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von umstürzenden Säulen und einstürzenden Dächern. So<br />

gelangte sie in einen großen Saal, wo sich ihr ein jammervolles<br />

Bild bot: Auf dem Fußboden war aus bunten Eisscheiben<br />

ein Kunstwerk geschaffen worden, das nun jedoch<br />

zerstört war. Dazwischen kroch auf allen Vieren eine orientierungslose<br />

Gestalt. Es hätte ein hübscher, junger Mann sein<br />

können, wäre er nicht in einem solch erbärmlichen Zustande<br />

gewesen. Die Haut war blau angelaufen, von Haaren und<br />

Kleidern lösten sich Eissplitter bei jeder Bewegung, die ihn<br />

ungeheuere Anstrengung zu kosten schien.<br />

»Karl!«, schrie Margarete und rannte zu ihm hin. »Karl!<br />

Was ist mit dir? Erkennst du mich denn nicht?« Und dann<br />

schossen ihr wieder Tränen in die Augen.<br />

Doch der Angesprochene blickte sie nur verständnislos an;<br />

kein Erkennen lag in seinen Augen. Er fuhr fort, weiter über<br />

den Boden zu rutschen, Unverständliches vor sich hinmurmelnd.<br />

Margarete berührte ihn an der Schulter und sondierte<br />

mit der Sicht. Oh Weh und Ach! In diesem Körper war manches<br />

Organ geschädigt, mancher Nerv gefroren und es war<br />

nur noch ein Hauch Lebensenergie darin, das wäre der letzte<br />

Kuss der Schneekönigin gewesen. Dies Leben war im Begriff<br />

zu verlöschen.<br />

Da legte sich Dunkel über Margaretes Gemüt, sie weinte<br />

und aller Mut schien sie zu verlassen. Sie hockte sich neben<br />

Karl und beobachtete seinen mühsamen Atem, sichtbar<br />

durch die Dampfwölkchen, die dieser produzierte. Fieberhaft<br />

durchforschte sie ihre Gedanken nach einer Rettung und da<br />

entsann sie sich der Worte Esmeraldas: … der Rauch ist sehr<br />

beißend und stark … Weil ihr keine bessere Idee kam,<br />

nestelte sie das Päckchen mit dem indischen Hanfprodukt<br />

aus ihrer Jacke, packte es aus und hielt es dem, was von Karl<br />

übrig war, unter die Nase. Als er ausgeatmet hatte, ließ sie ein<br />

Flämmchen auf ihrem Finger tanzen und brachte ihn an die<br />

Substanz; Karl atmete den dicken Rauch zur Gänze ein und<br />

erlitt unmittelbar einen schrecklichen Hustenanfall. Er hustete<br />

so krampfhaft, dass der Glassplitter aus seinem Herzen<br />

herausgepresst und in den Darm katapultiert wurde, von wo<br />

er gefahrlos ausgeschieden werden kann. Den Glassplitter im<br />

Auge schwemmten die Zähren hinweg, die den Anfall begleiteten.<br />

Die schiere Verzweiflung packte Margarete, als sie sah, wie<br />

ihr Liebster sich am Boden wälzte; sie fürchtete, seinen Tod<br />

nur noch beschleunigt zu haben. Doch dann beruhigte sich<br />

die ausgemergelte Gestalt. Schwer atmend stützte der junge<br />

Mann sich auf den Ellenbogen und blickte mit allmählichem<br />

Erkennen auf seine Retterin.<br />

»Gre … Gret … Gretchen?« presste er hervor, dann<br />

kippte er ohnmächtig zur Seite.<br />

Als ein großes Stück Eis neben ihr auf den Boden krachte,<br />

besann sich Margarete. Sie legte sich Karls Arm um ihre<br />

Schultern und stemmte sich hoch. Schwer war das nicht,<br />

denn der Ärmste war fast so leicht wie eine Feder. Ihn hinter<br />

sich herschleifend, strebte sie dem Ausgang zu.<br />

Dort, vor dem Palast, der nun endgültig einstürzte, vernahm<br />

sie Flügelgeflatter über sich und irgendein Rabe<br />

schrie: »Kraa-kraa! Sie ist da! Sie ist da!«, und<br />

schon näherten sich zwei Rentiere, Schneewind<br />

und Weishaupt.<br />

»Wir müssen zu Mafalda, schnell, schnell,<br />

schnell!« rief die junge Frau den Tieren zu.<br />

»Dort im Hof steht der Schneekönigin Schlitten.<br />

Karl kann sich nicht festhalten, ich möchte ihn<br />

im Schlitten transportieren, wolltet ihr ihn zie-<br />

hen? Bitte!«<br />

Die Rentiere wollten und spannten sich vor<br />

das Gefährt.

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