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An Frau Prof - Plansprachen.ch

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unfähig zur Heu<strong>ch</strong>elei oder Manipulation gewesen, um in politis<strong>ch</strong>e Kämpfe verstrickt zu werden.<br />

Seine einzige S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e sei sein Enthusiasmus, sein grosses Vertrauen gewesen.<br />

Der Fall Kuz’mič<br />

Ein besonders krasser Fall der Perfidie s<strong>ch</strong>eint bei Vladimir Savvič Kuz’mič (1904-43) vorzuliegen.<br />

Bei Kuz’mič handelte es si<strong>ch</strong> um einen ukrainis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftsteller, der vor allem in der zweiten Hälfte<br />

der 1920er und in den 1930er Jahren Romane und Erzählungen publizierte. 241 Kuz’mič war einer der<br />

führenden Aktivisten des revolutionären Esperanto-S<strong>ch</strong>riftstellerverbands IAREV (Internacia Asocio<br />

de Revoluciaj Esperanto-Verkistoj), der 1931 auf Initiative des deuts<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftstellers Ludwig Renn<br />

(1889-1979) und des sowjetis<strong>ch</strong>en Esperanto-Di<strong>ch</strong>ters Evgenij Mi<strong>ch</strong>al’skij als Sektion der Internationalen<br />

Union Revolutionärer S<strong>ch</strong>riftsteller gegründet wurde. Na<strong>ch</strong>dem Renn, der Präsident der IAREV<br />

war, 1933 verhaftet und zu einer Zu<strong>ch</strong>thausstrafe verurteilt worden war, floh er na<strong>ch</strong> seiner Haftentlassung,<br />

um am Bürgerkrieg in Spanien teilzunehmen, wurde die IAREV von Kuz’mič als deren Präsident<br />

und Mi<strong>ch</strong>al’skij als Sekretär geleitet. Als Kuz’mič im Jahr 1936 von den Verhaftungen (au<strong>ch</strong><br />

Pjatakovs und Radeks) aufges<strong>ch</strong>reckt wurde, s<strong>ch</strong>wor er jegli<strong>ch</strong>er Esperanto-Aktivität ab und liess si<strong>ch</strong><br />

dazu hinreissen, die Esperantisten beim NKVD zu denunzieren, um seine eigene Haut zu retten. So<br />

wurden au<strong>ch</strong> die Mitglieder der IAREV von den stalinistis<strong>ch</strong>en Repressionen betroffen.<br />

Es lohnt si<strong>ch</strong>, das mehrseitige S<strong>ch</strong>reiben mit Datum vom 21. Juni 1937 (Kiev), mit dem<br />

Kuz’mič die sowjetis<strong>ch</strong>en Esperantisten denunzierte und das den NKVD-Akten zu sämtli<strong>ch</strong>en in dem<br />

Brief genannten Personen beilag, etwas näher zu betra<strong>ch</strong>ten. Kuz’mič hielt darin eingangs ironis<strong>ch</strong>erweise<br />

selbst fest, einer trockistis<strong>ch</strong>en Organisation der Esperantisten angehört zu haben. Es lohnt si<strong>ch</strong>,<br />

einige Passagen aus diesem S<strong>ch</strong>reiben zu zitieren. Diese trockistis<strong>ch</strong>e Organisation, bestehend vor<br />

allem aus Nekrasov, Cho<strong>ch</strong>lov und Borisov in der Ukraine, habe mit der Zustimmung Drezens die<br />

IAREV als eine der legalen Kanäle für Kontakte mit einem auswärtigen trockistis<strong>ch</strong>en Zentrum und<br />

mit den im Ausland lebenden Trockisten der SAT zu k/r Zielen benutzt. Dann wurde Nekrasov als<br />

„aktiver Organisator der Kontakte mit dem auswärtigen trockistis<strong>ch</strong>en SAT-Zentrum“ denunziert, der<br />

die Übernahme der Zeits<strong>ch</strong>rift La nova epoko ins Ausland dur<strong>ch</strong>gesetzt habe. 242 Bei einem Gesprä<strong>ch</strong><br />

habe Drezen ihm Ende 1934 gesagt, er solle bei der <strong>An</strong>werbung für IAREV besonders auf die SAT-<br />

Mitglieder, aber au<strong>ch</strong> auf die bourgeoisen Teilnehmer der Esperanto-Bewegung, die <strong>An</strong>ar<strong>ch</strong>isten, die<br />

Sozial-Demokraten und die katholis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftsteller a<strong>ch</strong>ten. Ferner wurden die Zeits<strong>ch</strong>riften Sennacieca<br />

Revuo und die „bourgeoise“ Revue Literatura Mondo genannt, die zu beoba<strong>ch</strong>ten seien. Drezen<br />

habe empfohlen, Kontakte mit „bourgeoisen“ S<strong>ch</strong>riftstellern Ungarns, Polens, S<strong>ch</strong>wedens und der<br />

Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>oslowakei aufzunehmen; genannt wurden au<strong>ch</strong> Gyula Baghy und [Kálmán] Kalocsay, zwei<br />

ungaris<strong>ch</strong>e Esperanto-S<strong>ch</strong>rifsteller, sowie der Polen [Jean] Forge und der S<strong>ch</strong>weden [Stellan] Engholn<br />

(sic – er hiess Engholm). 243 Kalocsay wurde als „Fas<strong>ch</strong>ist“ bezei<strong>ch</strong>net, und Baghy habe einen „k/r“<br />

Roman über Kriegsgefangene in Sibirien verfasst, hiess es. 244<br />

Au<strong>ch</strong> 1935 habe in Drezens Büro des Komitees für Standardisierung ein Gesprä<strong>ch</strong> mit<br />

Kuz’mič über „die <strong>An</strong>gelegenheiten der trockistis<strong>ch</strong>en Organisation“ stattgefunden. Dabei sei<br />

Kuz’mič von Drezen gefragt worden, ob er die S<strong>ch</strong>riftsteller der SAT im Ausland habe errei<strong>ch</strong>en können.<br />

Dies habe Kuz’mič verneint, denn er sei mit literaris<strong>ch</strong>er Arbeit überlastet gewesen. Drezen sei<br />

unzufrieden gewesen, habe ihn wegges<strong>ch</strong>ickt und gesagt, dass Izgur und Mi<strong>ch</strong>al’skij besser als er ar-<br />

241<br />

Er war in der 9-bändigen ‚Kratkaja literaturnaja ėnciklopedija’ (Moskau 1962-78) und in der Enciklopedio de Esperanto<br />

von 1933, S. 309, erwähnt. Sein einziges Stück in Esperanto hiess ‚Solidareco’ (Solidarität) und war der Hilfe, die die italienis<strong>ch</strong>en<br />

Kommunisten der Oktoberrevolution in Russland zuteil kommen liessen, sowie dem Bürgerkrieg in der Ukraine<br />

gewidmet.<br />

242<br />

Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> war Folgendes gemeint: Wie bereits an anderer Stelle vermerkt, ers<strong>ch</strong>ien La nova epoko ab August 1923<br />

als Beilage der Zeits<strong>ch</strong>rift Sennacieca Revuo, die in Leipzig gedruckt wurde.<br />

243<br />

In dem Brief wurden zahlrei<strong>ch</strong>e Namen fals<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>rieben.<br />

244<br />

Der Roman, den Baghy zu diesem Thema s<strong>ch</strong>rieb, hiess ‚Viktimoj’ (Opfer) und ers<strong>ch</strong>ien 1925 und 1930 in Budapest.

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