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Wir bleiben draußen!

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Vorwort<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

4<br />

terre der hommes<br />

jedes Kind hat ein Recht auf Bildungschancen –<br />

ganz gleich wo es lebt und mit welchem Aufenthaltsstatus.<br />

terre des hommes glaubt an diesen<br />

Grundsatz und unterstützt zahlreiche Schul- und<br />

Ausbildungsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika.<br />

Denn Bildung ist ein Schlüsselelement<br />

für die Zukunftsperspektive von Menschen und<br />

Gesellschaften – das ist eine Erkenntnis langjähriger<br />

Arbeit als entwicklungspolitisches Kinderhilfswerk.<br />

Die Tatsache, dass mitten in Deutschland<br />

junge motivierte Menschen von Bildung und Ausbildung<br />

ausgeschlossen werden, kann und will<br />

terre des hommes deshalb nicht hinnehmen. In<br />

einigen Bundesländern sind Flüchtlingskinder<br />

nicht einmal schulpflichtig, wenn ihre Eltern im –<br />

oft sehr lange dauernden – Asylverfahren sind<br />

oder nur »geduldet« werden. Sie haben dann<br />

zwar ein sogenanntes Schulbesuchsrecht, dessen<br />

Wahrnehmung wird ihnen aber oft unmöglich<br />

gemacht: Mit dem Hinweis auf fehlende Schulpflicht<br />

können notwendige materielle Leistungen<br />

– wie zum Beispiel die Kostenerstattung für den<br />

Schulbus oder andere Transportmittel – verweigert<br />

werden. Deutschkurse, die es diesen Kindern<br />

erst ermöglichen, dem Unterricht zu folgen, werden<br />

oft nicht angeboten. Und manchmal kann die<br />

Beschulung auch auf Grund mangelnder räumlicher<br />

oder personeller Kapazitäten abgelehnt werden.<br />

Denn während der Schulpflicht auch die Verpflichtung<br />

des Staates gegenübersteht, durch<br />

geeignete Maßnahmen den Schulbesuch zu<br />

ermöglichen, wird dies offensichtlich mit dem<br />

Recht auf Schulbesuch nicht verbunden. Nicht<br />

zuletzt deshalb wird die Schulpflicht als zivilisatorische<br />

Errungenschaft gepriesen und bedarf –<br />

eigentlich – schon seit Jahrzehnten keiner Diskussion<br />

mehr.<br />

Auch das Diskriminierungsverbot hat gute<br />

historische Gründe und wurde auch im Grundgesetz<br />

verankert. In Artikel 3 III GG heißt es: »Niemand<br />

darf wegen seines Geschlechts, seiner<br />

Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner<br />

Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner<br />

religiösen oder politischen Anschauungen<br />

benachteiligt oder bevorzugt werden.« Dieser<br />

Gleichheitsgrundsatz sollte unantastbarer<br />

Bestandteil unserer Kultur sein und ganz besonders<br />

für Kinder gelten.<br />

Flüchtlingskinder mit ungesichertem Aufenthaltsstatus<br />

(Aufenthaltsgestattung oder Duldung)<br />

hätten in Deutschland sowieso keine Lebensperspektive<br />

– so lautet das gängige Argument für ihre<br />

Ausgrenzung aus der allgemeinen Schulpflicht.<br />

Die große Mehrzahl der Asylanträge werde<br />

schließlich abgelehnt, und die Kinder mit ihren<br />

Familien müssten früher oder später ausreisen<br />

oder würden abgeschoben. Dieses Argument ist<br />

aus mehreren Gründen falsch:<br />

Erstens dauert schon der Entscheid über den<br />

Asylantrag oft länger als ein Jahr, manchmal mehrere<br />

Jahre, und anschließend bekommen auch<br />

abgelehnte Asylbewerber häufig eine immer wieder<br />

verlängerte Duldung, weil sie aus verschiedenen<br />

Gründen nicht ausreisen oder abgeschoben<br />

werden können. Viele Flüchtlingskinder leben<br />

also mit ungesichertem Aufenthaltsstatus fünf,<br />

sechs Jahre oder länger hier, nicht wenige <strong>bleiben</strong><br />

ganz – selbst wenn sie oder ihre Eltern kein Asyl<br />

bekommen.<br />

Prägende Jahre<br />

Was aber passiert mit einem Kind, das jahrelang<br />

nicht in die Schule geht, weil es nicht schulpflichtig<br />

ist und die Eltern – besonders wenn sie selbst<br />

aus einem bildungsfernen Milieu kommen – sich<br />

nicht trotz aller Widrigkeiten für den Schulbesuch<br />

ihrer Kinder einsetzen? Es wird nicht wieder<br />

aufzuholende Bildungslücken haben, die ihm<br />

im weiteren Lebenslauf viele Chancen verbauen.<br />

Denn Schulbildung legt das Fundament für Erfolg<br />

und Misserfolg im Erwachsenenleben. Wer weiß,<br />

wie unglaublich lange ein Jahr für ein sechsjähriges<br />

Kind sein kann, wie viel es in dieser Zeit lernen<br />

– oder eben nicht lernen – kann, der sieht<br />

auch, dass es sich um sehr wichtige und prägende<br />

Jahre handelt, in denen die Weichen für seine<br />

Zukunft gestellt werden.<br />

Zweitens: Auch wenn diese Kinder nicht in<br />

Deutschland <strong>bleiben</strong>, sondern in ihr Heimatland<br />

zurückgehen oder anderswo auf der Welt leben<br />

werden – Bildung und Ausbildung nehmen sie<br />

überall mit hin. Wenn sie gute Bildungsmöglichkeiten<br />

erhalten, können sie als Erwachsene die<br />

Zukunft gestalten, vielleicht in ihren kriegszerstörten<br />

Heimatländern zum Wiederaufbau beitragen,<br />

Schlüsselfiguren für Entwicklung und Frieden<br />

werden. Sie können auch für Deutschland<br />

wirtschaftlich nutzbringend sein, denn die Kontakte<br />

in das Land, in dem sie gebildet und ausgebildet<br />

wurden, <strong>bleiben</strong> erfahrungsgemäß weiter<br />

bestehen und werden genutzt. Indem Deutschland<br />

das Kinderrecht auf Bildung ermöglicht und<br />

garantiert, könnte es gleichzeitig die wirtschaftliche,<br />

soziale und rechtsstaatliche Entwicklung in<br />

den Herkunftsländern der Flüchtlinge fördern.<br />

Werden junge Flüchtlinge aber ignoriert und jeglicher<br />

Bildungschancen beraubt, drohen sie zu<br />

einer »lost generation« zu werden, was in unserer

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