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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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Stepanov (+Feb. 2013), auf <strong>An</strong>frage beim KGB Einsi<strong>ch</strong>t in die Akten der repressierten sowjetis<strong>ch</strong>en<br />

Esperantisten zu nehmen und so genauere <strong>An</strong>gaben über Verhaftungsgrund, Verhaftungsdatum und<br />

Todestag bzw. Rehabilitierung und sogar über die Zusammensetzung einiger Trojkas zu erhalten. Die<br />

Resultate seiner Na<strong>ch</strong>fors<strong>ch</strong>ungen publizierte Stepanov in der Esperanto-Presse sowie im Internet. 165<br />

So weiss man heute unter anderem, dass bei der Verurteilung der sowjetis<strong>ch</strong>en Esperantisten eine ganze<br />

Reihe von Paragraphen des berü<strong>ch</strong>tigten Artikels 58 des Strafgesetzes aus dem Jahr 1926 zur <strong>An</strong>wendung<br />

kamen, so die Paragraphen 58-1 (Vaterlandsverrat), 58-6 (Spionage), 58-7 (Untergrabung<br />

der Ökonomie), 58-8 (Terrorismus), 58-10 (antisowjetis<strong>ch</strong>e Propaganda od. Agitation) und 58-11 (Organisation<br />

und Führung einer antisowjetis<strong>ch</strong>en Organisation jegli<strong>ch</strong>er Art). 166<br />

1.1. Ėrnest Karlovič Drezen – Abriss seiner Biographie<br />

ДРЕЗЕН, Эрнест Карлович, geb. (14.).11.1892 in Libava (russ.) bzw. Libau (dt.) und Liepāja (lett.)<br />

im Gouvernement Kurland, Russis<strong>ch</strong>es Rei<strong>ch</strong>. Gest. 27.10.1937 (hingeri<strong>ch</strong>tet) in Moskau.<br />

Familie und Namen: Ė.K. Drezens Vater war Karl (Kārlis Drēziņš), bis 1917 einfa<strong>ch</strong>er Seemann, dana<strong>ch</strong><br />

Leiter eines Baggermas<strong>ch</strong>inenbautrupps; bald dana<strong>ch</strong> starb er. Drezens Mutter Karolina Matveevna<br />

war Hausfrau und starb 1942 an Dystrophie. Drezens Bruder Arvid (lett. Arvīds, *1900) war Linguist<br />

und Historiker, Leiter eines regionalen Zentralar<strong>ch</strong>ivs. 1908 zog die Familie na<strong>ch</strong> Kronštadt um.<br />

Auf Lettis<strong>ch</strong> lautet Drezens Name Ėrnests-Vilhelms Drēziņš, na<strong>ch</strong> russis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>reibart Ėrnest Karlovič<br />

Drezin. Da lettis<strong>ch</strong>e Namen si<strong>ch</strong> an die deuts<strong>ch</strong>e Phonetik anzupassen pflegten, wurde aus Drezin<br />

Dresen bzw. Drezen – derjenige Name, der ihn dann international bekannt ma<strong>ch</strong>en sollte. Warum Drezin<br />

aber s<strong>ch</strong>lussendli<strong>ch</strong> Drezen genannt werden wollte, ist unbekannt. 167 Na<strong>ch</strong> eigenen <strong>An</strong>gaben war<br />

si<strong>ch</strong> Drezen in seiner Jugend gewohnt, Lettis<strong>ch</strong> und Deuts<strong>ch</strong>, ab dem Alter von 7 Jahren Russis<strong>ch</strong> zu<br />

verwenden. Ferner lernte er Französis<strong>ch</strong>, Englis<strong>ch</strong> und einige andere europäis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>en. Das Russis<strong>ch</strong>e<br />

wurde vor allem in seinem Berufsleben seine Hauptspra<strong>ch</strong>e.<br />

Ausbildung: Ė.K. Drezen besu<strong>ch</strong>te in Libau fünf Klassen der Reals<strong>ch</strong>ule (Mittels<strong>ch</strong>ule ohne Latein<br />

und Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>). Weil er ni<strong>ch</strong>t das Gymnasium absolvierte, konnte er si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an der Universität<br />

immatrikulieren. Dafür trat Drezen 1911 ins Petersburger Polyte<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Institut ein, das er 1916 (ohne<br />

Diplom) abs<strong>ch</strong>loss. Soglei<strong>ch</strong> trat er in die S<strong>ch</strong>ule für Ingenieure im Rang eines Unteroffiziers ein,<br />

die er im glei<strong>ch</strong>en Jahr abs<strong>ch</strong>loss. Gemäss NKVD-Akten wurde Drezen im Februar 1917 als Offizier<br />

in der Kommandantur des Tauris<strong>ch</strong>en Palais eingesetzt. Im Juni 1917 wurde er in die Union der sozialistis<strong>ch</strong>en<br />

Offiziere der Volksarmee delegiert und betreute den Posten des Leiters des Fa<strong>ch</strong>s für Volksbildung.<br />

Im Oktober wurde er Kommandant des Tauris<strong>ch</strong>en Palais und in der Union der sozialistis<strong>ch</strong>en<br />

Offiziere verantwortli<strong>ch</strong>er Sekretär. Dana<strong>ch</strong> diente er als Kommissär-Inspektor des Petrograder<br />

Militärdistrikts und 1919 als Petrograder Vertreter der Glavsnab (Versorgungsverwaltung) der<br />

RSFSR. Na<strong>ch</strong> einer anderen Quelle arbeitete Drezen während seiner Studienzeit im Hafen von<br />

Kronštadt, wo er die Posten eines Brigadeleiters, Te<strong>ch</strong>nikers und Hilfsingenieurs bekleidete. 1920<br />

165<br />

S. N. Stepanov: ‚Ĉu SAT estis sidejo de germana sekreta polico?“ In: Sennaciulo, 2/1990 und auf historio.ru. Das Thema<br />

der Verfolgung der Esperantisten in der Sowjetunion wurde wie bereits erwähnt in den 1960-80er Jahren von dem westdeuts<strong>ch</strong>en<br />

Historiker U. Lins verdienstvoll aufgearbeitet. Die Fors<strong>ch</strong>ungsresultate wurden in einem Bu<strong>ch</strong> mit dem Titel „Die<br />

gefährli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e“ (Blei<strong>ch</strong>er Verlag 1988) veröffentli<strong>ch</strong>t. Eine Esperanto-spra<strong>ch</strong>ige Version ers<strong>ch</strong>ien glei<strong>ch</strong>zeitig unter<br />

dem Titel „La danĝera lingvo“ (Blei<strong>ch</strong>er 1988), und 1990 wurde das Bu<strong>ch</strong> auf Esperanto in der Sowjetunion und 1999 auf<br />

Russis<strong>ch</strong> in Russland herausgegeben (s. http://www.rusio.ru/dl). Der Titel fehlt in S<strong>ch</strong>lögels Bibliographie zu seinem Bu<strong>ch</strong><br />

‚Moskau 1937’, obwohl er darin die Esperantisten erwähnte. Lins’ Behauptung, dass etwa 10’000 Esperantisten in der Sowjetunion<br />

von den Verfolgungen direkt betroffen waren, s<strong>ch</strong>eint mir zu ho<strong>ch</strong> gegriffen, zumal nur relativ wenige konkrete<br />

Namen von Opfern bekannt sind. Leider erfuhr Lins’ Bu<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> 1988 weder eine Überarbeitung no<strong>ch</strong> eine ergänzte Neuauflage,<br />

sodass die wi<strong>ch</strong>tigen Komplementärerkenntnisse N. Stepanovs ni<strong>ch</strong>t mehr berücksi<strong>ch</strong>tigt werden konnten.<br />

166<br />

Genauer und ausführli<strong>ch</strong>er s. http://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_58_des_Strafgesetzbu<strong>ch</strong>es_der_RSFSR.<br />

167<br />

Der Name Ė.K. Drezens ist ni<strong>ch</strong>t zu verwe<strong>ch</strong>seln mit dem ähnli<strong>ch</strong> lautenden Namen einer anderen Protagonistin der Esperanto-Bewegung,<br />

Hilda Dresen, die aus Estland stammte (s. http://eo.wikipedia.org/wiki/Hilda_Dresen).

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