An Frau Prof - Plansprachen.ch
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bei ihren internationalen Kontakten gezeigt hätten und die Tätigkeiten zuliessen, die mit einem Verbleiben<br />
in einer sowjetis<strong>ch</strong>en Organisation ni<strong>ch</strong>t in Einklang stünden. Die gebührende Wa<strong>ch</strong>samkeit in<br />
den Reihen der Organisationen, die bei den internationalen Kontakten vorausgesetzt würden, liesse zu<br />
wüns<strong>ch</strong>en übrig. Zu den Drohgebärden gehörte ausserdem die <strong>An</strong>kündigung, dass im „sowjetis<strong>ch</strong>en<br />
Esperanto-Haus Ordnung ges<strong>ch</strong>affen“ und eine „genaue Kontrolle in den Reihen der SĖSR dur<strong>ch</strong>geführt“<br />
werden müsse. Einmal mehr gehörte zur Routine, au<strong>ch</strong> die „theoretis<strong>ch</strong>en Verrenkungen“ des<br />
Lantis<strong>ch</strong>en <strong>An</strong>ationalismus als „k/r“ ausdrückli<strong>ch</strong> an den Pranger zu stellen. 1935-36 liess Lanti die<br />
Esperanto-Zeits<strong>ch</strong>rift Herezulo (dt. Häretiker) als dreimonatli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einendes unabhängiges Organ<br />
der ‚Sennaciista Frakcio’ ers<strong>ch</strong>einen, die sämtli<strong>ch</strong>e sowjetis<strong>ch</strong>en Dogmen und die Situation in der<br />
Sowjetunion no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ärfer kritisierte, als dies vorher Sennaciulo getan hatte. 78 Dies alles hatte Konsequenzen.<br />
In der Bibliothek des Herezulo ers<strong>ch</strong>ien 1935 zum Beispiel Lantis Pamphlet ‚Ĉu socialismo<br />
konstruiĝas en Sovetio?’ (Wird der Sozialismus in der Sowjetunion aufgebaut?), in dem er mit dem<br />
Sowjetregime, das er als „roten Fas<strong>ch</strong>ismus“ bezei<strong>ch</strong>nete, s<strong>ch</strong>onungslos abre<strong>ch</strong>nete. 79<br />
Mit dem Auss<strong>ch</strong>luss zweier Esperantisten (I. Izgur und V. Kolčinskij) aus der SĖSR, die die<br />
Statuten der Organisation missa<strong>ch</strong>tet und die Organisation in Verruf gebra<strong>ch</strong>t haben sollen, blieben die<br />
Drohungen in der Tat ni<strong>ch</strong>t lange nur leere Worte. So wurde etwa au<strong>ch</strong> das Char’kover SĖSR-<br />
Komitees aufgehoben und seine Tätigkeit na<strong>ch</strong> Kiev verlegt.<br />
In einem an sämtli<strong>ch</strong>e SĖSR-Organisationen vers<strong>ch</strong>ickten „Informationsbrief“ vom Dezember<br />
1936 wurde den Aktivisten befohlen, genaue Kontrollen dur<strong>ch</strong>zuführen, wer mit wem in Esperanto<br />
Korrespondenz führt, die Länder zu benennen, die Adresse des Korrespondenten anzugeben und eine<br />
kurze Bes<strong>ch</strong>reibung des Korrespondenten abzuliefern, das Niveau der Spra<strong>ch</strong>kenntnisse anzugeben,<br />
über seine Interessen Auskunft zu erteilen und darüber, ob es si<strong>ch</strong> um eine private oder kollektive Korrespondenz<br />
handelt, ferner wie viele Briefe ins Ausland ges<strong>ch</strong>ickt und wie viele Briefe aus dem Ausland<br />
erhalten wurden, wer im Rahmen der DMS angeworben wurde und wen von den „alten Esperantisten“<br />
und von den „Fernstudenten“ man sonst no<strong>ch</strong> so kenne (Namen und Adressen, Arbeitsplatz<br />
waren mitzuteilen).<br />
In der Verordnung wurden erstmals Wörter wie „s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e dekadente Gesprä<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en<br />
Esperantisten“, „Spione und Volksfeinde“ benutzt, gewarnt wurde vor der „Spionage- und S<strong>ch</strong>ädlings-<br />
Arbeit“, die si<strong>ch</strong> in die internationale Korrespondenz eins<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>en könne, usw. Diese Verdä<strong>ch</strong>tigungen<br />
bedeuteten automatis<strong>ch</strong> das Ende der Kontakte der sowjetis<strong>ch</strong>en Esperantisten mit dem Ausland<br />
und 1937/38 au<strong>ch</strong> der Korrespondenz zwis<strong>ch</strong>en westli<strong>ch</strong>en und sowjetis<strong>ch</strong>en Esperantisten. Westli<strong>ch</strong>e<br />
Korrespondenten hatten den sowjetis<strong>ch</strong>en Kollegen immer wieder kritis<strong>ch</strong>e und provokative Fragen<br />
zur Lage in der Sowjetunion gestellt und si<strong>ch</strong> gewundert, warum die <strong>An</strong>tworten darauf ausblieben.<br />
Drezens Aufruf an die Mitglieder seiner Organisation, si<strong>ch</strong> bei der Korrespondenz mit dem Westen<br />
ni<strong>ch</strong>t provozieren und missbrau<strong>ch</strong>en zu lassen, half wohl au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr, das S<strong>ch</strong>limmste zu verhindern.<br />
80<br />
78<br />
Für 1935-36 ist ferner ein hektographiertes Bulletin unter dem Titel La permanenta revolucio als „Organ der Bols<strong>ch</strong>ewisten-Leninisten,<br />
einziges theoretis<strong>ch</strong>es marxistis<strong>ch</strong>es Organ in Esperanto, das die IV. Internationale propagiert“, na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />
Es wurde in Kopenhagen produziert. Die 4. Internationale war ein internationaler Parteienbund, der im September 1938<br />
entstand und auf Trockijs Linke Opposition gegen den Stalinismus in der UdSSR zurückging. (s.<br />
http://www.marxists.org/esperanto/laperm/ index.htm.)<br />
79<br />
S. http://www.nodo50.org/esperanto/Libroservo/SocialismoenSovetio.htm. 1931 wurde Lantis „Lehre“ au<strong>ch</strong> als „mens<strong>ch</strong>ewistis<strong>ch</strong>-anar<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>“,<br />
„sozial-fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>“, „konterrevolutionär“, „opportunistis<strong>ch</strong>“, anar<strong>ch</strong>odyndikalistis<strong>ch</strong>“ usw.<br />
bezei<strong>ch</strong>net. (s. http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=e2b&datum=19310301&seite=5&zoom=33,<br />
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=e2b&datum=19310301&seite=11&zoom=33 und http://anno.onb.ac.at/cgicontent/anno?aid=e2b&datum=19310301&seite=15&zoom=33),<br />
um Lanti s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> für einen „Klassenfeind“ zu halten<br />
(s. http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=e2b&datum=19310501&seite=15&zoom=33). In späterem Jahren polemisierte<br />
Meždunarodnyj jazyk au<strong>ch</strong> gegen sämtli<strong>ch</strong>e Abwei<strong>ch</strong>ungen des reinen Stalinismus wie den „Esperanto-Chvylevismus in der<br />
Ukraine“ (1931), den „fehlerhaften [Rosa-],,Luxemburgismus im <strong>An</strong>ationalismus“, den „krie<strong>ch</strong>enden Empirismus in der<br />
Linguisitik“ (1932) usw.<br />
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Dazu ausführli<strong>ch</strong> bei Lins, LDL, S. 410-33.