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und Gretchen schlich betrübt hinterher. Zuhause angelangt<br />

erhob Karl beim Anblick der Dose mit den Hanfblättern erneut<br />

Gezeter: »Das ist ja Rauschgift! Es macht süchtig,<br />

dumm und impotent und man springt von Häusern, wenn<br />

man es genossen hat, weil man glaubt, man könnte fliegen!«<br />

Und er machte Anstalten, die Dose wegzuwerfen, doch dann<br />

rauschte seine Großmutter heran, gab ihm eine saftige Backpfeife<br />

und so war erst mal Ruhe.<br />

Karl veränderte sich. Er wurde aggressiv und leicht reizbar.<br />

Auch wollte er gerne im Mittelpunkt stehen und immer<br />

Recht haben. So vergingen Sommer und Herbst. An einem<br />

Wintertag, als es schneite, kam Karl mit seinem Schlitten auf<br />

dem Rücken und rief Gretchen ins Ohr: »Ich darf auf dem<br />

großen Platz fahren, wo die anderen Kinder spielen!«, und<br />

weg war er.<br />

Dort, auf dem Platz kamen manchmal große, von Pferden<br />

gezogene Schlitten vorbei, die gehörten meist reichen Leuten.<br />

Die Kinder pflegten ihre Rodler daran anzuhängen, um sich<br />

ein Stück mitziehen zu lassen. Als sie so im besten Spielen<br />

waren, da kam wieder so ein Schlitten an, ganz in Weiß, von<br />

weißen Pferden gezogen. Eine Gestalt saß darin, in weißen<br />

Pelz gehüllt und mit einer weißen Pelzmütze auf dem Kopf.<br />

Das Gefährt kam dicht an Karl vorbei, der band flugs seinen<br />

Rodler fest und nun fuhr er mit. Es ging rascher und rascher,<br />

der Kutscher wendete das Haupt und nickte dem Jungen zu.<br />

Da war ihm, als würde er die Person kennen, doch der eisige<br />

Fahrtwind strich ihm übers Gesicht und so konnte er die<br />

Erscheinung nicht einordnen. Nun wurde ihm doch etwas<br />

Angst und er wollte seinen Schlitten losbinden, doch immer<br />

genau in dem Augenblick lächelte ihn diese Person wieder<br />

an, und dann blieb er sitzen. So gelangten sie aus der Stadt<br />

hinaus und da begann der Schnee so stark zu fallen, dass<br />

man die Hand nicht vor den Augen sehen konnte. Die Ge-<br />

schwindigkeit nahm stetig zu, und plötzlich war es Karl, als<br />

führen sie über Hecken und Gräben und er verlor jegliches<br />

Gefühl für die Zeit.<br />

Die Schneeflocken wurden größer und größer, zuletzt sahen<br />

sie aus wie lauter kleine weiße Mädchen; auf einmal<br />

sprangen sie zur Seite, der Schlitten hielt, und die Person, die<br />

ihn gelenkt hatte, erhob sich. Sie wendete sich dem Jungen<br />

zu, streifte Pelz und Mütze ab, und siehe, es war die Schneekönigin,<br />

die ihm vor Jahresfrist am Fenster begegnet war,<br />

zierlich, schön und schlank.<br />

»Wir sind gut gefahren«, sagte sie, »nun sind wir an<br />

meinem Palast.« Karl drehte sich herum. Vor ihm, in einer<br />

Ebene, erhob sich ein imposantes Bauwerk, umgeben von<br />

Mauern und mit vielen Türmen und Erkern versehen. Feinste<br />

Skulpturen, recht merkwürdig aussehende Wesen darstellend,<br />

schmückten Zinnen und Dächer. Alles war aus Schnee und<br />

Eis modelliert. Drinnen sah es ähnlich aus. Die Möbel waren<br />

Eis, die Teppiche Schnee. Eigentlich hätte den Jungen frieren<br />

müssen, aber da sein Herz durch die Wirkung des Glassplitters<br />

sowieso ein Eisklumpen war, fühlte er sich bei diesen<br />

Temperaturen richtig wohl.<br />

»Komm in mein Bett, Kleiner«, sprach die Schnee-<br />

königin und sie zog ihn auf ihre Lagerstatt, die<br />

aus Eisbärenfellen bestand, auf Matratzen weichs-<br />

ten Schnees. Da war ihm, als versinke er in einem<br />

Schneetreiben. »Friert dich noch?«, fragte die<br />

junge Frau und dann küsste sie ihn. Das war<br />

wie ein Kälteschock! Sie küsste ihn abermals.<br />

Diesmal war es etwas angenehmer. Doch dann:<br />

»Nun bekommst du für heute aber keine Küsse<br />

mehr, denn sonst küsse ich dich tot. Dann wür-<br />

dest du mir nichts mehr nützen, denn ich habe<br />

noch Aufgaben für dich.«

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