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in der Türkei und s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Georgien. 218 Dort meldete er si<strong>ch</strong> gemäss NKVD-Akten zum<br />
Dienst in der sogenannten Astra<strong>ch</strong>aner Armee der Weissen und fuhr so na<strong>ch</strong> Novorossijsk, von wo aus<br />
er si<strong>ch</strong> an den Standort dieser Armee hätte begeben sollen. Stattdessen ging er na<strong>ch</strong> Gelendžik (zu<br />
seinen Verwandten, wie es heisst). Dort arbeitete er bis <strong>An</strong>fang 1919 in der Lebensmittelverwaltung,<br />
kehrte aber na<strong>ch</strong> Novorossisjk zurück, wo er bis März 1920 für die glei<strong>ch</strong>e Behörde tätig war (damals<br />
wurde die Stadt von der Roten Armee eingenommen). Seit 1921 lebte er in Moskau. Während er im<br />
Krieg no<strong>ch</strong> meistens in russis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e oft Gedi<strong>ch</strong>te s<strong>ch</strong>rieb, verstummte er von 1922 bis 1938. Zu<br />
Beginn dieser Periode heiratete er und es wurde ihm eine To<strong>ch</strong>ter (Galina) geboren. Am 10. März<br />
1938 wurde er vom NKVD des Moskauer Gebiets verhaftet. Deškin wurde vom NKVD vorgeworfen,<br />
<strong>An</strong>fang 1920 in Novorossijsk von einem (unbekannten, Prot.) Oberst der Weissen Armee für<br />
Spionagearbeit angeworben zu sein, und etwas später sei er einem Offizier der englis<strong>ch</strong>en Armee<br />
vorgestellt worden, von dem er den Auftrag erhalten haben soll, na<strong>ch</strong> der „Befreiung“ Novorossijsks<br />
dur<strong>ch</strong> die Rote Armee si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Moskau dur<strong>ch</strong>zus<strong>ch</strong>lagen und mit Drezen Kontakt aufzunehmen, um<br />
von ihm <strong>An</strong>weisungen für die weitere Spionagetätigkeit zu erhalten. In der Folge habe Deškin von<br />
1921 bis 1937 mit Drezen eine verbre<strong>ch</strong>eris<strong>ch</strong>e Verbindung unterhalten, um ihn mit Spionageauskünften<br />
zu versorgen, wofür er von ihm eine Geldentlohnung erhalten habe. Konkret habe er in den Jahren<br />
1931-32 als Warenleiter bei dem Unternehmen Sojuz<strong>ch</strong>lopkosyr Drezen Kopien mit <strong>An</strong>gaben über die<br />
Versorgung der Textilfabriken mit Baumwolle übergeben, und 1933 über die Versorgung der Mossnabosovia<strong>ch</strong>im.<br />
Für diesen Dienst habe er etwa fünfmal ein Honorar in der Höhe von 200 bis 500 Rubel<br />
erhalten. Deškin sei bekannt gewesen, dass Drezen eine Spionageorganisation gegründet habe, die<br />
zugunsten der deuts<strong>ch</strong>en Aufklärung gearbeitet habe. Ausserdem habe er „besonders gehütete Staatsgeheimnisse“<br />
an die englis<strong>ch</strong>e Aufklärung weitergeleitet. Usw. Die Verhöre nahmen kein Ende, sondern<br />
wurden im Gegenteil immer absurder. Beim Verhör vom 22. März 1938 soll Deškin ausgesagt<br />
haben, dass ihm von Drezen her bekannt gewesen sei, dass si<strong>ch</strong> seine Organisation auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit<br />
Spionage zugunsten Deuts<strong>ch</strong>lands befasst habe, dass Deškin aber davon ni<strong>ch</strong>ts gewusst habe, dass er<br />
und Drezen mit der englis<strong>ch</strong>en Aufklärung in Verbindung gestanden habe und dass Drezen ihn darüber<br />
aufgeklärt habe, dass es eine geheime Verbindung zwis<strong>ch</strong>en den Mitgliedern der fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>en<br />
Esperanto-Organisation (d.h. SAT) und der englis<strong>ch</strong>en Aufklärung gegeben habe. Als Mitglieder dieser<br />
„fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>en“ Organisation zählte Deškin laut NKVD-Akten Nekrasov, Gurov, Incertov, Demidjuk,<br />
Poljakov, Varankin, Lavrent’ev, Lojan, Žavoronkov und Gavriov auf. Zu seiner Verteidigung<br />
sagte Deškin aus, dass er mit Drezen nur als mit jemandem bekannt geworden sei, der die SĖSR gründete.<br />
Deškin habe aber seinen Eintritt in die Astra<strong>ch</strong>aner Armee der Weissen im Jahr 1918 ni<strong>ch</strong>t bestritten.<br />
Selbst Deškins <strong>Frau</strong>, M.F. Jakovleva, wurde befragt, die aber ni<strong>ch</strong>ts Kompromittierendes in<br />
Bezug auf ihren Mann mitgeteilt habe, ausser dass er si<strong>ch</strong> mit der Spra<strong>ch</strong>e Esperanto befasst, einen<br />
Briefwe<strong>ch</strong>sel mit ausländis<strong>ch</strong>en Korrespondenten unterhalten und Zeits<strong>ch</strong>riften aus dem Ausland erhalten<br />
habe.<br />
Beim Verhör vom 15. Februar 1938 wiederrief Deškin seine früheren Aussagen über Spionagetätigkeit<br />
und <strong>An</strong>gehörigkeit zu einer a/s Organisation. Ferner gab er zu Protokoll, dass er nie Mitglied<br />
der SAT gewesen sei. Am 7. Juli 1938 wurde Deškin von Gavrilov, der mit Demidjuk konfrontiert<br />
wurde, s<strong>ch</strong>wer belastet: Gavrilov zeigte si<strong>ch</strong> „überzeugt“, dass Deškin au<strong>ch</strong> Teilnehmer einer<br />
konterreovutionären Spionageorganisation in den Reihen der Esperantisten gewesen war. Ihm sei bekannt,<br />
dass Deškin Korrespondenz mit Polen unterhielt, dorthin Literatur s<strong>ch</strong>ickte und dafür Devisen<br />
erhielt. Von seiner politis<strong>ch</strong>en Überzeugung her sei Deškin ein „a/s Mens<strong>ch</strong>“. 219 Dies soll Demidjuk<br />
laut NKVD-Akte am 15. März 1939 bestätigt haben, obwohl Deškin am 17. März 1939 dem Protokoll<br />
beifügte, dass er in all den Jahren, in denen er in der UdSSR lebte, niemals und unter keinen Umständen<br />
Spionage oder eine k/r Aktivität ausgeübt habe. Deškin wartete auf sein Urteil im Taganka-<br />
Gefängnis. Per Bes<strong>ch</strong>luss des NKVD der UdSSR vom 23. April 1939 wurde Deškin zu ‚ledigli<strong>ch</strong>’ 8<br />
Jahren Lagerhaft (ITL) verurteilt, rückwirkend auf den 10.2.1938. In den Akten hiess es, dass Deškin<br />
in den Jahren 1952-54 eine Revision seines Prozesses angestrebt habe, dass er seine Uns<strong>ch</strong>uld beteuert<br />
218<br />
V. Tokarev: Georgo Deškin: In: Impeto 91, S. 151.<br />
219<br />
Liest man den Eintrag über Deškin in der Enciklopedio de Esperanto 1933, S. 107, s<strong>ch</strong>eint er in der Tat eine reservierte<br />
Haltung gegenüber der Oktoberrevolution an den Tag gelegt zu haben.