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In einem weiteren Beitrag, der im glei<strong>ch</strong>en Band ers<strong>ch</strong>ien, 157 s<strong>ch</strong>lug Filin no<strong>ch</strong> einmal mit der<br />
vollen Härte des stalinistis<strong>ch</strong>en Denunzianten einzeln auf Loja ein. Im entspre<strong>ch</strong>enden Vortrag warf<br />
der Hardliner Loja in mindestens se<strong>ch</strong>s Punkten ungeheuerli<strong>ch</strong>e Taten vor, die er als Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftler<br />
begangen haben soll, um Lojas spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Konzeption als „besonders eklektizistis<strong>ch</strong>“,<br />
„reaktionär“, „idealistis<strong>ch</strong>“, „antimarxistis<strong>ch</strong>“ und „antiwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>“ und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
ihn selbst wegen seines „physiologis<strong>ch</strong>en <strong>An</strong>satzes in Bezug auf das Wesen der Spra<strong>ch</strong>e“ als „bourgeoisen<br />
Formalisten“ diskreditieren zu können, der sogar „mens<strong>ch</strong>ewistis<strong>ch</strong>e“ und „antileninistis<strong>ch</strong>e“<br />
Positionen vertrete (etwa in der nationalen Frage), statt den <strong>An</strong>satz der „Gesells<strong>ch</strong>aftpsy<strong>ch</strong>ologie“ zu<br />
vertreten, wie dies im Marxismus übli<strong>ch</strong> sei, der die Spra<strong>ch</strong>e als gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Produkt definiere.<br />
Die Konzeption Lojas, die den Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e und Denken verneine, enthalte „leere<br />
Bes<strong>ch</strong>reibungen“, sei ein „Fetis<strong>ch</strong>“ der „streng objektiven“ Phonetik, die den „Empirismus in der<br />
Methode“ verwende, den er bei den Junggrammatikern Berthold Delbrücks als „wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es<br />
Gepäck“ entlehnt habe. Loja ignoriere die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Spra<strong>ch</strong>e, die er bloss als „Disziplin mit theoretis<strong>ch</strong>em<br />
Interesse“ betra<strong>ch</strong>te, wenn er die Syn<strong>ch</strong>ronie der Dia<strong>ch</strong>ronie entreisse und das „Soziale“ in<br />
der Spra<strong>ch</strong>e im Geist der „soziologis<strong>ch</strong>en“ S<strong>ch</strong>ule F. de Saussures und A. Meillets erkläre. Überhaupt<br />
sei die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te für Loja eine „tote <strong>An</strong>gelegenheit“, die dem „sozialistis<strong>ch</strong>en Aufbau ni<strong>ch</strong>t dienen<br />
kann.“ Na<strong>ch</strong> der Art der Indogermanisten verstehe Loja das System der Spra<strong>ch</strong>e als ein „ges<strong>ch</strong>lossenes“,<br />
das „mit den übrigen Systemen wenig zusammenhängt“. Den „vulgären Materialismus“ bei der<br />
Erklärung des Sozialen im Wesen der Spra<strong>ch</strong>e habe Loja von Akad. Pavlov übernommen. Ausserdem<br />
grenze si<strong>ch</strong> Loja keineswegs von den Positionen Baudouin de Courtenays ab (dem die Stalinisten<br />
ebenfalls „subjektiven Idealismus“ u.ä. vorwarfen) und habe si<strong>ch</strong> keinen S<strong>ch</strong>ritt weg von den „eingefleis<strong>ch</strong>ten“<br />
„Epigonen“ der Indogermanistik (wie Bubri<strong>ch</strong>) bewegt. Die marxistis<strong>ch</strong>e Phraseologie,<br />
derer er si<strong>ch</strong> bediene, diene ihm dazu, um die „bourgeoise Linguistik“ auf der Grundlage der Lehre<br />
N.Ja. Marrs in den Marxismus einzus<strong>ch</strong>muggeln. Dies sei „der ganze Loja“, der in allen Punkten ni<strong>ch</strong>t<br />
nur „bourgeoise <strong>An</strong>si<strong>ch</strong>ten“, eine „bourgeoise Methodologie“ und eine „vulgär-materialistis<strong>ch</strong>e Einstellung“<br />
vertrete, obwohl er dies als „hunderprozentigen Marxismus“ verkaufe, sondern au<strong>ch</strong> in Bezug<br />
auf die „Frage der Psy<strong>ch</strong>ologie“ „s<strong>ch</strong>were Fehler begehe“. No<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>limmer befand Filin, dass<br />
Loja in seinem „angebli<strong>ch</strong>en Kampf“ gegen den ´subjektiven Idealismus´ fast nur „bourgeoise Wissens<strong>ch</strong>aftler“,<br />
kaum aber Marx, Engels, Lenin und Stalin zitiere. S<strong>ch</strong>on dieser Umstand ma<strong>ch</strong>te ihn für<br />
Filin hö<strong>ch</strong>st verdä<strong>ch</strong>tig.<br />
1933 sah si<strong>ch</strong> die ‚Jazykfront’ gezwungen, ihre kurzlebige Aktivität wieder einzustellen. Dies<br />
sollte au<strong>ch</strong> der Wendepunkt in Drezens planspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Tätigkeit sein. Au<strong>ch</strong> die Beoba<strong>ch</strong>tung dur<strong>ch</strong><br />
den Geheimdienst s<strong>ch</strong>ien Drezen veranlasst zu haben, keine Artikel mehr über die internationale Spra<strong>ch</strong>e<br />
zu veröffentli<strong>ch</strong>en und si<strong>ch</strong> stattdessen dem Thema der internationalen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Terminologie<br />
und deren Normierung zuzuwenden. Auf diesem Gebiet setzte er als Mitglied der Kommission für<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Terminologie bei der Akademie der Wissens<strong>ch</strong>aften der Sowjetunion seine Berufskarriere<br />
fort, die si<strong>ch</strong> mit der Erri<strong>ch</strong>tung eines internationalen terminologis<strong>ch</strong>en Codes befasste. In dieser<br />
Funktion kam Drezen 1934 sogar dazu, der ISO (Internationale Organisation für Normung) und dem<br />
Esperanto-Weltbund (UEA) zu beri<strong>ch</strong>ten. Um Esperanto für die terminologis<strong>ch</strong>e Kodierung zulässig<br />
zu ma<strong>ch</strong>en, s<strong>ch</strong>lug er einige Änderungen in dieser Spra<strong>ch</strong>e vor. Dieser reformeris<strong>ch</strong>e Vorstoss ers<strong>ch</strong>reckte<br />
zwar die UEA-Offiziellen, ermögli<strong>ch</strong>te Drezen aber, seine Kontakte über ideologis<strong>ch</strong>e<br />
Zwänge hinaus mit Esperantisten fortzusetzen. Ja, er da<strong>ch</strong>te sogar an einen <strong>An</strong>s<strong>ch</strong>luss der SĖSR an<br />
den neutralen Esperanto-Weltbund, aber er wartete vergebli<strong>ch</strong> auf einen entspre<strong>ch</strong>enden Ents<strong>ch</strong>eid<br />
dur<strong>ch</strong> die staatli<strong>ch</strong>en Instanzen der Sowjetunion. 158<br />
158<br />
S. S.N. Kuznecov (Red.) in: E. Drezen: Historio de la mondolingvo. Tri jarcentoj da serĉado. Moskau 1991. S. 24-27.