Willkommen, Kroatien! - Österreich Journal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 121 / 02. 08. 2013<br />
Kultur<br />
110<br />
durch Farbauftrag mit der Spritzpistole großformatige<br />
Bilder anonymer Hangings. Sie<br />
machen den ironischen Schwenk des Jahres<br />
1972 zum Malen von Figuren der Werbeund<br />
Modewelt als einen Gedankenschritt<br />
begreifbar. Jedoch haben die Frauenbilder<br />
der Woman’s Lib-Periode auch wieder Bezug<br />
zur postmodernen Thematik. 1973 werden<br />
diese Werke aus Kogelniks feministischer<br />
Phase in Washington und dann in einer<br />
ersten Retrospektive in Klagenfurt ausgestellt.<br />
Ambivalenzen der großformatigen Superladys<br />
mit Werkzeugen sind spürbar;<br />
Ironie vermittelt auch die von Schlangen<br />
begleitete Superserpent (1974), die Matriarchatsdebatte<br />
zu den Urgöttinnen der Vorzeit<br />
findet auf dem Laufsteg statt. Die Wildheit<br />
dieser Modewesen ist etwa in der Serie „It<br />
Hurts“ (1974-1976) in gemäßigten Tanzschritten<br />
eingefangen. Kogelniks kritische<br />
Reflexionen auf die Langeweile der Wohlstandsgesellschaft<br />
und die schale Warenästhetik<br />
des Westens sind ironischer, als die<br />
Kritiker zu dieser Zeit begreifen. Negative<br />
Seiten weiblicher Eitelkeit notiert sie nicht<br />
ohne Stutenbissigkeit parallel in ihrem Tagebuch.<br />
Ihre eigene Position zwischen Mutter,<br />
Künstlerin, Ehefrau und Liebhaberin sieht<br />
sie problematisch. 1975 ist in The Painter als<br />
Umriss links neben ihr der 1967 geborene<br />
Sohn Mono nahezu unsichtbar geworden, sie<br />
selbst ist dominant als schattenhafte „Halbstarke“,<br />
mit Farben bekleckert wie ein Fleischer<br />
mit Blut, in der Hand einen tropfenden<br />
Pinsel statt eines Messers. Ab 1974 arbeitet<br />
sie in Wien unter Anleitung einer Freundin<br />
mit Keramik, später auch in New York und<br />
Bleiburg. Aus anfänglich experimentellen<br />
Modellen werden Horden von Köpfen und<br />
Masken, auch Installationen; Malereien zeigen<br />
nun zunehmend Erweiterungen in Form<br />
keramischer „falling-outs“.<br />
1975 nimmt die Künstlerin an Filmkursen<br />
der New York University und der New<br />
School for Social Research teil. Punk wird<br />
parallel zur Malerei und Keramik in ihrer<br />
Filmproduktion, die 1978 zur Gründung der<br />
Filmgesellschaft „Schnoodle Productions“<br />
führt, ein wichtiges Thema. Kogelnik besucht<br />
Clubs, um die neue Musik zu hören,<br />
und realisiert 1978 den Kurzfilm CBGB.<br />
Die anfängliche Buntheit in den Frauenbildern<br />
weicht nach 1980 einfachen Kontrasten<br />
und monochromen Mustervarianten.<br />
Grün, Rosa und Blau, manchmal leuchtend,<br />
stützen ihre Bemerkung vom „Eintauchen“<br />
in Farbenglanz während der Arbeit. Zunehmend<br />
erscheinen Figuren in Fragmente zerlegt<br />
wie bei Schnittmustern aus Modeheften.<br />
Foto: Kiki Kogelnik Foundation, Vienna/New York<br />
1978 zieht Kogelnik in ein Atelier in der Lafayette<br />
Street. Trompe-l’Œilhafte Marmorierungen<br />
sprechen die Imitation von Wirklichkeit<br />
an, die auch das Kopieren von Motiven<br />
aus Magazinen und ab 1986 von schönen<br />
Frauen aus der Kunstgeschichte, etwa<br />
von Tizian und Bronzino, weitertreibt. Ironie,<br />
Spiel und Kitsch vereinen sich hier als Säulen<br />
des postmodernen, transavantgardistischen<br />
Kunstgebäudes, das nach Kogelnik ab den<br />
späten 1980er-Jahren Jeff Koons über New<br />
York weltweit etabliert. Der Schönheitsbegriff,<br />
aus der Avantgarde nahezu verstoßen,<br />
wird bei beiden neu verhandelt. Zum Readymade<br />
aus Bombenhüllen kommen Ende der<br />
1970er-Jahre der Schwan der Romantik und<br />
nach Auflösung der Frauenbilder ab 1980<br />
Kinderspielzeug(teile) wie Frösche, Echsen,<br />
Käfer und Fliegen. Für die Künstlerin werden<br />
Stoffmuster (flach) und der trügerische<br />
Schatten (plastisch) zu übergeordneten Fragen<br />
der Malerei. Das Schneiden und die<br />
Schablone bleiben Hauptstrategien, mit denen<br />
sie die immer schematischer werdenden<br />
Gesichter in Klone wandelt. Keramische<br />
Köpfe finden sich zu Gruppen zusammen,<br />
Besen und Keramikobjekte werden ab 1988<br />
zu Rauminstallationen wie Litanei für heilige<br />
Hemma (1988) oder Kopfzerbrechen<br />
Kiki Kogelnik mit Loverboy, New York, 1965<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
(1992) erweitert. 1991/92 hat Kogelnik eine<br />
Gastprofessur an der Internationalen Sommerakademie<br />
in Salzburg und lehrt keramisches<br />
Ausschneideverfahren als skulpturale<br />
Erweiterung der Malerei. Sessel, Pistolen und<br />
Flugzeuge gesellen sich zu alten Motiven.<br />
„Expansions“ wie das tanzende und winkende<br />
„Tödlein Hi“ von 1994 in starken Kontrastfarben<br />
bringen Totenkopf und Maske<br />
zusammen. Schlangen, Insekten und fliegende<br />
Körperteile verschmelzen auch in Bronzemasken<br />
und zuletzt bunten Glasköpfen,<br />
die die Künstlerin – mit vorerst großen ästhetischen<br />
Bedenken – ab 1994 in Murano produzieren<br />
läßt. 1995 werden sie in Chicago,<br />
Wien und Klagenfurt präsentiert. Sie weisen<br />
zurück auf die fantastisch-bunte Welt der<br />
Robots (ab 1966) und Hangings (ab 1967),<br />
sind aber in Technik und Material traditionell<br />
und spielen mit Ironie und Kitsch der<br />
Postmoderne. Werke im öffentlichen Raum<br />
und Der Totentanz (1996) im Karner von<br />
Stein im Jauntal behandeln bis 1996 das Thema<br />
der Wildheit von Lebenslust und Tod.<br />
Am 1. Februar 1997 stirbt Kiki Kogelnik in<br />
Wien an einem Krebsleiden. Sie wird in Bleiburg<br />
begraben.<br />
•<br />
http://www.kunsthalle.at<br />
http://www.kogelnikfoundation.org