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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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Eine Kurzanalyse dieser Opferliste fördert die folgenden Erkenntnisse zutage:<br />

1. Chronologis<strong>ch</strong> sind drei Hauptrepressionswellen zu unters<strong>ch</strong>eiden: Die erste Welle setzte im Oktober-Dezember1936<br />

ein, der die ersten Einzelesperantisten wie Muravkin, Kolčinskij und Izgur zum<br />

Opfer fielen.<br />

2. Die zweite Welle des Jahres 1937 erfasste mehrere Esperantisten, die zur Führungselite der sowjetis<strong>ch</strong>en<br />

Esperanto-Bewegung gehörten: Es handelte si<strong>ch</strong> vor allem um Drezen, Incertov, Batta, Sazonova,<br />

Mi<strong>ch</strong>al’skij, Sutkovoj.<br />

3. Bei der dritten Welle des Jahres 1938, die wohl na<strong>ch</strong> einem prinzipiellen Ents<strong>ch</strong>eid der Behörden<br />

einsetzte, au<strong>ch</strong> die Esperantisten in die Repressionsmassnahmen einzubeziehen, war das Gros der Esperantistens<strong>ch</strong>aft<br />

betroffen: Varankin, Nekrasov, Nikol’skij, Demidjuk, Deškin, Ryt’kov, Žavoronkov,<br />

um nur die bekanntesten Namen zu nennen.<br />

4. Geographis<strong>ch</strong> standen drei Hauptgruppen im Visier des NKVD: Die Moskauer Gruppe, die Leningrader<br />

Gruppe und die Ukraine, wo 1937 eine ganze Gruppe von Esperantisten mehr oder weniger<br />

glei<strong>ch</strong>zeitig verhaftet und liquidiert wurde. Besonders auffällig und spektakulär ist der ‚Fall Odessa’,<br />

bei dem se<strong>ch</strong>s Odessiter Esperantisten in der glei<strong>ch</strong>en Zeitspanne verhaftet und alle am glei<strong>ch</strong>en Tag,<br />

nämli<strong>ch</strong> am 24. November 1937, ers<strong>ch</strong>ossen wurden.<br />

5. Im Fall Drezen wurden ausser Ernst Karlovič selbst au<strong>ch</strong> Familienangehörige wie seine <strong>Frau</strong> und<br />

sein Bruder Arvid vor der Repression erfasst (und ermordet).<br />

6. Zu den Opfern gehörten ni<strong>ch</strong>t wenige <strong>An</strong>gehörige von nationalen Minderheiten (was allerdings<br />

typis<strong>ch</strong> für die Esperanto-Bewegung ist). Au<strong>ch</strong> einige jüdis<strong>ch</strong>e Namen glaubt man zu erkennen.<br />

7. In Bezug auf das Strafmass sind mehrere Kategorien zu unters<strong>ch</strong>eiden: Während ein Teil der Verhafteten<br />

ers<strong>ch</strong>ossen wurden, kam ein anderer Teil mit Lagerhaft davon, die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> lang dauerte,<br />

nämli<strong>ch</strong> 10, 8 und 5 Jahre. Einige Verhaftete wurden ni<strong>ch</strong>t verurteilt und wiederum andere wurden<br />

aus der Sowjetunion ausgewiesen.<br />

8. Die Zeitspanne zwis<strong>ch</strong>en Verhaftung und Vollstreckung des Todesurteils dauerte oft mehr als ein<br />

halbes Jahr, in einigen Fällen aber weniger als ein halbes Jahr.<br />

9. Zur Begründung der Straftaten und Todesurteile diente der Paragraph 58 des Strafgesetzes aus dem<br />

Jahr 1926 (s. weiter oben). Es s<strong>ch</strong>eint also kein Zweifel zu bestehen, dass die Verhaftung der oben<br />

genannten Esperantisten na<strong>ch</strong> dem Muster der stalinistis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>nellprozesse in der Sowjetunion erfolgte,<br />

bei denen die Opfer (wenn nötig mit dem Mittel der Denunziation) unter den Druck des Geständniszwangs<br />

gesetzt wurden und bei denen es ni<strong>ch</strong>t darauf ankam, ob die Vorwürfe und <strong>An</strong>s<strong>ch</strong>uldigungen<br />

wie „Sabotage“ oder „Spionage“, „antisowjetis<strong>ch</strong>e Propaganda“ , „trockistis<strong>ch</strong>e“, „terroristis<strong>ch</strong>e“,<br />

„konterrevolutionäre“, „antisowjetis<strong>ch</strong>e“, „verräteris<strong>ch</strong>e“, „feindli<strong>ch</strong>e“, „fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e“ „Agitation“<br />

oder „Vers<strong>ch</strong>wörung“ usw. in Wirkli<strong>ch</strong>keit zutrafen oder ni<strong>ch</strong>t.<br />

10. Eine Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t darüber, dass die Sowjetbehörden die Esperanto-Bewegung formell verboten<br />

hätten, wurde ni<strong>ch</strong>t bekannt. 186 Es mag zutreffen, dass einzelne Esperanto-Organisationen von den<br />

Bu<strong>ch</strong>es enthält die Gedi<strong>ch</strong>te, die P.M. Luk´janin verfasst hat. (Exemplar beim Autor). Das Bü<strong>ch</strong>lein ist online abrufbar unter:<br />

http://www.estacionmir.com/tienda/Lukianin_Obyknovennaya_istoria.pdf.<br />

186<br />

Dies bestätigte Stepanov in seinem einführenden Beri<strong>ch</strong>t auf historio.ru.

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