An Frau Prof - Plansprachen.ch
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Haftbedingungen, sodass seine Gesundheit dana<strong>ch</strong> ruiniert war. Na<strong>ch</strong> der Haftentlassung lebte er halblegal<br />
ihm Krasnodarer Land und wurde 1957 rehabilitiert. In den 1960er und 70er Jahren versu<strong>ch</strong>te<br />
Mastepanov, am akademis<strong>ch</strong>en Leben teilzunehmen und ins Ausland zu reisen, was ihm die Sowjetbehörden<br />
aber systematis<strong>ch</strong> verwehrten. So blieb ihm ni<strong>ch</strong>ts anderes übrig, als si<strong>ch</strong> im Bergbaunest<br />
Malokurgannyj bei Karačaevsk in der Karačaiis<strong>ch</strong>-Čerkessis<strong>ch</strong>en Republik im Nordkaukasus an seinen<br />
Ehrenauszei<strong>ch</strong>nungen, die er von ausländis<strong>ch</strong>en akademis<strong>ch</strong>en <strong>An</strong>stalten und Gesells<strong>ch</strong>aften erhielt<br />
und an der von ihm geführten Korrespondenz mit ausländis<strong>ch</strong>en Kollegen zu erfreuen. In einem<br />
Brief an N. Stepanov vom 16. Januar 1991 stärkte der 78-jährige Gulag-Überlebende seine Vermutung,<br />
dass er vor allem wegen seiner damaligen Tätigkeit als Esperantist – er war Mitglied des ZK<br />
SĖSR und des ZK IPE – verhaftet und verurteilt worden war. 225<br />
1.3.1. Drei Sonderfälle: N. Futerfas, G. Demidjuk und V. Kuz’mič<br />
Der Fall Futerfas<br />
Lange Zeit gab es über die Lebensumstände von Natan Jakovlevič Futerfas (1896-1937) nur sehr<br />
spärli<strong>ch</strong>e <strong>An</strong>gaben. Erst Nikolaj Stepanov, der Ende 1980er/<strong>An</strong>fang 1990er Jahre die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der<br />
Opfer aufgrund der geöffneten KGB-Ar<strong>ch</strong>ive aufarbeiten und publizieren konnte, ist es gelungen, die<br />
spektakuläre Biographie dieses sowjetis<strong>ch</strong>en <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>isten, <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>o-Kommunisten bzw. <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>o-<br />
Syndikalisten, wie er in den Akten bezei<strong>ch</strong>net wurde, zu erhellen und zu rekonstruieren. Weil Futerfas’<br />
Biographie einzigartig ers<strong>ch</strong>eint, ist es angebra<strong>ch</strong>t, sie an dieser Stelle mit zwei anderen Spezialfällen<br />
gesondert zu würdigen.<br />
Na<strong>ch</strong> eigenen <strong>An</strong>gaben wurde Futerfas am 28. Juli 1896 in Lodz/Łódź geboren, wo er bis zum<br />
Kriegsausbru<strong>ch</strong> lebte. Im Alter von se<strong>ch</strong>s Jahren verlor er seinen Vater, der bei einem Unfall in Melitopol’<br />
(Südukraine) 35-jährig ums Leben kam. Na<strong>ch</strong> dem Tod des Vaters kam Futerfas’ Familie, bestehend<br />
aus der Mutter und drei Kindern, von denen Natan der Älteste war, in die Obhut des Onkels,<br />
der die Hausges<strong>ch</strong>äfte fortsetzte. Na<strong>ch</strong> drei Jahren Gymnasium verliess Futerfas die S<strong>ch</strong>ule, da ihn der<br />
offizielle Lehrplan ni<strong>ch</strong>t befriedigte und begann si<strong>ch</strong> autodidaktis<strong>ch</strong> weiterzubilden. So interessierte er<br />
si<strong>ch</strong> vor allem für die Bu<strong>ch</strong>haltung, politis<strong>ch</strong>e Ökonomie und Universalges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Sein erstes Einkommen<br />
erzielte er im Büro einer grossen Lodzer Firma. Ein OGPU-Dokument zu Futerfas hielt seine<br />
Arbeitsanstellung wie folgt fest: bis 1917 Büroangestellter in der privaten Firma Rozental in Łódź,<br />
1918-19 Büroangestellter von Glavkož (Lederfirma in Moskau), 1919-22 Büroangestellter von<br />
Glavsnabprodarm (Armee und Flotte), 226 1922-25 Kontrolleur bei einer Versi<strong>ch</strong>erungskasse in Moskau,<br />
1925-26 Bu<strong>ch</strong>halter in der Fabrik Krasnaja Vana, Samara, 1926-27 Kassierer bei einer Versi<strong>ch</strong>erungsfirma<br />
in der Petrograder Region.<br />
Von der Spra<strong>ch</strong>e Esperanto erfuhr Natan Futerfas um 1911 dur<strong>ch</strong> seinen S<strong>ch</strong>ulkameraden J.<br />
Šapiro. 1912 fuhr Futerfas na<strong>ch</strong> Krakau, um am 8. Esperanto-Weltkongress teilzunehmen. Dann lernte<br />
er die Esperantisten S<strong>ch</strong>ulz, Cimerman, Goldberg und Helman kennen, die die Lodzer Esperanto-<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft unterhielten. 1914 reiste Futerfas mit seiner Mutter aus Łódź ins Gouvernement Wilna<br />
ab. Im September 1917 absolvierte Futerfas ein Examen beim Moskauer Esperanto-Institut (A. Sa<strong>ch</strong>arov).<br />
Bei dieser Gelegenheit hinterliess er au<strong>ch</strong> einige Auskünfte über sein Verständnis des Esperanto.<br />
Si<strong>ch</strong> auf L.N. Tolstoj beziehend, hielt er Esperanto ni<strong>ch</strong>t nur für einen phantasievollen Versu<strong>ch</strong>,<br />
sondern für eine lebendige Spra<strong>ch</strong>e, die eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle in der Kultur der modernen Mens<strong>ch</strong>heit<br />
spielen sollte. Der Hauptgrund für den Hass zwis<strong>ch</strong>en den Völkern sei die ungenügende Haushaltsordnung,<br />
und nur ihre Änderung könne dazu führen, Hass und Kriege zu überwinden. Im Prinzip war er<br />
225<br />
S. http://historio.ru/mastepan.php; http://ru.wikipedia.org/wiki/Мастепанов,_Сергей_Данилович.<br />
226<br />
Главное управление по снабжению продовольствием армии и флота.