Wir bleiben draußen!
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Anhang<br />
Das Recht auf Bildung und Erziehung<br />
soll möglichst ungehindert gewährleistet<br />
werden, wird jedoch auf das<br />
bereits verfassungsrechtlich garantierte<br />
Teilhaberecht an den bestehenden Bildungseinrichtungen<br />
und den Ausformungen<br />
innerhalb der Schulgesetzgebung<br />
begrenzt. 192<br />
In Baden-Württemberg bezieht sich<br />
§ 1 des SchlG-BW auf den Auftrag des<br />
Grundgesetzes und der Landesverfassung<br />
(Art. 11 I der Verfassung des Landes<br />
B-W), dass jeder junge Mensch<br />
ohne Rücksicht auf Herkunft und wirtschaftliche<br />
Lage das Recht auf eine seiner<br />
Begabung entsprechende Erziehung<br />
und Ausbildung hat und dass er<br />
zur Wahrnehmung von Verantwortung,<br />
Rechten und Pflichten in Staat<br />
und Gesellschaft sowie in der ihn<br />
umgebenden Gemeinschaft vorbereitet<br />
werden muss.<br />
Wie dieses Recht im Einzelnen ausgestaltet<br />
ist, bleibt wiederum dem<br />
Gesetzgeber überlassen. Allerdings ist<br />
es vor diesem Hintergrund bemerkenswert,<br />
dass in B-W überwiegend die<br />
Rechtsauffassung vertreten wird, dass<br />
Flüchtlinge keinen Anspruch auf<br />
Zugang zur Schule haben sollen.<br />
In Thüringen und dem Saarland<br />
bestehen ähnliche rechtliche Regelungen.<br />
Gem. § 1 I 1 ThürSchlG hat jeder<br />
junge Mensch ein Recht auf schulische<br />
Bildung und Förderung. Dieses Recht<br />
wird jedoch nur nach Maßgabe des<br />
Thüringischen Schulgesetzes gewährleistet;<br />
bestimmt sich also nach den im<br />
Schulgesetz festgeschriebenen Rechten.<br />
Aus § 1 I Schulordnungsgesetz des<br />
Saarlandes (SchoG) ergibt sich, dass es<br />
Auftrag der Schule ist, jeden jungen<br />
Menschen ohne Rücksicht auf seine<br />
Herkunft oder wirtschaftliche Lage bei<br />
der Umsetzung seines Rechts auf eine<br />
seinen Anlagen und Fähigkeiten entsprechende<br />
Erziehung, Unterrichtung<br />
und Ausbildung zu unterstützen. Es<br />
handelt sich demnach um gesetzliche<br />
Formulierungen, die der Ausfüllung<br />
bedürfen und nur soweit individuelle<br />
Ansprüche der Schüler im Gesetz aufgenommen<br />
worden sind, besteht in<br />
diesem Zusammenhang ein subjektivöffentliches<br />
Recht (ein konkreter<br />
Anspruch).<br />
Damit bleibt festzuhalten, dass jedes<br />
Kind und jeder Jugendliche im schulfähigen<br />
Alter ungeachtet seiner Nationalität<br />
zumindest ein einfachgesetzliches<br />
(Minimum) Recht auf Bildung in<br />
der Form hat, dass er Zugang zu den<br />
bestehenden Bildungseinrichtungen<br />
erhält. Dies ist sowohl aus verfassungsrechtlicher<br />
Sicht als auch aus einfachgesetzlicher<br />
Sicht der Schulgesetze der<br />
Bundesländer geboten. Ein weitergehendes<br />
subjektiv-öffentliches Recht,<br />
ein individueller Anspruch des einzelnen<br />
Schülers, lässt sich aus dem schulgesetzlich<br />
kodifizierten Recht auf Bildung<br />
nicht ableiten. Vielmehr bestimmen<br />
sich mögliche individuelle subjektive<br />
Ansprüche des einzelnen Schülers<br />
nach den konkreten gesetzlichen Ausformungen<br />
der Schulgesetzgebung, die<br />
als Ausformung des schulgesetzlichen<br />
Rechts auf Bildung zu verstehen sind.<br />
Das in den Schulgesetzen festgeschriebene<br />
Recht auf Bildung kann allenfalls<br />
dann einen individuellen Anspruch<br />
auf ein Minimum an Bildung begründen,<br />
wenn keine andere Anspruchsgrundlage<br />
in Betracht kommt. 193<br />
Vom Grundsatz her handelt es sich<br />
jedoch um eine so genannte Staatszielbestimmung,<br />
deren konkrete Ausgestaltung<br />
dem Gesetzgeber überlassen<br />
bleibt; insbesondere verpflichtet sie<br />
nicht, Flüchtlinge der Schulpflicht zu<br />
unterstellen.<br />
4. Resümee: Recht auf Bildung<br />
und Erziehung<br />
Ohne eine vertiefende Diskussion hinsichtlich<br />
der grundsätzlichen Wertigkeit<br />
des Völkervertragsrechts in der<br />
nationalen, deutschen Rechtsordnung<br />
an dieser Stelle führen zu wollen, 194<br />
wird deutlich, dass sich bereits seit<br />
Jahrzehnten über die Problematik<br />
eines umfassenden Rechts auf Bildung<br />
auch im internationalen Diskurs<br />
Gedanken gemacht werden. Im wissenschaftlichen<br />
Dialog der Völkerrechtler<br />
gilt das »Right to Education«<br />
als ein »International Human<br />
Right«. 195 Überwiegend wird in den<br />
europa- und völkerrechtlichen Rechtsquellen,<br />
zur Sicherung dieses Rechts,<br />
die Einführung der allgemeinen Schulpflicht<br />
empfohlen.<br />
Exemplarisch soll hier noch einmal<br />
Art. 28 UN-Kinderrechtskonvention<br />
herangezogen werden. Die Bundesrepublik<br />
Deutschland übernimmt die<br />
völkerrechtliche Staatenverpflichtung,<br />
dass das Recht auf Bildung unterschiedslos<br />
für alle Kinder innerstaatlich<br />
umzusetzen ist, wobei im Grundschulbereich<br />
sogar verpflichtend die<br />
Umsetzung einer kostenneutralen<br />
Schulpflicht für alle Kinder übernommen<br />
werden soll.<br />
Auch wenn man davon ausginge,<br />
dass die KRK und sonstige internationale<br />
Rechtsquellen nicht unmittelbar<br />
anwendbar sind oder gar dem einzelnen<br />
Individuum subjektive Rechte verleihen,<br />
so ergibt sich jedoch aus dem<br />
Gebot der völkerrechtsfreundlichen<br />
Auslegung die verfassungsrechtliche<br />
Pflicht, jede innerstaatliche Rechtsnorm<br />
(vom Grundgesetz bis hin zu den<br />
Schulgesetzen der Bundesländer)<br />
dahingehend auszulegen, dass sie<br />
nicht völkerrechtswidrig gegen die<br />
Regelungen der KRK oder anderer<br />
internationaler Vertragswerke verstößt.<br />
196<br />
Dies gilt gleichermaßen für das vom<br />
Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich<br />
umschriebene Recht aus Art.<br />
2 I GG auf die ungehinderte Entfaltung<br />
der Persönlichkeit im Bereich der<br />
Schule und das in den Länderverfassungen<br />
und Schulgesetzen festgeschriebene<br />
Recht auf Bildung und<br />
Erziehung eines jeden Kindes und<br />
Jugendlichen.<br />
Diesen Grundsätzen sind auch die<br />
jeweiligen Bundesländer verpflichtet,<br />
die die allgemeine Schulpflicht von<br />
Flüchtlingen zum jetzigen Zeitpunkt<br />
noch nicht umgesetzt haben. Eine<br />
Rechtspflicht zur Einführung der<br />
Schulpflicht für Flüchtlinge kann<br />
jedoch nicht angenommen werden. 197<br />
Gleichwohl ist der Staat dazu verpflichtet,<br />
sicherzustellen, dass dieser<br />
europa-, völker- und verfassungsrechtliche<br />
Auftrag ernst genommen und im<br />
Sinne einer effektiven Verwirklichung<br />
der Grundrechte der schulfähigen Kinder/Jugendlichen<br />
unabhängig von<br />
Nationalität und Aufenthaltsstatus<br />
umgesetzt wird. Vieles spricht somit<br />
dafür, dass das Recht auf Bildung und<br />
Erziehung im oben verstandenen<br />
Sinne eng mit der Einführung der allgemeinen<br />
Schulpflicht zu verknüpfen<br />
ist. Dies hat im Übrigen auch die Kultusministerkonferenz<br />
durch ihren<br />
Beschluss vom 24.05.2002 zum Ausdruck<br />
gebracht. 198<br />
75<br />
terre der hommes