Download als PDF (ca. 23 MB) - Förderverein des Canisianum
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Vermischtes 2009 A<br />
Die Reisegrupe aus Deutschland wurde von den Kindern <strong>des</strong> Projekts Turma do Flau<br />
in Recife mit einem Mara<strong>ca</strong>tu empfangen. Dieser Tanz stellt eine Krönungszeremonie<br />
dar, er steht in der Tradition der aus Afrika stammenden Sklaven.<br />
plant ist, die Menschen dort kurzzeitig umzusiedeln und für alle Bewohner<br />
eine neue Siedlung zu bauen. Das Modell dafür war schon zu begutachten,<br />
die Planungen laufen und die Hoffnung der Menschen ist groß.<br />
Längst nicht alle unserer Begegnungen können hier Erwähnung finden,<br />
auch wenn sie in ihrer Gesamtheit unsere Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse<br />
geprägt haben. So bleibt noch im Hinblick auf die am Anfang aufgeworfenen<br />
Fragen ein Fazit zu ziehen.<br />
Die aufrüttelndste Erfahrung war für uns die soziale Spaltung der Gesellschaft.<br />
Die Bevölkerung eines Lan<strong>des</strong>, das in etwa die Größe Europas hat,<br />
lebt in verschiedenen Welten, die kaum Überschneidungen kennen. Von den<br />
180 Millionen Brasilianern leben etwa 20 %, <strong>als</strong>o an die 36 Millionen Menschen,<br />
in einem Wohlstand, der unseren bürgerlichen Wohlstand in Deutschland<br />
weit übertrifft. Das sind die Menschen, denen wir in der Regel auf unseren<br />
Reisen begegnen, die an Schülerbegegnungen teilnehmen usw. Sie leben<br />
in abgeschotteten Gettos, hinter hohen Mauern und Zäunen oder in<br />
der City, in komfortablen Appartements in den Hochhäusern der Megacitys.<br />
Sie machen Urlaub an der Küste oder reisen ins Ausland, sie gehen regelmäßig<br />
im Restaurant essen, haben Hausangestellte, kennen dieselben Kinohits<br />
wie wir und konsumieren dieselben Produkte der bekannten Labelfirmen,<br />
die es in den Shopping Malls, die sich durch eine noch bessere Ausstattung<br />
von unseren Kaufpalästen unterscheiden, zu kaufen gibt. Dies ist natürlich<br />
eine holzschnittartige Darstellung der sog. „Reichen“, aber in der Kürze hilfreich,<br />
um zu verdeutlichen, dass diese Gruppe, gefolgt von etwa 30 % einer<br />
unteren Mittelschicht, die brasilianische Gesellschaft nach außen repräsentiert.<br />
Diese 50 % der Bevölkerung haben Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand<br />
und an der politischen Mitbestimmung. Die andere Hälfte der Gesellschaft<br />
dagegen lebt in einer entwürdigenden Schattenwelt, die natürlich genauso<br />
real ist, aber <strong>als</strong> Bedrohung empfunden wird und politisch ohne nennenswerten<br />
Einfluss ist.<br />
Das sind die Menschen, auf die sich unsere Aufmerksamkeit in der Regel<br />
richtet, wenn wir karitativ oder sozial von Europa oder den USA aus aktiv werden.<br />
Aber es ist auch die Gruppe, für die die Katholische Kirche in den 60er<br />
Jahren anfing, sich stark zu machen. Diese Option für die Armen war die Kritik<br />
der „Befreiungstheologie“ an einer Gesellschaft, die nicht in gottgewollter<br />
Ordnung, sondern eher in Sünde lebte. Die Vertreter der „Befreiungstheologie“,<br />
die in Deutschland durch brasilianische Bischöfe wie Dom Helder Camara,<br />
Adriano Hippolito oder später Leonardo Boff und Kardinal Arntz bekannt<br />
wurde, begnügten sich aber nicht mit dieser Feststellung, sondern fragten<br />
nach den Ursachen dieser gesellschaftlichen Zerrissenheit und wurden damit<br />
ins Zentrum der politischen Auseinandersetzungen gezogen. So sagte Dom<br />
Helder Camara einmal: „Wenn ich sage, gebt den Armen zu essen, nennen sie<br />
mich einen Heiligen. Wenn ich aber frage, warum die Armen nichts zu essen<br />
haben, bezeichnen sie mich <strong>als</strong> Kommunisten.“<br />
Warum halten wir dies für erwähnenswert? Die Sozialprojekte, die das <strong>Canisianum</strong><br />
unterstützt und von denen oben die Rede war, stehen in genau diesem<br />
Spannungsverhältnis, im Übrigen ebenso wie Sozialprojekte in Deutschland<br />
(z.B. „Die Tafel“) angesichts einer zunehmenden Verarmung von Teilen<br />
der Bevölkerung bei uns. Die Projekte greifen in das soziale Geschehen ein,<br />
um den Menschen individuell zu helfen, sie stellen aber keine Ursachenbekämpfung<br />
dar. Seit der Regierung Lula, die sich in der zweiten Legislaturperiode<br />
befindet, bemühen sich die Sozialprojekte um eine Regelunterstützung<br />
durch den Staat, d.h. um Steuergelder und sie werden dazu auch ermuntert<br />
und aufgefordert. Unsere Gesprächspartner in Brasilien waren sich darin einig,<br />
dass dies der richtige Weg sei, um sich von internationaler Unterstützung unabhängiger<br />
zu machen. Aber leider hat die Regierung nur einen beschränkten<br />
Einfluss auf die Gesamtsituation <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, da die Eliten an einer gesamtgesellschaftlichen<br />
Entwicklung kein Interesse zeigen, im Gegenteil, sie fürchten<br />
um ihre Privilegien und verteidigen diese zum Teil mit Waffengewalt. So sind<br />
sich zahlreiche Experten darin einig, dass es im Interesse der großen Zahl der<br />
mittellosen Landarbeiter sowie der Klein- und Kleinstbauern dringend notwendig<br />
wäre, eine Landreform durchzuführen – eine Forderung, mit der die<br />
Lula-Regierung ihren ersten Wahlsieg möglich gemacht hat, doch nach wie<br />
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A Vermischtes 2009