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Mens<strong>ch</strong>en aus Russland gewesen, die si<strong>ch</strong> dem Esperanto anges<strong>ch</strong>lossen hatten. 38 Zwar sei die Esperanto-Bewegung<br />
zahlenmässig no<strong>ch</strong> gering in einem kulturell unterenwickelten Land wie Russland<br />
vertreten, das si<strong>ch</strong> im Existenzkampf befinde und wo es in allererster Linie darum gehe, das <strong>An</strong>alphabetentum<br />
zu beseitigen. Die regionalen Delegierten spra<strong>ch</strong>en immer wieder von der Notwendigkeit,<br />
die Arbeitermassen, den Komsomol, die Parteiorganisationen, die Gewerks<strong>ch</strong>aften und die Presse an<br />
die SĖSS heranzuführen. In der S<strong>ch</strong>lussresolution wurde die bisherige Linie des ZK bestätigt, der<br />
Kampf gegen den „Neutralismus“ bekräftigt und die „aktive Unterstützung der revolutionären Esperanto-Bewegung“<br />
betont. In der Resolution konnte der obligate Seitenhieb an die Adresse des Westens<br />
ni<strong>ch</strong>t fehlen, dass der „Vormars<strong>ch</strong> des Kapitals und der k/r Kräfte“ si<strong>ch</strong> negativ auf die „allgemeine<br />
Politik der internationalen Esperanto-Bewegung ausgewirkt“ habe, insbesondere auf die SAT. Der<br />
Kongress gab die Empfehlung heraus, den „linken Flügel“ der SAT zu stärken. Die Führungsleistung<br />
wurde als „ungenügend“ bezei<strong>ch</strong>net – leise Kritik an Drezen persönli<strong>ch</strong> wurde laut. 39 Adam Iodko<br />
bestätigte eine Publikumsfrage na<strong>ch</strong> dem Interesse von Seiten der Sowjetbehörden und der Kommunistis<strong>ch</strong>en<br />
Partei dem Esperanto gegenüber dahingehend, dass man si<strong>ch</strong> mit einer gewissen Glei<strong>ch</strong>gültigkeit<br />
seitens der Behörden konfrontiert sehe. Ferner wurde an dem Kongress allgemein bekannt, dass<br />
Drezen im Rahmen einer „Parteisäuberung“ im Jahr 1924 aus der RKP(B) ausges<strong>ch</strong>lossen worden<br />
bzw. seine Mitglieds<strong>ch</strong>aft suspendiert worden war. Um die SĖSS ni<strong>ch</strong>t zu s<strong>ch</strong>ädigen (oder zu kompromittieren),<br />
wurde der Verbandspräsident dur<strong>ch</strong> einen gewissen Jakovlev ersetzt. Dieser trat na<strong>ch</strong><br />
einiger Zeit aber von seinem Amt wieder zurück, sodass das Amt überhaupt abges<strong>ch</strong>afft wurde, um<br />
Drezen na<strong>ch</strong> seiner Rehabilitierung als Generalsekretär des ZK der SĖSS einzusetzen. Die Opposition<br />
dur<strong>ch</strong> Demidjuk und Nekrasov wurde aufgegeben, die Herausgabe des unabhängigen Periodikums La<br />
nova epoko eingestellt 40 und die beiden Vertreter dieser Zeits<strong>ch</strong>rift, Futerfas und Zil’berfarb, wurden<br />
zur Zusammenarbeit aufgerufen. Demidjuk, der wegen Verbindungen zum <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>ismus verdä<strong>ch</strong>tigt<br />
wurde, musste für drei Wo<strong>ch</strong>en ins Gefängnis, und gegen die <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>isten wurde eine Hetzkampagne<br />
eingeleitet. 41<br />
Im Mai 1926 konnte Drezen in der Zeits<strong>ch</strong>rift Meždunarodnyj jazyk (Nr. 15/41) verkünden,<br />
dass die Trägheit der sowjetis<strong>ch</strong>en Esperantisten habe überwunden und die Veteranen zur aktiven Arbeit<br />
bewogen werden können. Etwa 120 Lokalgruppen existierten nun in der Sowjetunion und es gab<br />
ni<strong>ch</strong>t weniger als 500 Zellen der SĖSS in 350 Orts<strong>ch</strong>aften des Landes. Die seit Oktober 1925 ers<strong>ch</strong>einende<br />
Zeits<strong>ch</strong>rift des ZK der SĖSS, Meždunarodnyj jazyk, wurde in einer Auflage von 4500 Exemplaren<br />
herausgegeben und zweimal im Monat vertrieben. 42 Dies und die Sendungen im Radio, die Kurse<br />
in den S<strong>ch</strong>ulen, die internationale Korrespondenz (s. unten) und die Kontakte mit der SAT waren alles<br />
Dinge der praktis<strong>ch</strong>en Arbeit, die der Leader der sowjetis<strong>ch</strong>en Esperanto-Bewegung, Drezen, als einzigartig<br />
für Esperanto in Russland qualifizierte. Inzwis<strong>ch</strong>en zählte die SĖSS 6000 Mitglieder in 425<br />
Orts<strong>ch</strong>aften des Landes. 3500 Personen bezahlten den Mitgliedsbeitrag.<br />
38<br />
Da Esperanto in Wars<strong>ch</strong>au publiziert wurde, beanspru<strong>ch</strong>ten die Polen ihr Land als Heimat L.L. Zamenhofs und des Esperanto<br />
und betra<strong>ch</strong>teten Zamenhof als einen Polen, der diese Identität jedo<strong>ch</strong> bestritt. Aber au<strong>ch</strong> die Litauer hatten einen gewissen<br />
<strong>An</strong>spru<strong>ch</strong> ihres Landes als Heimat L.L. Zamenhofs angemeldet, da die Zamenhofs den ‚Litwaken’ angehörten und die<br />
S<strong>ch</strong>wiegereltern L.L. Zamenhofs aus Kaunas (Kovno) stammten, dem Zamenhof si<strong>ch</strong> sehr verbunden fühlte. Zamenhof, der<br />
si<strong>ch</strong> selbst als einen „russis<strong>ch</strong>en Juden“ bezei<strong>ch</strong>nete (deuts<strong>ch</strong>e Entspre<strong>ch</strong>ung von „ruslanda hebreo“ auf Esperanto und<br />
„russkij“ bzw. „rossijskij evrej“ auf Russis<strong>ch</strong>), hatte si<strong>ch</strong> von all diesen Vereinnahmungsversu<strong>ch</strong>en vehement distanziert und<br />
si<strong>ch</strong> unmissverständli<strong>ch</strong> zum Judentum bekannt, was in Zeiten des <strong>An</strong>tisemitismus für die Esperanto-Bewegung von Frankrei<strong>ch</strong><br />
bis Russland offenbar ein ni<strong>ch</strong>t unwesentli<strong>ch</strong>es Problem darstellte, das in der Esperanto-Bewegung bis heute na<strong>ch</strong>zuwirken<br />
s<strong>ch</strong>eint.<br />
39<br />
Der Text der Resolution und die Voten pro und contra und der Volltext vers<strong>ch</strong>iedener anderer Resolutionen wurden in<br />
Sovetskij Ėsperantist, Nr. 9-10/1925, ab S. 24, abgedruckt.<br />
40<br />
Die Zeits<strong>ch</strong>rift ers<strong>ch</strong>ien erneut vom Oktober 1928 bis Februar 1933, um dana<strong>ch</strong> endgültig zu vers<strong>ch</strong>winden.<br />
41<br />
S. Lins, LDL, S. 213f. Bei der Kampagne gegen die <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>isten landete au<strong>ch</strong> Sergej Hajdovskij, Redaktionsmitglied von<br />
La nova epoko, samt Ehegattin im Gefängnis und dann in der Verbannung in den „Steppen des fernen Südostens“ für drei<br />
Jahre. Die <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>isten verloren das Vertrauen in die SAT und gründeten eine eigene Organisation unter dem Namen Tutmonda<br />
Ligo de Esperantistaj Senŝtatanoj (TLES).<br />
42<br />
Verantwortli<strong>ch</strong>e Redaktoren waren Iodko, Demidjuk und Lidin, in späteren Jahren Drezen, Nekrasov, Kirjušin, Incertov,<br />
Spiridovič, Demidjuk, Nikol’skij, Sazonova.