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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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24<br />

de explizit als weniger wi<strong>ch</strong>tig als die Klassenverhältnisse betra<strong>ch</strong>tet. Die grundlegenden Verhältnisse<br />

der Gesells<strong>ch</strong>aft, die ökonmis<strong>ch</strong>en, bezei<strong>ch</strong>nete Marx bekanntli<strong>ch</strong> als die „Basis“. Da die Spra<strong>ch</strong>e in<br />

ihr jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t enthalten war, s<strong>ch</strong>eint dies zu bedeuten, dass Marx die Spra<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t für wesentli<strong>ch</strong>er<br />

als andere soziale Beziehungen gehalten haben muss. In den diesbezügli<strong>ch</strong>en eins<strong>ch</strong>lägigen Marx-<br />

Texten ist der Begriff der Spra<strong>ch</strong>e der grosse Abwesende. Die krampfhafte Aufgabe, die Spra<strong>ch</strong>e innerhalb<br />

des Basis-Überbau-S<strong>ch</strong>emas (ri<strong>ch</strong>tig) zu verorten, wurde den Theoretikern na<strong>ch</strong> Marx überlassen.<br />

Immerhin betra<strong>ch</strong>teten Marx/Engels in der „Deuts<strong>ch</strong>en Ideologie“ die Spra<strong>ch</strong>e als „die unmittelbare<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit des Gedankens“ und dass „die Ideen ni<strong>ch</strong>t getrennt von der Spra<strong>ch</strong>e existieren“. Die<br />

hier zitierten Stellen weisen darauf hin, dass Marx und Engels der Spra<strong>ch</strong>e als Medium des Denkens<br />

zweifellos eine herausragende Funktion und Bedeutung zuges<strong>ch</strong>rieben haben, obwohl sie ni<strong>ch</strong>t behaupteten,<br />

dass die Formen des Denkens ohne Spra<strong>ch</strong>e ganz unmögli<strong>ch</strong> wären. Erckenbre<strong>ch</strong>t zog aus<br />

den vorhandenen – und ni<strong>ch</strong>t vorhandenen – Aussagen von Marx und Engels die S<strong>ch</strong>lussfolgerung,<br />

dass „der wesentli<strong>ch</strong>e <strong>An</strong>satzpunkt für die Tätigkeit des Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>tspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ist – was eine<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Vermittlung ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>liesst.“<br />

Da si<strong>ch</strong> Marx und Engels au<strong>ch</strong> mit dem Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e und Klassenverhältnisse<br />

befassten, gelangten sie in der „Deuts<strong>ch</strong>en Ideologie“ zur Auffassung, dass „Spra<strong>ch</strong>e selbst<br />

ein Produkt der Bourgeoisie“ sei „und daher wie in der Wirkli<strong>ch</strong>keit, so in der Spra<strong>ch</strong>e die Verhältnisse<br />

des S<strong>ch</strong>a<strong>ch</strong>ers zur Grundlage aller anderen gema<strong>ch</strong>t worden“ seien. Von der Grammatik nahm<br />

Marx jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an, dass sie weltans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>e oder klassenbedingte Spuren trage, oder wie er si<strong>ch</strong><br />

selbst ausdrückte, dass „die grammatis<strong>ch</strong>en Regeln (…) si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verändern, glei<strong>ch</strong>, ob sie von einem<br />

religiösen Tory oder einem Freidenker erklärt werden.“ In anderen Kontexten existieren no<strong>ch</strong> weitere<br />

Marx-Engels-Zitate zur Spra<strong>ch</strong>enfrage, aber es würde zu weit führen, sie an dieser Stelle näher zu<br />

bes<strong>ch</strong>reiben. Eine gewisse Relevanz für unseren Kontext hatten viellei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> einige Äusserungen<br />

von Marx und Engels zur Spra<strong>ch</strong>enfrage im Zusammenhang mit Nation und Nationalität (s. Wur<strong>ch</strong>e,<br />

S. 44-49). Da erst na<strong>ch</strong> der sozialialistis<strong>ch</strong>en Revolution, wenn der Kapitalismus umgeworfen und alle<br />

gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Verhältnisse neu geregelt sein würden, wie es in der „Deuts<strong>ch</strong>en Ideologie“ heisst,<br />

werde letzteres au<strong>ch</strong> mit der Spra<strong>ch</strong>e ges<strong>ch</strong>ehen. 82 Bei diesem Punkt lässt si<strong>ch</strong> das Thema wieder an<br />

die <strong>Planspra<strong>ch</strong>en</strong>frage anknüpfen.<br />

Spra<strong>ch</strong>e bei Lenin<br />

Der Begriff der Spra<strong>ch</strong>e wird im Werk Vladimir I. Lenin (1870-1924) etwa fünfzigmal erwähnt.<br />

Die Erwähnung dieses Wortes bezieht si<strong>ch</strong> vor allem auf einige philosophis<strong>ch</strong>e Aspekte von<br />

Spra<strong>ch</strong>e, auf die Frage der Glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigung der Völker, der Spra<strong>ch</strong>enfrage im Russis<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong><br />

(z.B. Polen und Kaukasus) und auf die Rolle der russis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e beim Zusammenhalt der Völker<br />

der Sowjetunion. 83 Lenins banaler, aber berühmt gewordener Satz, dass „die Spra<strong>ch</strong>e das wi<strong>ch</strong>tigste<br />

Mittel der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Kommunikation“ sei, 84 mussten alle Sowjets<strong>ch</strong>üler auswendig lernen.<br />

In den ehemals sozialistis<strong>ch</strong>en Ländern des Ostblocks wurde fieberhaft na<strong>ch</strong> Zitaten von marxistis<strong>ch</strong>-leninistis<strong>ch</strong>en<br />

Klassikern gesu<strong>ch</strong>t, die die Idee der <strong>Planspra<strong>ch</strong>en</strong> im Allgemeinen und das Esperanto<br />

im Besondern kommentieren oder sogar unterstützen könnten. Eine dokumentable positive<br />

Eins<strong>ch</strong>ätzung der <strong>Planspra<strong>ch</strong>en</strong> oder des Esperanto dur<strong>ch</strong> Lenin hätte den sowjetis<strong>ch</strong>en Interlinguisten<br />

und Esperantisten bei ihrer Tätigkeit mitunter geholfen. So entbrannte in der Esperanto-Bewegung des<br />

Ostblocks eine Diskussion darüber, ob Lenin ein <strong>An</strong>hänger oder ein Gegner des Esperanto gewesen<br />

sei. Diese Erörterung erlangte aus <strong>An</strong>lass seines 100. Geburtstages um das Jahr 1970 neue Brisanz.<br />

82<br />

Ausführli<strong>ch</strong> bei: J. Wur<strong>ch</strong>e, der die eins<strong>ch</strong>lägigen Zitate aus den MEW zusammengestellt und kommentiert hat: Marx und<br />

Engels in der DDR-Linguistik. Zur Herausbildung einer „marxistis<strong>ch</strong>-leninistis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>theorie“. Frankfurt/M. 1999. S.<br />

13-29. Weiterführend zur marxistis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>theorie s. U. Erckenbre<strong>ch</strong>t: Marx’ Materialistis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>theorie. Kronberg/Ts.<br />

1973.<br />

83<br />

V.I. Tokarev: Lenin pri lingvoj. In: Paco (DDR-Ausgabe 1986, S. 28). Über die russis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e und die Staatsspra<strong>ch</strong>e<br />

bei Lenin s. http://www.marxists.org/deuts<strong>ch</strong>/ar<strong>ch</strong>iv/lenin/1914/01/spra<strong>ch</strong>e.htm.<br />

84<br />

S. Lenin, Werke, Bd. XVII, S. 428.

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