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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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dem Proletariat aber ni<strong>ch</strong>t viel an intellektueller Substanz zu bieten. (1929-33 errei<strong>ch</strong>te die ideologis<strong>ch</strong>-theoretis<strong>ch</strong>e<br />

Diskussion ihren Höhepunkt und endete im stalinistis<strong>ch</strong>en Fundamentalismus).<br />

Wie die ‚Enciklopedio de Esperanto’ (1934) beri<strong>ch</strong>tete, sei die Esperanto-Bewegung in Russland<br />

1917 zwar von den Ketten der Zensur und der Polizei des Zarenregimes befreit worden, denno<strong>ch</strong><br />

hätten der andauernde Bürgerkrieg und die politis<strong>ch</strong>en und sozialen Wirren sowie die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Probleme die Verbreitung des Esperanto verhindert. 1918-19 existierten auf sowjetis<strong>ch</strong>em Territorium<br />

ni<strong>ch</strong>t weniger als 100 Esperanto-Gesells<strong>ch</strong>aften (in etwa 60 Orts<strong>ch</strong>aften, gemäss Drezen) und es ers<strong>ch</strong>ienen<br />

ebenso viele hektographierte Blätt<strong>ch</strong>en, die das fehlende Zentralorgan ersetzten. In der glei<strong>ch</strong>en<br />

Zeit wurden Versu<strong>ch</strong>e unternommen, einen Allrussis<strong>ch</strong>en kommunistis<strong>ch</strong>en Esperanto-Verband,<br />

eine Allrussis<strong>ch</strong>e Liga Junger Esperantisten und eine Allrussis<strong>ch</strong>e Esperanto-Föderation zu erri<strong>ch</strong>ten.<br />

Diese Bemühungen blieben aber allesamt erfolglos und eigentli<strong>ch</strong>e Totgeburten. Die ganzen widrigen<br />

Rahmenbedingungen im Land hatten im Gegenteil nämli<strong>ch</strong> dazu geführt, dass die Esperanto-<br />

Bewegung von den Bevölkerungsmassen kaum bea<strong>ch</strong>tet wurde. Natürli<strong>ch</strong> hofften die Esperantisten,<br />

dass ihre <strong>An</strong>liegen und ihre Spra<strong>ch</strong>e von den Behörden und den Kommunisten berücksi<strong>ch</strong>tigt würden. 9<br />

Zum Zweck der <strong>An</strong>näherung an den Kommunismus wurden kommunistis<strong>ch</strong>e Esperanto-<br />

Organisationen gegründet, so im November 1919 in Samara die Esperanto-Sektion der Kommunistis<strong>ch</strong>en<br />

Internationalen (Komintern), 10 die in ihrer späteren Moskauer Zeit den Namen Esperantistis<strong>ch</strong>e<br />

Kommunistis<strong>ch</strong>e Internationale (ESKI) erhielt. Die Initiatoren waren Ort Sunnan alias O<strong>ch</strong>itovič<br />

(Trockist), Sergej Gajdovskij (<strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>ist; Pseudonym: Pets<strong>ch</strong>enege) und Ėrnest K. Drezen<br />

(regierungsnah). Mitglied der ESKI konnte werden, wenn eine der Gruppen oder Parteien in der Komintern<br />

war. Als hö<strong>ch</strong>stes Organ der ESKI war der Kongress vorgesehen, und in der Zeit zwis<strong>ch</strong>en den<br />

Kongressen sollte das Ispolkom der ESKI die Arbeit führen. Das Organisationsbüro der Sektion erarbeitete<br />

die Statuten und eine ‚Deklaration über die Internationale Spra<strong>ch</strong>e’ – beides auf Russis<strong>ch</strong>. In<br />

dieser ‚Deklaration’ hiess es unter anderem, dass die Arbeiterklasse der <strong>An</strong>si<strong>ch</strong>t sei, dass ni<strong>ch</strong>t eine<br />

einzelne Nationalspra<strong>ch</strong>e als internationale Spra<strong>ch</strong>e dienen sollte und dass nur eine Spra<strong>ch</strong>e wie Esperanto<br />

für die Verwirkli<strong>ch</strong>ung der Ziele des Proletariats in Frage kommen könne. Ferner empfahl die<br />

‚Deklaration’ dem Proletariat, si<strong>ch</strong> von der Abhängigkeit von Übersetzern zu lösen, denn diese könnten<br />

kraft ihrer Beherrs<strong>ch</strong>ung mehrerer Fremdspra<strong>ch</strong>en die politis<strong>ch</strong>e Führung beanspru<strong>ch</strong>en. Mit der<br />

Frage, den Nutzen der Einführung einer internationalen Spra<strong>ch</strong>e zu diskutieren, sollte si<strong>ch</strong> der Zweite<br />

Kongress der Komintern im Sommer 1920 befassen. 11 Aber statt Esperanto zu unterstützen ents<strong>ch</strong>ied<br />

si<strong>ch</strong> die Komintern für die Reformplanspra<strong>ch</strong>e Ido, die seit 1907 als Gegenvors<strong>ch</strong>lag zum Esperanto<br />

im Gesprä<strong>ch</strong> war.<br />

Ėrnest Drezen – ein vožd´ für die sowjetis<strong>ch</strong>e Esperanto-Bewegung<br />

Für die Idee, die Esperantisten Russlands im Rahmen der Komintern zu vereinigen, spra<strong>ch</strong><br />

si<strong>ch</strong> vor allem Ėrnest K. Drezen aus, der bald zum Führer der frühsowjetis<strong>ch</strong>en Esperanto-Bewegung<br />

aufsteigen sollte. Seine Idee erwies si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> als ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>setzbar, weil na<strong>ch</strong> den Statuten der<br />

Komintern kleinere Sektionen wie die ESKI ni<strong>ch</strong>t aufgenommen werden konnten. Na<strong>ch</strong>dem die ESKI<br />

im Herbst 1921 offenbar verboten wurde, sah sie si<strong>ch</strong> gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen. In der<br />

Folge bemühten si<strong>ch</strong> in dieser Phase die <strong>An</strong>hänger der Internationalen Spra<strong>ch</strong>e, die Aufmerksamkeit<br />

der staatli<strong>ch</strong>en Behörden zu erheis<strong>ch</strong>en, um die Frage der Verbreitung des Esperanto im Land zu lösen,<br />

wobei ni<strong>ch</strong>t alle Bemühungen zum Erfolg führten.<br />

9<br />

Enciklopedio de Esperanto 1933, S. 590ff.<br />

10<br />

Die Komintern, au<strong>ch</strong> Dritte Internationale genannt, wurde 1919 in Moskau auf Lenins Initiative gegründet und bestand bis<br />

1943; sie vereinigte in si<strong>ch</strong> kommunistis<strong>ch</strong>e Parteien vers<strong>ch</strong>iedener Länder auf der Grundlage der Ideen der proletaris<strong>ch</strong>en<br />

Weltrevolution und der Taktik der „Einheitsfront“ im Kampf gegen den Kapitalismus. Ihr dritter Chef, der bulgaris<strong>ch</strong>e<br />

Kommunistenführer Georgi Dimitrov, soll eine positive Haltung gegenüber Esperanto eingenommen haben.<br />

11<br />

Dazu s. https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/uploads/pdf-2008/jhk_fayet.pdf.

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