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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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8<br />

‚Deklaration über die Bildung der „Vereinigung der Esperantisten der Sowjetländer (SĖSS)“ 22 mit<br />

folgenden grundlegenden Prinzipien hervor:<br />

- Zentralisierung der örtli<strong>ch</strong>en Organisationen im Rahmen der SĖSS;<br />

- Bekämpfung der Fraktionsbildung innerhalb der SĖSS;<br />

- Erri<strong>ch</strong>tung von Kontakten mit ausländis<strong>ch</strong>en Esperanto-Organisationen. 23<br />

Es ist ni<strong>ch</strong>t zu übersehen, dass Drezen aus der SĖSS eine Organisation s<strong>ch</strong>mieden wollte, die<br />

ideell und struktruell mit derjenigen der Partei der Bols<strong>ch</strong>ewiken identis<strong>ch</strong> sein und si<strong>ch</strong> von der „bürgerli<strong>ch</strong>en“<br />

Esperanto-Bewegung abgrenzen sollte. Zentralisierung bedeutete au<strong>ch</strong>, dass die übrigen<br />

Esperanto-Vereinigungen in der Sowjetunion der SĖSS anges<strong>ch</strong>lossen werden mussten, wollten sie<br />

von den Behörden anerkannt werden können.<br />

Trotz dieses Gründungserfolgs hatte die Esperanto-Bewegung mit äusserst s<strong>ch</strong>wierigen Rahmenbedingungen<br />

zu kämpfen, die die komplexe politis<strong>ch</strong>e und militäris<strong>ch</strong>e Lage des Landes mit si<strong>ch</strong><br />

bra<strong>ch</strong>te. Zu nennen sind ausser des Bürgerkriegs au<strong>ch</strong> der politis<strong>ch</strong>e Terror, die Deportationen ganzer<br />

Bevölkerungsgruppen, die Hungersnot, innere Unruhen, Wirts<strong>ch</strong>afts<strong>ch</strong>aos (1921 wurde die Neue<br />

Ökonomis<strong>ch</strong>e Politik dur<strong>ch</strong>gesetzt), Seu<strong>ch</strong>en usw. usf. Den Werktätigen sollte Esperanto ni<strong>ch</strong>t zum<br />

Selbstzweck, sondern mit der Absi<strong>ch</strong>t beigebra<strong>ch</strong>t werden, dass diese mit der Hilfe dieser Spra<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong><br />

für die Propaganda des Sozialismus und für die Errungens<strong>ch</strong>aften der Revolution einsetzten. Ausgegeben<br />

wurde daher ni<strong>ch</strong>t die Losung „Arbeit für Esperanto“, sondern „Arbeit mittels Esperanto“. Das<br />

grosse Problem dabei war, dass die Arbeiters<strong>ch</strong>aft für die SĖSS aber nur s<strong>ch</strong>wer zu gewinnen war. Die<br />

besten Persönli<strong>ch</strong>keiten der sowjetis<strong>ch</strong>en Esperanto-Bewegung, allen voran Drezen, Devjatnin, Nekrasov,<br />

Varankin und Sa<strong>ch</strong>arov, sollten si<strong>ch</strong> für diese Herausforderung s<strong>ch</strong>lagkräftig zur Verfügung<br />

stellen. Vor allem Drezen mit seiner berufli<strong>ch</strong>en Nähe zu den Behörden erwies si<strong>ch</strong> als auserkoren, die<br />

federführende Rolle zu spielen.<br />

S<strong>ch</strong>wierige Zusammenarbeit mit den westli<strong>ch</strong>en Linken<br />

Als <strong>An</strong>fang der 1920er Jahre in Frankrei<strong>ch</strong> ein gewisser Eugène Adam, genannt Lanti, die<br />

Szene der Esperanto-Bewegung betrat, 24 1921 mit anderen Gesinnungsgenossen während des 13. Esperanto-Weltkongresses<br />

in Prag die Sennacieca Asocio Tutmonda (SAT), die Organisation der <strong>An</strong>ationalen<br />

(oder Nationslosen) Esperantisten gründete 25 und begann, die Zeits<strong>ch</strong>rift Sennaciulo (Der <strong>An</strong>ationale<br />

bzw. Der Nationsloser) herauszugeben, wurde ein neues Kapitel in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der internationalen<br />

Esperanto-Bewegung aufges<strong>ch</strong>lagen, das au<strong>ch</strong> die Interessen der Sowjetunion tangierte. Praktis<strong>ch</strong><br />

begriff si<strong>ch</strong> diese neue Organisation als ni<strong>ch</strong>tneutraler Verband der werktätigen und linken Esperantisten,<br />

erri<strong>ch</strong>tet sozusagen als Alternative (oder Ergänzung) zum neutralen Esperanto-Weltbund<br />

(UEA), der 1908 in Genf von Hector Hodler und seinen Freunden gegründet wurde. 26 Die Losung der<br />

22<br />

Russ. Sojuz Ėsperantistov Sovetski<strong>ch</strong> Stran (SĖSS); Esperanto: Sovetlanda Esperantista Unio (SEU). Die Vereinigung<br />

erhielt die Bezei<strong>ch</strong>nung ‚Sowjetländer’, weil bis zur Gründung der Union der Sowjetis<strong>ch</strong>en Sozialistis<strong>ch</strong>en Sowjetrepubliken<br />

(UdSSR) am 30. Oktober 1922 der neue Staat aus den folgenden integralen Entitäten bestand: Russland (RSFSR) mit 27<br />

Gouvernements sowie den Einheiten Leningrad, Ural, Sibirien, Ferner Osten und Nordkaukasus sowie aus 16 Autonomen<br />

Republiken und Kreisen, ferner aus der Ukraine (USSR), aus Weissrussland (BSSR) und der Transkaukasis<strong>ch</strong>en SFSR.<br />

23<br />

Krasnikov S. 18.<br />

24<br />

Eugène Adam-Lanti kam am 19. Juli 1879 im Departement Man<strong>ch</strong>e als Sohn einfa<strong>ch</strong>er Landwirte zur Welt. Zunä<strong>ch</strong>st<br />

betätigte er si<strong>ch</strong> als Bauer, Tis<strong>ch</strong>ler, S<strong>ch</strong>reiner und Möbeldesigner. Esperanto lernte er zu Beginn des Ersten Weltkriegs an<br />

der Front, wo er als Sanitäter abkommandiert war. Na<strong>ch</strong> seinem Militärdienst widmete er si<strong>ch</strong> der <strong>Planspra<strong>ch</strong>en</strong>-Bewegung,<br />

s<strong>ch</strong>wankte aber no<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Esperanto und Ido, einer Reformplanspra<strong>ch</strong>e, die damals eine gewisse Verbreitung erlangt<br />

hatte. Eine ausführli<strong>ch</strong>e Biographie Lantis auf Esperanto s<strong>ch</strong>rieb Ed Borsboom: Vivo de Lanti. SAT Paris 1976. Lanti (eigtl.<br />

L’anti) erhielt diesen Namen wegen seiner ständigen Opposition in politis<strong>ch</strong>en Zusammenkünften.<br />

25<br />

Sein ‘Manifesto de la Sennaciistoj’ publizierte Lanti 1931 (Dokumente auf Esperanto dazu s. unter<br />

http://eo.wikipedia.org/wiki/Manifesto_de_la_Sennaciistoj.<br />

26<br />

Hector Hodler war der Sohn des S<strong>ch</strong>weizer Malers Ferdinand Hodler. Sein Mitarbeiter René de Saussure war der Bruder<br />

des Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftlers Ferdinand de Saussure.

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