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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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75<br />

der <strong>An</strong>si<strong>ch</strong>t, dass eine internationale Spra<strong>ch</strong>e die Dinge im Grunde ni<strong>ch</strong>t verändern würde, denno<strong>ch</strong><br />

zeigte er si<strong>ch</strong> davon überzeugt, dass Esperanto in Nationalitätenstaaten wie Österrei<strong>ch</strong> oder Russland<br />

einen wesentli<strong>ch</strong>en Friedensbeitrag leisten und die Mängel der existierenden soziopolitis<strong>ch</strong>en Ordnung<br />

beseitigen könnte. In der Folge unterri<strong>ch</strong>tete er Esperanto während dreier Jahre am Moskauer Esperanto-Institut.<br />

Da die Umstände am Institut s<strong>ch</strong>wierig waren (Kälte, Nahrung), mussten die Mitarbeiter<br />

während des Winters teilweise ausserhalb Moskaus eine andere Betätigung su<strong>ch</strong>en. So lehrte Futerfas<br />

im Sommer 1920 an einer anderen S<strong>ch</strong>ule. Um 1921 stellte das Institut seine Arbeit ein und Futerfas<br />

unterri<strong>ch</strong>tete Esperanto bei zwei anderen Moskauer Esperanto-Organisationen. Er s<strong>ch</strong>loss si<strong>ch</strong> dem<br />

Komitee der Allrussis<strong>ch</strong>en Esperanto-Föderation (OKTEF) an, zu deren Gründungsmitglieder au<strong>ch</strong> N.<br />

Želtov, A. Ajspurit, A. Skal’skij, A. Prager, T. Fridri<strong>ch</strong>sen, V. Bykov, R. Bakušinskij und B. Breslau<br />

gehörten. Ausserdem nahm Futerfas an der Tätigkeit einer Esperanto-Kooperative teil, die von A.A.<br />

Sa<strong>ch</strong>arov, S. Obručev, B. Breslau, A. Iodko, N. Želtov, T. Golev, N. Nekrasov, N. Cho<strong>ch</strong>lov und R.<br />

Bakušinski initiiert worden war. Na<strong>ch</strong> den Revolutionsjahren arbeitete Futerfas als Bu<strong>ch</strong>halter,<br />

Kontrolleur und Kassier in der Krankenkassenbran<strong>ch</strong>e, wo er ein kleines Gehalt bezog und die Stelle<br />

öfters we<strong>ch</strong>selte. In dieser Zeit begann er gegen Ė.K. Drezen zu opponieren und seine<br />

„Bürgerli<strong>ch</strong>keit“ zu „demaskieren“. Seiner Haltung als <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>ist gab er alle Ehre, indem er<br />

systematis<strong>ch</strong> einen konträren Gesi<strong>ch</strong>tspunkt vertrat, si<strong>ch</strong> mit Polemik streitbar in alle mögli<strong>ch</strong>en<br />

Dispute einmis<strong>ch</strong>te, die Autoritäten vers<strong>ch</strong>mähte und so eine Art eigene Streitkultur entwickelte. 227<br />

Als im Juni 1921 in Petrograd der III. Allrussis<strong>ch</strong>e Esperanto-Kongress eröffnet wurde, der<br />

von einem Organisationskomitee vorbereitet wurde, dem Ė.K. Drezen, Karataev, Rozanov, Šaber und<br />

Ščavinskij angehörten, bildeten N. Futerfas, M. Valentinov und V. Devjatnin das Präsidium des Kongresses.<br />

Dabei hielt der <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>ist Futerfas die Zeit für no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gekommen, eine gesamtsowjetis<strong>ch</strong>e<br />

Esperanto-Vereinigung zu erri<strong>ch</strong>ten. Der ideologis<strong>ch</strong>e Streit artete in einer Heftigkeit aus, sodass<br />

Futerfas mit einer Gruppe von Delegierten die Sitzung verliess, um gegen den autoritären bürokratis<strong>ch</strong>en<br />

Zentralismus Ė.K. Drezens innerhalb der SĖSS zu protestieren (s. S. 7f.). 1923 nahm Futerfas<br />

mit Drezen, Nekrasov, Demidjuk no<strong>ch</strong> am III. SAT-Kongress in Kassel (Deuts<strong>ch</strong>land) teil. Na<strong>ch</strong>dem<br />

La nova epoko eingestellt worden war, lud Drezen im Juli 1925 die beiden <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>isten Futerfas und<br />

Zil’berfarb dazu ein, in die Reihen der SĖSR einzutreten. Aber Futerfas winkte ab und vers<strong>ch</strong>wand in<br />

der Folge spurlos aus dem Fokus der Esperanto-Bewegung. 228<br />

Seine anar<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e Haltung wurde Futerfas in einem Land wie der Sowjetunion, wo die<br />

<strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>isten gnadenlos verfolgt wurden, unweigerli<strong>ch</strong> früher oder später zum Verhängnis. So wurde<br />

Futerfas erstmals 1924 verhaftet (es liegt keine Bestätigung vor) und bald wieder freigelassen, aber<br />

offenbar ohne Re<strong>ch</strong>t, na<strong>ch</strong> Moskau zurückzukehren (wo seine Mutter Cecilija Ili’čna lebte). Er wurde<br />

in die Stadt Samara verbannt, später gelang es ihm, na<strong>ch</strong> Leningrad überzusiedeln, wo er si<strong>ch</strong> offenbar<br />

an politis<strong>ch</strong>en Debatten beteiligte und so den Behörden auffiel. Die Na<strong>ch</strong>fors<strong>ch</strong>ungen N. Stepanovs<br />

über Futerfas haben interessante <strong>An</strong>tworten aus Leningrad, Tomsk und Ar<strong>ch</strong>angel’sk zutage gefördert.<br />

Demna<strong>ch</strong> wurde Natan Jakovlevič Futerfas, Jude, parteilos, mit mittlerem Bildungsgrad,<br />

Kassierer in der Versi<strong>ch</strong>erungsanstalt der Petrograder Region in Leningrad am 14. Juni 1927 wegen<br />

„Verbre<strong>ch</strong>en“, die er im Sinne von Art. 58-4 des Strafgesetzsbu<strong>ch</strong>es der RSFSR verübt haben soll,<br />

verhaftet. Gemäss Bes<strong>ch</strong>luss des Speziellen Rats (OSO) der OGPU wurde er am 16. September 1927<br />

diesem Artikel entspre<strong>ch</strong>end zu drei Jahren Freiheitsentzug „wegen Vorbereitung und Verbreitung von<br />

a/s Flugblättern“ verurteilt. 229 Bei einer Amnestie vom 6. November 1927 wurde das Strafmass um<br />

Viertel reduziert. Na<strong>ch</strong> der Verbüssung seiner Haft wurde Futerfas gemäss Bes<strong>ch</strong>luss des OSO/OGPU<br />

am 7. Juni 1929 für drei Jahre na<strong>ch</strong> Sibirien verbannt. Dass Futerfas in den Distrikt Narym versetzt<br />

227<br />

S. http://historio.ru/futerfas.php bzw. http://www.satesperanto.org/FUTERFAS-SORTO-DE-UNU-<br />

ANARKIISTO.html?var_re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e=Serĉi.<br />

228<br />

S. U. Lins: Drezen. Lanti kaj La Nova Epoko. In: Sennacieca Revuo 115/1987, S. 35-52; E. Borsboom: Vivo de Lanti,<br />

1976, S. 51f.<br />

229<br />

Wegen der glei<strong>ch</strong>en Straftat wurden mit Futerfas glei<strong>ch</strong>zeitig au<strong>ch</strong> ein gewisser Otto Ioganovič Sal’, gebürtig aus Lettland,<br />

und ein gewisser Dmitrij Veniaminovič D’jakov aus Leningrad, verhaftet. Der Prozess dieser Verurteilten wurde ni<strong>ch</strong>t<br />

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