Mario Niemann, RostockDer 20. Juli 1944 <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> und PommernAls am 20. Juli 1944 mittags zwischen 12.30 Uhr und 12.40 Uhr <strong>in</strong> HitlersHauptquartier, der »Wolfsschanze« bei Rastenburg <strong>in</strong> Ostpreußen, die vonClaus Schenk Graf von Stauffenberg platzierte Bombe explodierte, war, wieder Mitverschwörer Henn<strong>in</strong>g von Tresckow es formuliert hat, der »entschei<strong>den</strong>deWurf gewagt«. 240Im Wehrkreis II, der Pommern und <strong>Mecklenburg</strong> umfasste und dessenKommando <strong>in</strong> Stett<strong>in</strong> stationiert war, blieb es an diesem Tag ruhig. 241 DerBefehlshaber dieses Wehrkreises, General der Infanterie Werner Kienitz, befandsich auf e<strong>in</strong>er Feier des pommerschen Gauleiters Franz Schwede-Coburg, derse<strong>in</strong> 10-jähriges Amtsjubiläum beg<strong>in</strong>g. Hier erfuhr er von dem Attentat undverließ kurz nach 20 Uhr die Festversammlung im Gauhaus. General Kienitzwurde kurz nache<strong>in</strong>ander von Generalfeldmarschall Keitel aus der »Wolfsschanze«und von Generaloberst Hoepner und General Olbricht aus dem Bendlerblock,dem Zentrum der Verschwörer, angerufen. Obwohl Hoepner und Olbricht aufder Ausführung der mittlerweile herausgegebenen Umsturzbefehle bestan<strong>den</strong>,hielt sich Kienitz an die ent<strong>gegen</strong>lauten<strong>den</strong> Befehle Keitels, des wesentlichhöheren Vorgesetzten. Diese Entscheidung erläuterte er <strong>den</strong> <strong>in</strong>zwischen imWehrkreiskommando versammelten Generalen und Kommandeuren, die diesakzeptierten. So konnten die Verschwörer mit ke<strong>in</strong>er Unterstützung durchdie Armee im Wehrkreis II rechnen.In <strong>Mecklenburg</strong> war es der Gauleiter Friedrich Hildebrandt, der sichwährend e<strong>in</strong>er Zusammenkunft der Politischen Leiter der <strong>NS</strong>DAP und ihrerGliederungen am 24. Juli 1944 <strong>in</strong> Schwer<strong>in</strong> zu versichern beeilte, »daß <strong>in</strong><strong>Mecklenburg</strong> <strong>in</strong> dieser ernsten Stunde nicht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Fall zweifelhafterHaltung zu verzeichnen« gewesen sei. 242 Dies war e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> willfährigem Gehorsamaufgestellte Behauptung wider besseres Wissen. Auch die relative Ruhe<strong>in</strong> Pommern war nur kurzzeitig. Es gab sowohl <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> als auch <strong>in</strong>Pommern Personen, die als Gegner des Nationalsozialismus und als direktam Staatsstreich Beteiligte <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung getreten s<strong>in</strong>d.240Schlabrendorff, Fabian von, Offiziere <strong>gegen</strong> Hitler, Zürich/Frankfurt (M.) 1946, S. 138.241Das Folgende nach: Hoffmann, Peter, <strong>Widerstand</strong> – Staatsstreich – Attentat. Der Kampf derOpposition <strong>gegen</strong> Hitler, München 1969, S. 523-526.242Zitiert nach: Urbschat, Kerst<strong>in</strong>, Persönlichkeiten des 20. Juli 1944 <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> undPommern, <strong>in</strong>: Buchste<strong>in</strong>er, Ilona (Hrsg.), Der 20. Juli 1944. Er<strong>in</strong>nerung und Mahnung, Rostock1995, S. 45.90
An führender Stelle ist, nebenUlrich-Wilhelm Graf Schwer<strong>in</strong> vonSchwanenfeld, zweifelsohne Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburgzu nennen. 243 Fritz-Dietlof Graf vonder Schulenburg entstammte e<strong>in</strong>erbegüterten, streng konservativenAdelsfamilie; ihr gehörte der rund2.700 ha umfassende GutskomplexTressow im Kreis Grevesmühlen.Nach dem Jurastudium schlugSchulenburg e<strong>in</strong>e Laufbahn <strong>in</strong> derVerwaltung e<strong>in</strong> und wurde im Jahre1933 Regierungsrat. Er galt als bedeutenderVerwaltungsfachmann. BereitsAnfang 1932 wurde Schulenburg,wie nahezu se<strong>in</strong>e gesamte Familie,Mitglied der <strong>NS</strong>DAP und überzeugterNationalsozialist. Se<strong>in</strong> beruflicherFritz-Dietlof Graf von der Schulenburg(1902-1944).Aufstieg (1937 Polizeivizepräsi<strong>den</strong>t von Berl<strong>in</strong>, 1941 Regierungspräsi<strong>den</strong>t)war begleitet von e<strong>in</strong>er zunehmen<strong>den</strong> Desillusionierung über Charakter undZiele des <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong>s.Die sich verstärkende Ablehnung des totalitären Staates und se<strong>in</strong>er Politik ließenihn schon früh zu <strong>den</strong> Kreisen der Verschwörer stoßen. Bereits vom Frühjahr 1939ist folgender Ausspruch von ihm überliefert: »Narren und Verbrecher regierenuns!« 244 Nachdem sich Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg zum Schritt andie Seite der Verschwörer entschlossen hatte, leistete er hier Wesentliches un<strong>den</strong>twickelte sich zu e<strong>in</strong>em der exponiertesten Akteure. Schulenburg war »Motorund Psychologe des 20. Juli, der, wie wohl ke<strong>in</strong> anderer, durch Vermittlung,Verb<strong>in</strong>dung und Kompromiss die Bildung des <strong>Widerstand</strong>szentrums und Ko-243Zu se<strong>in</strong>er Person vgl. etwa He<strong>in</strong>emann, Ulrich, E<strong>in</strong> konservativer Rebell. Fritz-Dietlof Grafvon der Schulenburg und der 20. Juli, Berl<strong>in</strong> 1994; Liebchen, Norbert, Fritz-Dietlof Graf vonder Schulenburg und se<strong>in</strong> Weg zum 20. Juli 1944 – Über Erbe und Schuld zu nationalsozialistischmotiviertem <strong>Widerstand</strong>, phil. Diss., Rostock 1993; Schwer<strong>in</strong>, Detlef Graf von, »Danns<strong>in</strong>d’s die besten Köpfe, die man henkt«. Die junge Generation im deutschen <strong>Widerstand</strong>,München/Zürich 1991.244Krebs, Albert, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg. Zwischen Staatsraison und Hochverrat,Hamburg 1964, S. 175.91
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