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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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Ofen zu sitzen und aus dem Kaffeesatz über die berü<strong>ch</strong>tigten vier Elemente zu orakeln. N. Ja. Marr<br />

verunglimpfte ho<strong>ch</strong>mütig jeden Versu<strong>ch</strong>, die Gruppen (Familien) von Spra<strong>ch</strong>en als eine Ers<strong>ch</strong>einungsform<br />

der Theorie von der „Urspra<strong>ch</strong>e“ zu erfors<strong>ch</strong>en. Es lässt si<strong>ch</strong> indessen ni<strong>ch</strong>t leugnen, dass die<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Verwandts<strong>ch</strong>aft sol<strong>ch</strong>er Nationen, wie zum Beispiel der slawis<strong>ch</strong>en, keinem Zweifel unterliegt,<br />

dass die Erfors<strong>ch</strong>ung der spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Verwandts<strong>ch</strong>aft dieser Nationen der Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft<br />

bei der Erfors<strong>ch</strong>ung der Entwicklungsgesetze der Spra<strong>ch</strong>e grossen Nutzen bringen könnte. I<strong>ch</strong><br />

spre<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>on gar ni<strong>ch</strong>t davon, dass die Theorie der „Urspra<strong>ch</strong>e“ damit ni<strong>ch</strong>ts zu tun hat.<br />

Hört man N. Ja. Marr, besonders aber seine „S<strong>ch</strong>üler“, so könnte man meinen, vor N. J. Marr<br />

habe es überhaupt keine Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft gegeben, die Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft habe erst mit dem Aufkommen<br />

der „neuen Lehre“ N. Ja. Marrs begonnen. Marx und Engels waren viel bes<strong>ch</strong>eidener: sie<br />

waren der <strong>An</strong>si<strong>ch</strong>t, dass ihr dialektis<strong>ch</strong>er Materialismus ein Produkt der Entwicklung der Wissens<strong>ch</strong>aften,<br />

darunter der Philosophie, in der vorhergegangenen Periode ist.<br />

Somit hat die Diskussion der Sa<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> in der Hinsi<strong>ch</strong>t gedient, als sie die ideologis<strong>ch</strong>en<br />

Mängel in der sowjetis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft aufgedeckt hat.<br />

I<strong>ch</strong> glaube, je s<strong>ch</strong>neller si<strong>ch</strong> unsere Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft von den Fehlern N. Ja. Marrs befreit,<br />

desto s<strong>ch</strong>neller kann man sie aus der Krise, die sie heute dur<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>t, herausführen. Die Beseitigung<br />

des Arakts<strong>ch</strong>ejew-Regimes in der Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft, die Abkehr von den Fehlern N. Ja. Marrs, die<br />

Verankerung des Marxismus in der Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft – das ist meiner <strong>An</strong>si<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> der Weg, auf<br />

dem man die sowjetis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft zur Gesundung bringen könnte.“<br />

Na<strong>ch</strong> der Veröffentli<strong>ch</strong>ung des Pravda-Artikels Stalins folgten no<strong>ch</strong> einige Leserbriefe, die<br />

die Bedeutung des Beitrags auss<strong>ch</strong>mücken sollten. So wurde etwa auf die Frage eines gewissen A.<br />

Cholopov zum Thema der zukünftigen gemeinsamen Spra<strong>ch</strong>e im Zusammenhang mit der Kreuzung<br />

von Spra<strong>ch</strong>en und der Entstehung neuer Spra<strong>ch</strong>en die folgende offizielle <strong>An</strong>twort hinzugefügt:<br />

„Genosse Cholopov beruft si<strong>ch</strong> auf das Werk Stalins ‚Über den Marxismus in der Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft’,<br />

wo die S<strong>ch</strong>lussfolgerung gezogen wird, dass infolge der Kreuzung von, sagen wir, zwei<br />

Spra<strong>ch</strong>en, die eine der Spra<strong>ch</strong>en gewöhnli<strong>ch</strong> als Sieger hervorgeht, während die andere abstirbt, dass<br />

folgli<strong>ch</strong> die Kreuzung ni<strong>ch</strong>t irgendeine neue, dritte Spra<strong>ch</strong>e ergibt, sondern eine der Spra<strong>ch</strong>en bestehen<br />

lässt. Ferner beruft er si<strong>ch</strong> auf eine andere S<strong>ch</strong>lussfolgerung, die dem Referat Stalins auf dem XVI.<br />

Parteitag der KPdSU(B) entnommen ist, wo es heisst, dass in der Periode des Sieges des Sozialismus<br />

im Weltmassstab, wenn der Sozialismus erstarkt ist und in das Alltagsleben eingeht, die Nationalspra<strong>ch</strong>en<br />

unvermeidli<strong>ch</strong> zu einer einzigen gemeinsamen Spra<strong>ch</strong>e vers<strong>ch</strong>melzen müssen, die natürli<strong>ch</strong> weder<br />

die grossrussis<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> die deuts<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e, sondern irgendetwas Neues sein wird. Genosse<br />

Cholopov, der diese beiden Formeln verglei<strong>ch</strong>t und sieht, dass sie ni<strong>ch</strong>t nur ni<strong>ch</strong>t miteinander übereinstimmen,<br />

sondern einander auss<strong>ch</strong>liessen, gerät in Verzweiflung. ‚Aus Ihrem Artikel’, s<strong>ch</strong>reibt er in<br />

dem Brief, ‚habe i<strong>ch</strong> entnommen, dass si<strong>ch</strong> aus der Kreuzung von Spra<strong>ch</strong>en niemals irgendeine neue<br />

Spra<strong>ch</strong>e ergeben kann, aber vor dem Artikel war i<strong>ch</strong> auf Grund Ihrer Rede auf dem XVI. Parteitag der<br />

KPdSU(B) fest davon überzeugt, dass im Kommunismus die Spra<strong>ch</strong>en zu einer gemeinsamen Spra<strong>ch</strong>e<br />

vers<strong>ch</strong>melzen werden.’<br />

Es ist augens<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass Genosse Cholopov, der einen Widerspru<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en diesen beiden<br />

Formeln entdeckt hat und zutiefst davon überzeugt ist, dass der Widerspru<strong>ch</strong> beseitigt werden<br />

muss, es für notwendig hält, si<strong>ch</strong> einer dieser Formeln als fals<strong>ch</strong> zu entledigen und si<strong>ch</strong> an die andere<br />

Formel als die für alle Zeiten und Länder ri<strong>ch</strong>tige zu klammern; aber an wel<strong>ch</strong>e Formel er si<strong>ch</strong> eigentli<strong>ch</strong><br />

klammern soll, weiss er ni<strong>ch</strong>t. Es ergibt si<strong>ch</strong> so etwas wie eine ausweglose Lage. Genosse Cholopov<br />

kommt gar ni<strong>ch</strong>t auf den Gedanken, dass beide Formeln ri<strong>ch</strong>tig sein können, jede für ihre Zeit.

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