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beiten würden. Drezen habe die zwei Bände der Esperanto-Enzyklopädie [von Budapest 1933] gezeigt,<br />
in der es „viele Fotographien von S<strong>ch</strong>affenden aller bourgeoisen und feindli<strong>ch</strong>en Tendenzen der<br />
Esperanto-Organisationen, und au<strong>ch</strong> meine eigene Fotographie gab“.<br />
Im Sinne einer Selbstanzeige folgte eine Aufzählung von Tätigkeiten Kuz’mičs in der „trockistis<strong>ch</strong>en<br />
Organisation“. In der IAREV habe er an der Redaktion der Zeits<strong>ch</strong>rift Proleta Literaturo<br />
mitgewirkt, die von Mi<strong>ch</strong>al’skij und dem französis<strong>ch</strong>en „Trockisten“ Honoré Bourguignon (1899-<br />
1944) 245 gegründet worden war, für dessen „legales Eindringen in die UdSSR“ er, neben anderen „ausländis<strong>ch</strong>en<br />
Trockisten“, verantwortli<strong>ch</strong> gewesen sei (offenbar reiste Bourguignon dann do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in<br />
die UdSSR ein).<br />
Über Georgij Mi<strong>ch</strong>ajlovič Filippov, Konsulent für fremdspra<strong>ch</strong>ige Literatur in der Fabrik Nr.<br />
145 in Moskau, Sohn eines Regisseurs und einer S<strong>ch</strong>auspielerin, der 1907-8 in Frankrei<strong>ch</strong> studierte<br />
und 1918-19 auf dem Territorium der Weissen gelebt hat, wusste Kuz’mič zu erzählen, dass er mit<br />
dem (verhafteten) „Nationalisten“ Poliščuk zu tun gehabt habe, dem er half, Esperanto für k/r Zwecke<br />
zu benutzen. Filippov sei 1929-30 Mitglied der „k/r“ literaris<strong>ch</strong>en Organisation ‚Avangard’ gewesen<br />
und habe au<strong>ch</strong> an der „trockistis<strong>ch</strong>en“ Organisation SAT teilgenommen. Filippov habe einen jüngeren<br />
Bruder, Hörer an der Militär-Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Akademie in Char’kov, von dem Kuz’mič den Fragebogen<br />
erhalten habe. Ausserdem sei Filippov eng mit dem SAT-Mitglied Zil’berfarb verbunden gewesen,<br />
mit dem er in der Redaktion von ‚Kul’tprosveščenie‘ (1926-27) zusammengearbeitet habe.<br />
Im weiteren nannte Kuz’mič die Odessiter Esperantisten Rubljov, Mi<strong>ch</strong>alicska, Ivanov, Mi<strong>ch</strong>al’skij,<br />
bei denen er angab, sie ni<strong>ch</strong>t persönli<strong>ch</strong> zu kennen. Spiridovič aus Kiev sei ein ehemaliger<br />
Mens<strong>ch</strong>ewik gewesen und habe 1935-36 Kontakte mit einem Ausländer aus Frankrei<strong>ch</strong> namens Salan<br />
Kontakt gepflegt. Klimovskij aus Char’kov habe mit einem „S<strong>ch</strong>weizer Trockisten“, an dessen Namen<br />
Kuz’mič si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erinnern mo<strong>ch</strong>te, Briefwe<strong>ch</strong>sel geführt. In diesen Briefen habe der S<strong>ch</strong>weizer na<strong>ch</strong><br />
den Prozessen gegen Zinov’ev, Kamenev und Pjatakov gefragt. Am Ende nannte Kuz’mič no<strong>ch</strong> die<br />
Namen Nečiporenkos, Klimovskijs und des „Trockisten“ Kolčinskij, die miteinander korrespondiert<br />
hätten. Kuz’mič s<strong>ch</strong>loss seinen Brief mit dem Satz: „Dies ist alles, was i<strong>ch</strong> aufri<strong>ch</strong>tig als meine Pfli<strong>ch</strong>t<br />
ansah, zu meiner Entlastung über die Tätigkeit und den Bestand der k/r trockistis<strong>ch</strong>en Organisation der<br />
Esperantisten mitzuteilen, deren Mitglied i<strong>ch</strong> bis zum letzten Tag gewesen war.“ Die inhaltli<strong>ch</strong>e Substanz<br />
war ni<strong>ch</strong>t so gross, wie es auf den ersten Blick den Eindruck ma<strong>ch</strong>t, aber genug, um dem NKVD<br />
die Zusammenhänge zwis<strong>ch</strong>en Esperanto-Bewegung einerseits und k/r-trockistis<strong>ch</strong>en Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften<br />
und fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>em Charakter andererseits aufzuzeigen und einzelne Kontaktkreise zu s<strong>ch</strong>liessen. Der<br />
Geheimdienst interessierte si<strong>ch</strong> in erster Linie immer für konkrete Namen von verdä<strong>ch</strong>tigen Personen.<br />
Im Unters<strong>ch</strong>ied zu Aussagen und Namensnennungen, die bei anderen Personen in Verhören stets na<strong>ch</strong><br />
demselben Muster wohl na<strong>ch</strong> äusserer Einwirkung systematis<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t wurden, dürfte es si<strong>ch</strong> im<br />
Fall der Denunziation Kuz’mičs um eine eigenständige und vorsätzli<strong>ch</strong>e Einzeltat mit dem Zweck<br />
gehandelt haben, seine eigene Haut zu retten.<br />
Mit seiner Denunziation gewann Kuz’mič aber ledigli<strong>ch</strong> se<strong>ch</strong>s Jahre seines Lebens. Als er<br />
während des Krieges na<strong>ch</strong> Alma-Ata evakuiert wurde, wurde er (dur<strong>ch</strong> eine andere Denunziation) der<br />
Mitglieds<strong>ch</strong>aft in einer ukrainis<strong>ch</strong>en bourgeoisen nationalistis<strong>ch</strong>en (und folgli<strong>ch</strong> k/r) Organisation<br />
angeklagt. 1943 starb er in einem Gefängnis von Alma-Ata. 246<br />
Ni<strong>ch</strong>t minder interessant ist die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass au<strong>ch</strong> eine NKVD-Aktennotiz über Lanti<br />
selbst existierte, die umfangrei<strong>ch</strong>e <strong>An</strong>gaben über seine Tätigkeit festhielt und si<strong>ch</strong> offenbar au<strong>ch</strong> auf<br />
Informationen der französis<strong>ch</strong>en Polizei stützte, die in ihm eine Art verdä<strong>ch</strong>tigen Vers<strong>ch</strong>wörer sah, der<br />
„forts<strong>ch</strong>rittli<strong>ch</strong>e <strong>An</strong>si<strong>ch</strong>ten“ vertrat, eine umfangrei<strong>ch</strong>e Korrespondenz unterhielt, eine „Gesells<strong>ch</strong>aft<br />
von Sozialisten-Esperantisten“ führte und in Paris die Spra<strong>ch</strong>e Esperanto verbreitete und kommunisti-<br />
245<br />
Bourguignon beteiligte si<strong>ch</strong> an der französis<strong>ch</strong>en Résistance, wurde Ende des Kriegs verhaftet und ins KZ Da<strong>ch</strong>au gesteckt,<br />
wo er im Dezember 1944 starb.<br />
246<br />
S. http://historio.ru/kuzmicx.php.