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tete eine Anzeige in allen Zeitungen des Landes, worin die<br />
gewünschten Eigenschaften der Bewerber aufgelistet waren.<br />
Unter anderem sollte ihr Bräutigam ebenso klug sein wie sie,<br />
er sollte loyal sein, Mensch und Tier lieben, ein politisch fortschrittliches<br />
Denken pflegen und so weiter und, nun ja,<br />
ahem, er sollte auch einen recht standhaften Zinnsoldaten<br />
zwischen … äh, wenn du weißt, was ich meine …?« Der<br />
Rabe blinzelte.<br />
»Fällt wohl unter die Rubrik ›so was‹«, murmelte Gretchen,<br />
das sich nun ein Bild machen konnte. »Und wie ging’s<br />
weiter?«<br />
»Wir Vögel sagen vögeln zu so was«, nuschelte der Rabe<br />
zurück. Dann ereiferte er sich wieder. »Kraa – ja, derjenige,<br />
der das meiste von diesen Eigenschaften vorweisen könne, den<br />
wollte die Prinzessin zum Mann nehmen. Oh ja, die Prinzen<br />
strömten aus allen Landen herbei, um von den vertrautesten<br />
Hofdamen der Prinzessin geprüft zu werden. Aber keiner kam<br />
auch nur in die engere Wahl, weder den ersten noch den<br />
zweiten Tag, wo die Bürgerlichen anstanden. Waren sie gut<br />
im Bett, dann konnten sie nicht wirklich zärtlich sein. Einige<br />
konnten gut reden, aber ihre Taten waren gleich null. Andere<br />
konnten viel tun, aber ihre Hände richteten nur Unheil an,<br />
ihre Köpfe konnten nicht planen. Manche waren gute Planer,<br />
aber vor den Plänen konnte man das Grausen kriegen.«<br />
»Aber Karl, was war mit Karl?«, fragte Gretchen, »wann<br />
kam der?«<br />
»Kraa-kraa! Darauf wollte ich gerade zu sprechen<br />
kommen«, entgegnete der Vogel und plusterte sich auf. »Es<br />
war am dritten Tag, da kam ein nicht sehr großer Mann<br />
ohne Pferd und Wagen ganz fröhlich gerade auf das Schloss<br />
marschiert; seine Augen glühten wie deine, er hatte lange<br />
braune Haare und eine vornehme Haltung, aber nur ärmliche<br />
Kleider.«<br />
»Das war bestimmt Karl!«, jubelte Gretchen und freute<br />
sich.<br />
»Das kann wohl sein«, meinte der Rabe. »Ich weiß es von<br />
meiner Liebsten, dass, wie er in das Schlosstor kam und die<br />
Wachen in Silber und die Diener in Gold sah, er nicht im<br />
Mindesten verlegen wurde, nur nickte und zu ihnen sagte:<br />
›Hätte einer der Herren die Güte, mich der Prinzessin Ihres<br />
schönen Landes vorzustellen? Ich bin ein Prinz aus Noh-<br />
Wehr und weit und lange gereist, um ihre Lieblichkeit zu<br />
bewundern!‹ Er wartete jedoch nicht und fackelte nicht<br />
lange, sondern schritt schnurstracks weiter auf seiner Suche.<br />
Die Hofschranzen liefen in wildem Durcheinander und aufgeregt<br />
gestikulierend vor ihm her, und die Hofdamen, die ihn<br />
unbedingt examinieren wollten, schob er einfach zur Seite.«<br />
»Das sieht Karl ähnlich«, seufzte Gretchen.<br />
»Kraa-ha-ha«, krähte der Vogel, »das war viel Lärm um<br />
Nichts; dennoch war die Prinzessin aufmerksam geworden<br />
und kam aus ihren Gemächern. Sie musterte den jungen<br />
Mann einen Moment, dann zog sie sich mit ihm in ihre<br />
Räumlichkeiten zurück. Danach hörte man ein paar Stunden<br />
nichts mehr von den beiden.« Der Rabe verdrehte die<br />
Augen. »Die Zimmer im Schloss sind hervorragend isoliert.«<br />
»Du meinst vielleicht«, Gretchens Stimme<br />
wurde etwas dünn, »die beiden pflegten sich die<br />
Zeit mit … ›so was‹ zu vertreiben?«<br />
»Kraa-ha-ha-ha!« Der Rabe hüpfte so auf-<br />
geregt hin und her, dass er fast vom Baum-<br />
stamm gefallen wäre. »Meine Geliebte, sie ist<br />
eine zahme Räbin, musst du wissen, die frei<br />
im Schloss umherfliegen darf, hat’s gesehen<br />
und mir erzählt, sie habe da den schärfsten Fick<br />
beobachtet, den sie je zwischen zwei Menschen<br />
… oh, Entschuldigung!«