<strong>Integralrechnung</strong>5.2.2 Grundverständnis ,Integration als verallgeme<strong>in</strong>erte Summation’Als weiters Grundverständnis der <strong>Integralrechnung</strong> führen Blum & Törner (1983, S. 159f),Integration als verallgeme<strong>in</strong>erte Summation’ an, wo<strong>mit</strong> sie <strong>die</strong> Interpretation des bestimmtenIntegrals als Grenzwert e<strong>in</strong>er Summe von Produkten me<strong>in</strong>en. Als Beispiele, bei denenjeweils Summen <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er großen, variablen Summandenzahl von kle<strong>in</strong>en Produkten<strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d, geben sie unter anderem <strong>die</strong> Arbeit (Kraft mal Weglänge), denFlächen<strong>in</strong>halt (Höhe mal Streifenbreit) und den Gesamtzuwachs e<strong>in</strong>er Funktion(Änderungsrate mal Schrittlänge) an. E<strong>in</strong>er der Faktoren ist dabei immer der Funktionswerte<strong>in</strong>er Funktion, während der andere Faktor, der h<strong>in</strong>reichend kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> muss, alsArgumentwertedifferenz !x i = x i – x i-1 gedeutet werden kann. Wenn man sich denSummationsprozess nun idealisiert für e<strong>in</strong>e beliebig große Zahl an Summanden und beliebigkle<strong>in</strong>e !x i vorstellt, dann kommt man zu dem Grundverständnis, dass das bestimmte Integral!b" f (x)dx e<strong>in</strong>er Funktion f <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Intervall [a,b] der Grenzwert e<strong>in</strong>er Summe von unendlichakle<strong>in</strong>en Produkten ist. Dieses Grundverständnis motiviert <strong>die</strong> Schreibweisen ,"’ (für Summe)und ,dx’ (für <strong>die</strong> unendlich kle<strong>in</strong>e Breite !x).Die angeführten Beispiele <strong>die</strong>ses Grundverständnisses s<strong>in</strong>d verschiedene Anwendungen,welche <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>same geometrische Grundvorstellung des Integrals als Grenzwert e<strong>in</strong>erSumme von Rechtecksflächen besitzen, wobei <strong>die</strong> Breiten <strong>die</strong>ser Rechtecke beimGrenzprozess beliebig schmal werden. Blum & Törner (1983, S. 161) betonen, dass <strong>die</strong>segeometrische Grundvorstellung ke<strong>in</strong>esfalls als Reduktion auf das Verständnis des Integralsals Flächen<strong>in</strong>halt gesehen werden darf. Sie denken zwar, dass es s<strong>in</strong>nvoll ist, wenn man denFlächen<strong>in</strong>halt als erste <strong>die</strong>ser Anwendungen im Unterricht durchnimmt, heben aber hervor,wie wichtig es ist, das Verständnis auszuweiten und <strong>die</strong> Bedeutung des Integralbegriffes fürverschiedene Anwendungen aufzuzeigen.Für Blum & Törner (1983, S. 172) wird <strong>die</strong>ses Grundverständnis erreicht, wenn man alsE<strong>in</strong>stieg zur <strong>Integralrechnung</strong> den ,klassischen Weg’ über das Flächenberechnungsproblemkrumml<strong>in</strong>ig begrenzter Flächen wählt. Mit Beispielen zur Bestimmung der e<strong>in</strong>geschlossenenFlächen von quadratischen und kubischen Funktionen werden <strong>die</strong> Begriffe Ober- undUntersumme und anschließend <strong>die</strong> Def<strong>in</strong>ition des Riemann-Integrals e<strong>in</strong>geführt:b" f (x)dx := limU = limn #$an #$O.Dann wird laut Blum & Törner bei <strong>die</strong>sem Zugang meist <strong>die</strong> Integralfunktion F(x) = " f (t)dta!def<strong>in</strong>iert und das bestimmte Integral als Funktion der oberen Grenze <strong>in</strong>terpretiert.x!34
<strong>Integralrechnung</strong>Anschließend kann e<strong>in</strong> Überblick über bereits bekannte Integrale hilfreich se<strong>in</strong>, um denersten Teil des Hauptsatzes der Differential- und <strong>Integralrechnung</strong> e<strong>in</strong>zuführen:F(x) =x" f (t)dt, F´= f .aIm Anschluss daran kommt es meist zur Berechnung von Integralen und Anwendungen <strong>mit</strong>Hilfe des zweiten Teils des Hauptsatzes:!b" f (t)dx = F(b) - F(a).aDanckwerts & Vogel (2006, S. 95) kritisieren e<strong>in</strong>e zu frühe Def<strong>in</strong>ition des Riemann-Integralsüber den Grenzwert von Unter- oder Obersumme. Dies führt laut den Autoren dazu, dass!da<strong>mit</strong> meist nicht ernsthaft gearbeitet wird. Weiters bemängeln sie, dass <strong>die</strong> Lernenden <strong>die</strong>def<strong>in</strong>ierten Begriffe verwenden, ohne wirklich zu verstehen, was <strong>die</strong>se bedeuten. Blum &Törner (1983, S. 162) führen als Vorteile an, dass <strong>die</strong> <strong>Integralrechnung</strong> <strong>mit</strong> <strong>die</strong>sem Zugangautonom aufgebaut wird, wobei der Hauptsatz <strong>die</strong> ,krönende’ Verb<strong>in</strong>dung zwischenDifferential- und <strong>Integralrechnung</strong> ist. Weiters argumentieren sie <strong>mit</strong> der gutenVeranschaulichungsmöglichkeit, der Anwendungsnähe und der Motivierbarkeit derSchreibweisen ,"’ und ,dx’.5.2.3 Grundverständnis ,Rekonstruieren’Wie zuvor angeführt, kritisieren Danckwerts & Vogel (2006, S. 96f) <strong>die</strong> beschriebenenZugänge über Stammfunktionen und über das Flächen<strong>in</strong>haltsproblem. Der favorisierteZugang <strong>die</strong>ser Autoren zur <strong>Integralrechnung</strong> beruht auf dem Grundverständnis vomIntegrieren als Rekonstruieren. Beispielhaft für <strong>die</strong>se Deutung des Integrierens wird von denAutoren folgendes Beispiel angeführt, das auch als E<strong>in</strong>stiegsbeispiel imMathematikunterricht <strong>die</strong>nen kann:In e<strong>in</strong>e leere Badewanne wird e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute lang Wasser e<strong>in</strong>gelassen, dann wird das Wasserabgedreht, der Abfluss geöffnet und nach e<strong>in</strong>iger Zeit wieder geschlossen. Anschaulich lässtsich <strong>die</strong>s folgendermaßen darstellen:Abbildung 3: Zu- und Abfluss (Danckwerts & Vogel, 2006, S. 97)35