warum waschen?«, fing die Kleine wieder an zu<br />
zetern. »Das Wasser ist viel zu kalt! Und viel zu nass! Und<br />
überhaupt hat ein bisschen Schmutz noch nie geschadet.<br />
Dreck macht Speck, sagt meine Alte immer … Scheiße!«<br />
Grete, bereits bis zu den Knien im kalten Wasser, warf dem<br />
Mädchen einen schrägen Blick zu. Ein Ruck an der Hundeleine,<br />
deren eines Ende um Laras Handgelenk geschlungen<br />
war, und der Zeter und Mordio schreiende Dreckspatz<br />
klatschte in elegantem Bogen mit samt seinen Klamotten in<br />
den Bach, wo er von der Älteren nach allen Regeln der Kunst<br />
ausgezogen, eingeseift und abgeschrubbt wurde. Zum Glück<br />
hatte Lara Gretes Gepäck, das sie wie ihre Gefangene als ihr<br />
Eigentum betrachtete – Grete tat nichts, um diesen Eindruck<br />
abzuschwächen – in ihre Kammer verbracht, sodass die<br />
junge Frau nun über alle Mittel der Körperpflege verfügen<br />
konnte, die sie benötigte. Während sie die Jüngere also bearbeitete,<br />
erzählte sie ihre Geschichte, von Karl und ihrer<br />
Suche. Lara beruhigte sich, ergab sich in ihr nasses Schicksal<br />
und hörte aufmerksam zu. Am Ende der Waschprozedur<br />
schenkte Grete der Kleinen ihre Ersatzzahnbürste und zeigte<br />
ihr, wie man sich die Zähne richtig putzt.<br />
Dann ging es ans Ufer, wo keine Bäume standen, sodass<br />
die Sonne ungehindert ihre wärmenden Strahlen hinsenden<br />
konnte. Grete schlang sich eins ihrer Tücher um, mit einem<br />
anderen begann sie, Lara abzutrocknen. Selbige wähnte sich<br />
mit einem Mal wie im siebten Himmel, denn ihre Gefangene<br />
konnte hervorragend rubbeln. Sie schien Stellen am Körper<br />
zu kennen, wo das Rubbeln zu ungeahnten Wonnen führte.<br />
Da war auf einmal eine Wärme, die nicht nur von der Sonne<br />
rührte, sondern die von innen kam. Hach! Diese Gefangene<br />
würde sie so schnell nicht freilassen, dieser Karl würde warten<br />
müssen.<br />
Zum Schluss kamen die Haare dran; die beiden bürsteten<br />
sie sich gegenseitig trocken. Grete schaute sich ihre Möchtegern-Herrin<br />
genauer an, nun, da der Schmutz verschwunden<br />
war. Nie hätte sie gedacht, dass sich unter all dem Dreck ein<br />
so hübsches, jetzt süß riechendes Kind verbarg. Die rabenschwarzen<br />
Haare glänzten nun seidig, und wenn Sonnenlicht<br />
darauf fiel, bekamen sie einen blauen Schimmer. Unter den<br />
schwarzbraunen Augen saß eine kleine, gerade Nase und<br />
darunter ein frecher, breiter Mund. Die Brüste waren noch<br />
winzige Hügel, jedoch von ausgeprägten Nippeln gekrönt, die<br />
Spalte zwischen ihren Beinen noch nackt und bloß. Nur die<br />
Frisur, die war verhunzt. Doch Grete packte wohlgemut eine<br />
Schere aus ihrem Waschbeutel und machte sich ans Werk.<br />
Nach kurzer Zeit trat sie einen Schritt zurück, um das Ergebnis<br />
zu begutachten. Lara sah nun eindeutig besser aus als<br />
vorher. Das Haar endete glatt und sauber am Nacken und<br />
über der Stirn war sorgfältig ein Pony geschnitten.<br />
»Jetzt siehst du aus wie Prinz Eisenherz«, sagte Grete<br />
grinsend und führte das Mädchen zum Wasser, damit es sich<br />
in dessen Spiegel betrachten konnte.<br />
»Igitt!«, rief Lara, »jetzt seh’ ich ja richtig burschwah<br />
aus!« Aber sie schien überhaupt nicht böse darob zu sein.<br />
Doch über diesen Prinzen Eisenherz würde sie ihre Gefangene<br />
über kurz oder lang noch ausgiebig ausquetschen.<br />
Burschwah – Grete stellte das Wort in ihrem Oberstübchen<br />
richtig: bourgeois, bürgerlich. Das brachte sie zum nächsten<br />
Thema. »Wie kommt es, dass aus einer Befreiungsbewegung<br />
eine Räuberbande wird?« Wobei sie wusste, wie schwierig<br />
dieses Thema war.<br />
Lara wusste das auch. Sie schluckte und erwiderte: »Lass<br />
uns anziehen und nach oben wandern. Unterwegs wollen wir<br />
No. 2 • Mai 2009 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 97