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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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Entwicklung der Gesells<strong>ch</strong>aft hintenna<strong>ch</strong>hinkten, würden somit ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> Evolution, sondern auf<br />

künstli<strong>ch</strong>em, revolutionärem Weg bewerkstelligt. Dies habe die Reform der russis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e<br />

gezeigt, die nur dank der Oktoberrevolution zustande gekommen sei. Ausserdem ma<strong>ch</strong>e es s<strong>ch</strong>on der<br />

aktuelle Stand der Wirts<strong>ch</strong>aftsbeziehungen der Völker der Welt notwendig und dringli<strong>ch</strong>, eine<br />

internationale Spra<strong>ch</strong>e auf revolutionärem Weg einzuführen. 126<br />

Dass Verdienst Iodkos s<strong>ch</strong>ien darin zu bestehen, dass er mit seinen Traktaten wohl den in si<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>lüssigsten Beitrag zur Formulierung einer marxistis<strong>ch</strong>-leninistis<strong>ch</strong>-kommunistis<strong>ch</strong>en Theorie der<br />

Interlinguistik aus der Si<strong>ch</strong>t des Proletariats vorlegte, die no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>arfsi<strong>ch</strong>tiger, klarer und<br />

verständli<strong>ch</strong>er verfasst waren als diejenigen etwas gar nebulösen Abhandlungen anderer<br />

glei<strong>ch</strong>gesinnter Autoren. So können seine Aufsätze zweiffelos zu den ‚klassis<strong>ch</strong>en‘ Texten desselben<br />

Genres gezählt werden, die den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Bourgeoisie, Kapitalismus und Ökonomie<br />

auf der einen und dem ‚Spra<strong>ch</strong>enproblem‘ auf der anderen Seite thematisierten, die angebli<strong>ch</strong>e<br />

Ni<strong>ch</strong>tübereinstimmung zwis<strong>ch</strong>en der „Evolution der Spra<strong>ch</strong>e“ und der „Evolution der Ökonomie“<br />

bemerkten und als These zur Diskussion stellten. Ob seine Behauptungen plausibel und ri<strong>ch</strong>tig waren,<br />

steht auf einem anderen Blatt und kann hier ni<strong>ch</strong>t Gegenstand der <strong>An</strong>alyse sein. Der ideologis<strong>ch</strong>e Hass<br />

der sowjetis<strong>ch</strong>en Marxisten und Kommunisten gegenüber der Bourgeoisie, den Kapitalisten und<br />

Westlern, die dur<strong>ch</strong> die Kenntnis vieler Fremdspra<strong>ch</strong>en gegenüber dem ausgebeuteten Proletariat, das<br />

keine Fremdspra<strong>ch</strong>enkenntnisse hat, einen Vorteil habe und gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>, politis<strong>ch</strong> und ökonomis<strong>ch</strong><br />

privilegiert sei, s<strong>ch</strong>ien die Vernunft zu überwiegen. Immerhin hat Iodko, der den Eindruck eines<br />

ziemli<strong>ch</strong> aufri<strong>ch</strong>tigen Mens<strong>ch</strong>en ma<strong>ch</strong>te (und der au<strong>ch</strong> das Judentum Zamenhofs ni<strong>ch</strong>t unters<strong>ch</strong>lug),<br />

mit seinen Ausführungen eine ziemli<strong>ch</strong> moderate und realistis<strong>ch</strong>e Haltung an den Tag gelegt. Na<strong>ch</strong><br />

seiner Meinung hatte die Bourgeoisie, die si<strong>ch</strong> des Englis<strong>ch</strong>en, Französis<strong>ch</strong>en und Deuts<strong>ch</strong>en bediente,<br />

kein Interesse an einer internationalen Spra<strong>ch</strong>e (wie Esperanto); glei<strong>ch</strong>zeitig war er davon überzeugt,<br />

dass die Arbeiterklasse einer sol<strong>ch</strong>en aber dringend bedurfte, um die Ziele des Proletariats zu<br />

verwirkli<strong>ch</strong>en und die internationalen Beziehungen der Werktätigen zu pflegen. Das Studium und die<br />

Kenntnis einer internationalen Spra<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>liesse die Notwendigkeit des Erlernens von natürli<strong>ch</strong>en<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>en aber ganz und gar ni<strong>ch</strong>t aus, unterstri<strong>ch</strong> er. Iodko hatte au<strong>ch</strong> klare Vorstellungen, wie<br />

eine sol<strong>ch</strong>e internationale Planspra<strong>ch</strong>e bes<strong>ch</strong>affen sein sollte, indem er si<strong>ch</strong> auf das Esperanto bezog,<br />

dem er eine mehrseitige Präsentation widmete. 127<br />

Ein anderer, viel radikalerer Gegner des Indogermanismus unter den Esperantisten, Efim F.<br />

Spiridovič (1891-1958), 128 versu<strong>ch</strong>te mit einer längeren Bespre<strong>ch</strong>ung die jafetitis<strong>ch</strong>e Lehre vor allem<br />

in Hinsi<strong>ch</strong>t auf die Frage der künftigen Entwicklung der Spra<strong>ch</strong>e differenziert zu sehen. Als<br />

vehementer Protagonist einer neuen marxistis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft, in der die Frage der künftigen<br />

Einheitsspra<strong>ch</strong>e berücksi<strong>ch</strong>tigt werden soll, s<strong>ch</strong>ob er die S<strong>ch</strong>uld für die Krise und die Stagnation in der<br />

indogermanistis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft na<strong>ch</strong> Marrs<strong>ch</strong>er Manier und wie <strong>An</strong>dreev es getan hatte<br />

ebenfalls den „bürgerli<strong>ch</strong>en“ Linguisten zu, denn diese hätten kein Verständnis für die Frage der<br />

internationalen neutralen Planspra<strong>ch</strong>e gezeigt. Die Wissens<strong>ch</strong>aft diene immer nur den Interessen der<br />

126<br />

Online s. http://www2.unil.<strong>ch</strong>/slav/ling/textes/IODKO26/1.html und<br />

http://www2.unil.<strong>ch</strong>/slav/ling/textes/IODKO26/2.html. Diskutiert wurden in diesem Artikel au<strong>ch</strong> die gegensätzli<strong>ch</strong>en <strong>An</strong>si<strong>ch</strong>ten<br />

„bourgeoiser“ Linguisten wie Jan Baudouin de Courtenay und Roman Brandt, die dem Esperanto wohlgesinnt waren,<br />

einerseits, sowie der Kunstspra<strong>ch</strong>en-Skeptiker <strong>Prof</strong>. Hermann Diels und <strong>Prof</strong>. S. Bulič andererseits. Zamenhof wurde als<br />

„Ausnahme-Genius“ gepriesen, dessen Spra<strong>ch</strong>e „vielmals vollkommener als jede beliebige Nationalspra<strong>ch</strong>e“ sei.<br />

127<br />

S. http://www2.unil.<strong>ch</strong>/slav/ling/textes/IODKO23/txt.html und http://www2.unil.<strong>ch</strong>/slav/ling/textes/Iodko25.html<br />

128<br />

Efim Feofanovič Spiridovič, geb. 1891, war ein weissrussis<strong>ch</strong>-sowjetis<strong>ch</strong>er Esperantist, Journalist und Lehrer für<br />

politis<strong>ch</strong>e Ökonomie und Wirts<strong>ch</strong>aftsgeographie. Ab 1931 war er wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Mitarbeiter in spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Fors<strong>ch</strong>ungsinstituten Moskaus und Char’kovs. Autor eines Wörterbu<strong>ch</strong>s Russis<strong>ch</strong>-Esperanto (1926 und 1928) und Verfasser<br />

von Artikeln für vers<strong>ch</strong>iedene Esperanto-Zeits<strong>ch</strong>riften, in denen er meist einen harten marxistis<strong>ch</strong>en Standpunkt vertrat und<br />

seine Thesen mit Zitaten von Marx und Engels, Lenins und Bu<strong>ch</strong>arins untermauerte. Na<strong>ch</strong> <strong>An</strong>gaben N. Stepanovs starb<br />

Spiridovič, der viele Jahren im Arbeitslager verbra<strong>ch</strong>te, 1958 in einem sibiris<strong>ch</strong>en Altenheim. Seine Si<strong>ch</strong>t der<br />

Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft legte er in dem umfassen Artikel ‚Očerki teorii vspomogatel’nogo meždunarodnogo jazyka‘ dar. Online:<br />

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=e2b&datum=19300101&seite=24&zoom=33 (1. Teil),<br />

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=e2b&datum=19300501&seite=33&zoom=33 (2. Teil),<br />

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=e2b&datum=19301001&seite=27&zoom=33 (3. Teil),<br />

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=e2b&datum=19301201&seite=19&zoom=33 (4. Teil).

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