ist oder nicht. Ich erweitere diese Festnahme-Aktion auf die ehemaligen ParteiundGewerkschaftssekretaere der SPD. Die Festnahmeaktion muss gleichzeitigam 22.8.44 <strong>in</strong> <strong>den</strong> fruehen Morgenstun<strong>den</strong> beg<strong>in</strong>nen. Die Festgenommenens<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Schutzhaft zu nehmen und umgehend dem naechsten KL Stufe Ie<strong>in</strong>zuweisen. Schutzhaftantrag unter Kennwort Aktion ›Gewitter‹.« 262 DiesesFernschreiben stellt quasi die »Geburtsurkunde« der »Aktion Gewitter« dar. Eserfuhr am 21. August 1944 noch durch die Forderung, auch die ehemaligenAbgeordneten der Zentrumspartei <strong>in</strong> Haft zu nehmen, e<strong>in</strong>e Ausweitung.Am 22. August 1944 wurde <strong>in</strong> allen Teilen Deutschlands die »AktionGewitter« schlagartig durchgeführt. Im gesamten Reichsgebiet kamen mehrals 5.000 Personen, <strong>in</strong> der Mehrzahl Kommunisten und Sozialdemokraten,<strong>in</strong> Haft. Auch <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> ist diese Terrormaßnahme im S<strong>in</strong>ne des <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong>s effektiv ausgeführt wor<strong>den</strong>. Die Anzahl der verhafteten Menschensoll hier 288 betragen haben. 263 Zu <strong>den</strong> Inhaftierten gehörten die früherenMitglieder der KPD-Bezirksleitung Gustav Hase, Hans Mahncke, Josef Scharresund Hans Warnke. Aus <strong>den</strong> Reihen der <strong>Mecklenburg</strong>er Sozialdemokratenwur<strong>den</strong> u. a. die ehemaligen Reichstagsabgeordneten Albert Schulz und CarlMoltmann und der frühere Landtagspräsi<strong>den</strong>t <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong>-Schwer<strong>in</strong>,Wilhelm Höcker, e<strong>in</strong>gekerkert. 264 Willy Jesse gelang am Tage se<strong>in</strong>er Verhaftungunter dramatischen Umstän<strong>den</strong> die Flucht nach Dänemark und weiternach Schwe<strong>den</strong>.In der Kartei der Strafanstalt Bützow-Dreibergen spiegelt sich die »AktionGewitter« durch Inhaftierungen unter diesem Begriff wider. 265 Die Verhaftungenwaren ausnahmslos vom 22. bis zum 24. und am 31. August erfolgt. Eswur<strong>den</strong> <strong>in</strong> dieser Strafanstalt m<strong>in</strong>destens 48 Personen im Zuge dieser Aktion<strong>in</strong>haftiert. 266 Die Dauer der Haft war dabei sehr unterschiedlich. Es gab Personen,die lediglich wenige Stun<strong>den</strong> <strong>in</strong> Bützow festgehalten wur<strong>den</strong>, e<strong>in</strong>igekamen am Tag nach der Festnahme wieder auf freien Fuß. Die Mehrzahl derInhaftierten konnte am 4. September, nach e<strong>in</strong> bis zwei Wochen, Bützow-262Ebenda, R 58/775.263Diese Zahl f<strong>in</strong>det sich bei Mühlstädt, Herbert, Hans Warnke. E<strong>in</strong> Kommunist, Rostock1972, S. 136.264Vgl. Der antifaschistische <strong>Widerstand</strong>skampf unter Führung der KPD <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> 1933bis 1945, Autorenkollektiv unter Leitung von Karl He<strong>in</strong>z Jahnke, Berl<strong>in</strong> 1985, S. 262.265Das Folgende nach: Landeshauptarchiv Schwer<strong>in</strong>, Kartei Bützow-Dreibergen.266Vgl. ebenda. Zwar steht nicht bei allen Personen explizit »Aktion Gewitter« <strong>in</strong> der Kartei,doch lassen Zeitpunkt und Dauer der Inhaftierung <strong>den</strong> Schluss zu, <strong>das</strong>s sie <strong>in</strong> diesem Zusammenhangerfolgt war.100
Dreibergen verlassen. Die letzten Entlassungen erfolgten Ende Septemberund <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall erst Anfang Oktober. Etliche der bei der »Aktion Gewitter«Festgenommenen wur<strong>den</strong> auch im Schloss <strong>in</strong> Güstrow <strong>in</strong>haftiert. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong>Rostock, der größten Stadt <strong>Mecklenburg</strong>s, wur<strong>den</strong> 96 Personen festgenommen.267 In der Landeshauptstadt Schwer<strong>in</strong> waren es gleich am 22. August 1944zwölf Bürger. 268 Auf Anordnung der Gestapo Schwer<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Parchim amgleichen Tag 13 Personen festgenommen und <strong>in</strong> <strong>das</strong> Amtsgerichtsgefängnise<strong>in</strong>geliefert wor<strong>den</strong>. Weitere Verhaftungen mehrerer Personen s<strong>in</strong>d u. a. ausRibnitz, Malch<strong>in</strong>, Teterow, Neukalen, Gnoien, Dargun und Schwaan bekannt.Das Durchschnittsalter der im Zuge der »Aktion Gewitter« <strong>in</strong> Bützow-DreibergenInhaftierten lag bei knapp 55 Jahren.Die »Aktion Gewitter«, rücksichtslos und tiefgreifend durchgeführt, machteschon vom Ansatz her ke<strong>in</strong>en Unterschied zwischen Personen, <strong>den</strong>en etwasvorgeworfen wer<strong>den</strong> konnte, und solchen, die sich nichts hatten zuschul<strong>den</strong>kommen lassen. E<strong>in</strong>ziges Zugriffskriterium war <strong>das</strong> e<strong>in</strong>er früheren Mitgliedschaft<strong>in</strong> KPD, SPD oder Zentrumspartei. Die übergroße Mehrheit der Verfolgtenhatte mit <strong>den</strong> Ereignissen des 20. Juli, <strong>in</strong> deren Folge die Aktion gestartetwurde, nichts zu tun. Sie stellte e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Terrormaßnahme zur weiterenE<strong>in</strong>schüchterung dar und forderte auch <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> Opfer.Zu <strong>den</strong> Verhafteten gehörte der Sozialdemokrat Albert Schmidt. Über se<strong>in</strong>Schicksal berichtet Albert Schulz: »Als der Rostocker GewerkschaftssekretärSchmidt dem Arzt sagte, er falle um, wenn er körperlich arbeiten müsse,sagte der Nazi-Mediz<strong>in</strong>mann: ›Das sollen Sie ja auch‹. Drei Tage später warSchmidt tot.« 269E<strong>in</strong>ige im Zuge der »Aktion Gewitter« Verhafteten wur<strong>den</strong> nicht wiederfreigelassen, sondern zur weiteren Verwahrung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Konzentrationslagerüberstellt. Aus <strong>Mecklenburg</strong> betraf dies u. a. die Funktionäre der KPD WilliFründt, Ernst Koch und Otto von Zschock sowie <strong>den</strong> Sozialdemokraten ErnstKarl Dressel aus Malch<strong>in</strong>. Sie alle wur<strong>den</strong> im KZ Neuengamme <strong>in</strong>terniert, woam 22. Dezember 1944 Willi Fründt aus Grabow verstarb. 270 Die drei anderen<strong>Mecklenburg</strong>er erlebten die Evakuierung des KZ Neuengamme und wur<strong>den</strong>Mitte/Ende April <strong>in</strong> die Lübecker Bucht gebracht. Hier auf Schiffe verla<strong>den</strong>,267So bei Sieber, Horst, Persönlichkeiten der Stadtgeschichte. Josef Scharres, <strong>in</strong>: Beiträge zurGeschichte der Stadt Rostock. Neue Folge, H. 7, Rostock 1987, S. 49.268Schwer<strong>in</strong>. Geschichte der Stadt <strong>in</strong> Wort und Bild, Berl<strong>in</strong> 1985, S. 146.269Archiv der sozialen Demokratie Bonn-Bad Godesberg, Er<strong>in</strong>nerungen Albert Schulz, S. 69.270Vgl. <strong>Widerstand</strong>skampf <strong>gegen</strong> Faschismus und Krieg im Kreis Ludwigslust, Ludwigslust1965, S. 42.101
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