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die „Konterbande der bürgerli<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft eins<strong>ch</strong>muggeln und einges<strong>ch</strong>muggeltes indogermanistis<strong>ch</strong>es<br />
‚Gut’ maskieren“. Hinter all dem Glanz der ‚revolutionären‘ Phrasen werde also das<br />
„reaktionäre Gesi<strong>ch</strong>t einer verbrämten Indogermanistik si<strong>ch</strong>tbar“. Ausserdem seien Gruppierungen<br />
wie die ‚Jazykfront’ „weit davon entfernt“, befähigt zu sein, ihre Resolutionen in die Praxis umzusetzen,<br />
um tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> eine marxistis<strong>ch</strong>-leninistis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft aufzubauen. Ihre Deklarationen,<br />
ihre Thematik usw. dienten eigentli<strong>ch</strong> nur dazu, „reaktionäre indogermanis<strong>ch</strong>e ‚Ideen‘ zu vers<strong>ch</strong>leiern“.<br />
Zwis<strong>ch</strong>en den Taten und den verbalen Beteuerungen der ‚Jazykfront’ läge eine tiefe Kluft. <strong>An</strong>gegriffen<br />
wurde au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>ule Baudouin de Courtenays. Die ‚Jazykfront’-Leute hätten si<strong>ch</strong> um keinen<br />
Deut von den Indogermanisten und insbesondere vom „Baudouinianertum“ entfernt, dessen methodologis<strong>ch</strong>es<br />
Wesen im subjektiven Idealismus steckengeblieben sei. Die Bewertung linguistis<strong>ch</strong>er<br />
Fakten dur<strong>ch</strong> die ‚Jazykfront’-Leute sei auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> „subjektiv-idealistis<strong>ch</strong>“. Danilov wurden<br />
„klassenfeindli<strong>ch</strong>e“ „subjektiv-idealistis<strong>ch</strong>e Phantasmagorien“ unterstellt, Loja wurde als Zyniker<br />
bezei<strong>ch</strong>net. Sein Problem bestand gemäss Filin darin, in seinen Äusserungen den russis<strong>ch</strong>en <strong>An</strong>hängern<br />
der ‚junggrammatis<strong>ch</strong>en’ S<strong>ch</strong>ule (besonders A.I. Thomson) nahezustehen. Bei der Behandlung<br />
der Spra<strong>ch</strong>e als sozialer Ers<strong>ch</strong>einung verweise er s<strong>ch</strong>amlos auf die ‚Soziologisten’ Meillet und F. de<br />
Saussure. In der ‚Jazykfront’ vermis<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> „auf sonderbare Weise ein vulgärer Me<strong>ch</strong>anismus mit der<br />
subjektiv-idealistis<strong>ch</strong>en Auffassung von Spra<strong>ch</strong>e“. Der ‚Jazykfront’-„Mann“ M. Gus s<strong>ch</strong>leppe sogar<br />
„ganz zynis<strong>ch</strong>“ die „Konterbande des Trockismus und die Prinzipien der bürgerli<strong>ch</strong>en Zeitungswissens<strong>ch</strong>aft<br />
ein“ und „verleumde somit die Arbeiterklasse und die Partei“. Na<strong>ch</strong>dem Filin si<strong>ch</strong> ausgiebig<br />
mit den S<strong>ch</strong>riften Danilovs, Alaverdovs und Lojas befasst hatte und ihnen „gröbste me<strong>ch</strong>anistis<strong>ch</strong>e<br />
Fehler“, die „Kanonisierung der bürgerli<strong>ch</strong>en Ideologie in der proletaris<strong>ch</strong>en Kultur“, „verleumderis<strong>ch</strong>e<br />
Verzerrung des Marxismus-Leninismus“, Verleumdung Lenins selbst, den „k/r Versu<strong>ch</strong>, die<br />
Klassiker des Marxismus-Leninismus in eine Reihe mit den Bürgerli<strong>ch</strong>en zu stellen“, unterstellt hatte<br />
und sie ausserdem des „Grossma<strong>ch</strong>t<strong>ch</strong>auvinismus“ und des Versu<strong>ch</strong>es bezi<strong>ch</strong>tigte, „auf jede Weise<br />
unsere Partei von der Arbeiterklasse ‚trennen’“ zu wollen, warf er au<strong>ch</strong> anderen Mitgliedern der<br />
‚Jazykfront’ „subjektiven Idealismus vor“ und begann, Ė.K. Drezen, den er als „gemeinen <strong>An</strong>hänger“<br />
der ‚Jazykfront’ bezei<strong>ch</strong>nete, anzugreifen. Filin zitierte Stellen aus dem 1928 ers<strong>ch</strong>ienenen Bu<strong>ch</strong> ‚Za<br />
vseobščim jazykom’, um ihm vorwerfen zu können, ein ungebildeter Indogermanist zu sein (was er ja<br />
wohl au<strong>ch</strong> war, AK) und aus dem allers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>testen indogermanistis<strong>ch</strong>en Lehrbu<strong>ch</strong> abges<strong>ch</strong>rieben zu<br />
haben. Na<strong>ch</strong>dem Filin der ‚Jazykfront’ au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> zur Last gelegt hatte, ausser zu den Re<strong>ch</strong>tsabwei<strong>ch</strong>lern<br />
au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> zu den Linksabwei<strong>ch</strong>lern zu gehören, hatte er alle mögli<strong>ch</strong>en politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>en<br />
Register zur Zerstörung des Gegners gezogen. Gegen Ende seines Artikels holte er zum Aufruf aus,<br />
die ‚Jazykfront’ als einen Feind der marxistis<strong>ch</strong>-leninistis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft zu betra<strong>ch</strong>ten und<br />
sie als „Konterbande der bürgerli<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft“ „vollkommen“ zu „liquidieren“. Gegen die<br />
‚Jazykfront’ als „Banner der si<strong>ch</strong> maskierenden Reaktion der Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft“ müssten die marxistis<strong>ch</strong>en<br />
Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftler und au<strong>ch</strong> die breite proletaris<strong>ch</strong>e Öffentli<strong>ch</strong>keit einen ents<strong>ch</strong>lossenen<br />
Kampf führen, sie gnadenlos blossstellen sowohl im theoretis<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong> als au<strong>ch</strong> in der Spra<strong>ch</strong>politik.<br />
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Gierke/Ja<strong>ch</strong>now 1975, S. 24-43. Russis<strong>ch</strong>: http://www2.unil.<strong>ch</strong>/slav/ling/textes/Filin32a.html. S. au<strong>ch</strong>:<br />
http://www2.unil.<strong>ch</strong>/slav/ling/textes/Filin32.html. Obwohl Filin wie viele andere Autoren si<strong>ch</strong> in den 1930-40er Jahre als<br />
Na<strong>ch</strong>folger Marrs bezei<strong>ch</strong>neten, bes<strong>ch</strong>ränkten sie ihre Loyalität zur ‚Neuen Lehre’ auf Vorworte in wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Publikationen,<br />
folgten jedo<strong>ch</strong> im allgemeinen den Gepflogenheiten der traditionellen Slavistik und verwiesen sogar auf Marr-<br />
Opponenten wie Durnovo oder Il’inskij, die vor Kurzem ers<strong>ch</strong>ossen worden waren. Den ganzen Krieg verbra<strong>ch</strong>te Filin in der<br />
Sowjetarmee. 1947 verteidigte er seine Dissertation über die Lexik der russis<strong>ch</strong>en Literaturspra<strong>ch</strong>e in der Altkiever Periode.<br />
Später wurde herausgefunden, dass Filin fremde Ideen als eigene verkaufte, ohne ihre Quellen zu kennzei<strong>ch</strong>nen, dasser also<br />
Plagiate erstellt hat. Im Zuge der Kosmopolitismus-Kampagne des Jahres 1948 setzte Filin zu einer neuen Entehrung der<br />
Opponenten des Marrismus an, von der au<strong>ch</strong> <strong>An</strong>hänger der ‚Neuen Lehre’ wie I.I. Meščaninov und N.F. Jakovlev ni<strong>ch</strong>t<br />
si<strong>ch</strong>er sein konnten und si<strong>ch</strong> sogar gezwungen sahen, si<strong>ch</strong> selbst der Filin-Kampagne anzus<strong>ch</strong>liessen. Die Zers<strong>ch</strong>lagung des<br />
Marrismus dur<strong>ch</strong> Stalin in der Pravda im Jahr 1950 liess die Filin-Kampagne hinfällig werden, so dass Filin si<strong>ch</strong> genötigt<br />
sah, im Rahmen des damals normalen Rituals, seine „Fehler zu bekennen“ und zu „bereuen“. Eine Zeit lang war es sogar<br />
verboten, si<strong>ch</strong> auf Filin zu beziehen.<br />
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Online s. http://www2.unil.<strong>ch</strong>/slav/ling/textes/Filin32.html.