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mond und daher rasch. Für Katzen und Magier hingegen ist<br />
die Nacht wie Tag. Linkerhand führte die Straße auf eine<br />
Brücke, die Gegenrichtung in die Stadt.<br />
»Lass uns ein paar Schritte auf die Karlsbrücke gehen«,<br />
schlug Mafalda vor, »da hast du eine Aussicht, die ich dir<br />
nicht vorenthalten will.«<br />
Diese Brücke war – und sie ist es auch heute noch – nicht<br />
nur ein Meisterwerk der Baukunst, auch die Steinmetze hatten<br />
an ihrer Schönheit teil, wie die Heiligenfiguren zu beiden<br />
Seiten des Bauwerks zeugen. Jedes Ende wurde von mächtigen<br />
Tortürmen beherrscht und darunter floss träge die Moldau.<br />
Während die Frauen etwa zur Brückenmitte schlenderten und<br />
Quasimodo Duftmarken hinterließ, spielte Mafalda die Fremdenführerin<br />
für die vor Staunen sprachlose Margarete.<br />
»Schau, da hinten, unübersehbar, das ist der Hradschin,<br />
der Burgberg und Regierungssitz.«<br />
Margarete erblickte eine gewaltige Schlossanlage, gekrönt<br />
von einem mächtigen Dom.<br />
»Der Veitsdom«, kommentierte die Magierin, »dort liegen<br />
mehrere Herrscher begraben; wie viele genau weiß ich nicht,<br />
Kirchen sind nicht so mein Ding.«<br />
Die Angesprochene ließ ihren Blick über die von hier aus<br />
sichtbare Stadt schweifen, ihr schien, als ob sie aus lauter<br />
Türmen, Kuppeln und Palästen bestünde. »Dies muss eine<br />
unvorstellbar reiche Stadt sein«, brach sie ihr Schweigen.<br />
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Mafalda. »Sie<br />
liegt im Herzen Europas, hier kreuzen sich alle wichtigen<br />
Handelsstraßen. Aber nun lass uns zurückgehen, wir müssen<br />
zum Altstädter Ring.«<br />
Während die Frauen also wandelten, plauderte Mafalda<br />
munter weiter: »Hier gibt es nicht nur Gold im Überfluss,<br />
hier sind auch sehr viele Gespenster beheimatet, es kann gut<br />
sein, dass wir dem einen oder anderen begegnen.«<br />
»Gespenster? Wie gliedern sich Gespenster in die Hierarchie<br />
der Geister ein?«<br />
»Gar nicht; es gibt keine Gespenster. Es handelt sich um<br />
ganz normale Elementargeister, die von einem grauslichen<br />
Ereignis angezogen wurden. Danach fühlten sie sich berufen,<br />
an den Orten des Geschehens zu spuken, laut eigener Aussage,<br />
um die Menschen zu mahnen, schändliche Taten zu unterlassen.<br />
Tatsächlich aber macht es ihnen Spaß, die Leute<br />
zu foppen und zu erschrecken. Das gilt auch für meinen netten<br />
Bekannten, den Feurigen Mann. Ah, jetzt sind wir auf der<br />
Karlsstraße.«<br />
Diese Straße führt geradewegs in die Prager Altstadt.<br />
Obwohl schon nach Mitternacht, brannten noch die Gaslaternen<br />
und nicht wenige Menschen und Kutschen waren unterwegs.<br />
Zwei Schatten schossen an den Frauen vorbei, wurden<br />
zu einem raufenden und fauchenden Knäuel. Quasimodo<br />
hatte sich mit einem böhmischen Kater angelegt.<br />
Die Karlsstraße krümmt sich gen Nordosten, vorbei am<br />
Clam-Gallas-Palast und mündet in den Altstädter Ring,<br />
welcher ein imposanter, von Palästen umsäumter Platz ist.<br />
Für Margarete, die ihre Kindheit in einer eher kleinen Stadt<br />
verbracht hatte, war der Eindruck überwältigend. Zu ihrer<br />
Linken befand sich nun der Rathausturm und ihre Mentorin<br />
wies sie auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten hin.<br />
»Schau hoch, Herzchen, hier, am Turm, die beiden<br />
großen Zifferblätter, das ist eine astronomische Uhr. Schade,<br />
es ist jetzt schon zu spät, morgen werden wir mehr davon<br />
sehen; zwischen zehn Uhr morgens und zehn Uhr abends zur<br />
vollen Stunde erscheinen da oben die zwölf Apostel und es<br />
bewegen sich noch weitere wunderliche Figuren. Und nun<br />
sind wir auch schon am Platz. Geradeaus siehst du die<br />
wuchtige Teinkirche, in der Umgebung spuken gleich ein<br />
halbes Dutzend Gespenster, davor einen gotischen Bau, ge-<br />
nannt Die Steinerne Glocke, rechts daneben die Teinschule,<br />
links der Kinski-Palast, und der große dunkle Fleck da oben<br />
auf dem Platz ist das Hus-Denkmal, bei Tage ist es besser zu<br />
sehen. Aber wir müssen uns links halten, denn zuletzt habe<br />
ich den Feurigen Mann in der Kaprova-Straße gesehen.«<br />
»Liebste Dame Mafalda, du warst wohl schon sehr oft<br />
hier.«<br />
»Oh ja. Du weißt selbst, wie langweilig es da oben im<br />
hohen Norden werden kann – und außerdem ist der Feurige<br />
Mann ein … hm, sehr lieber Freund.«<br />
»Dein Liebhaber wolltest du sagen, meine geile Lehrerin!«<br />
»Na schön, meine kluge Schülerin, einer davon. Ich brauche<br />
genau so meinen Sex, wie jeder andere Mensch auch.<br />
Was denkst du, was ich mache, wenn meine Pflaume juckt?«<br />
»Du transferierst den Kater in einen jungen Mann, wenn<br />
du nicht gerade verreist. Ich konnte euch zwar nicht sehen,<br />
aber hören: die Zeltwände sind dünn, und da solche Geräusche<br />
jegliche Abstinenz vertreiben, muss ich mir’s dann<br />
immer selber machen.«<br />
»Das tut mir aber leid«, ließ sich nun Quasimodo vernehmen,<br />
dem der große Platz und die Anwesenheit vieler Menschen,<br />
Pferde und Kutschen nicht geheuer war, und der daher<br />
dicht bei Fuß ging. »Edles Margaretchen, dennoch muss<br />
ich dir gestehen, es gibt unangenehmere Tätigkeiten.«<br />
Es schien, als habe die Stadt eine eigene Magie, denn so<br />
unverkrampft hatten sich die beiden Frauen, einschließlich<br />
Quasimodo, noch nie unterhalten. Nachdem sie sich dergestalt<br />
unter Gelächter offenbart, wurde Mafalda wieder zur<br />
Führerin und sie sagte: »Vorwärts, da vorn ist das Nikolauskloster,<br />
da etwa müssten wir auf unseren Gastgeber treffen.«<br />
Langsam schmerzten Margarete die Füße, nicht der Länge<br />
des Weges, sondern des harten Kopfsteinpflasters wegen. Und,<br />
No. 2 • Mai 2009 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 113