amerikanische Divisionsgeistliche holte mich und <strong>den</strong> ev. Pastor Rohrdantzab zu dem Gerichtsgefängnis, wo 80 politische Häftl<strong>in</strong>ge sitzen, angefangenvon Staatsm<strong>in</strong>ister Dr. Scharf bis zu dem Gestapobeamten Lange, der derSchrecken der mecklenburgischen Geistlichen war und wohl an dem Toddes Pastors Dr. Schwentner, Neustrelitz, auch Schuld hat. […] Viele, auchOberstaatsanwalt Beusch, der mich <strong>in</strong> Sachen unseres Vikars Leo Wiemker,als dieser 1939 im Gefängnis saß, unqualifizierbar anbrüllte und vor allemdie verflossenen Ortsgruppenleiter und die Gestapoleute verweigerten <strong>den</strong>Geistlichen […].« 100Gerade die katholischen Pfarrer waren im <strong>NS</strong>-Staat Zielscheiben der Bespitzelungund Unterdrückung. Besonders beargwöhnt wur<strong>den</strong> sie wegen ihres E<strong>in</strong>flussesauf die kirchliche Jugend. Als Verantwortliche für die katholischen Schulen,K<strong>in</strong>dergärten und Heime traten sie dem beanspruchten Erziehungsmonopoldes Staates ent<strong>gegen</strong>. Neben der pastoralen und organisatorischen Leitung ihrerGeme<strong>in</strong>de waren sie noch <strong>in</strong> drei anderen Bereichen seelsorglich tätig. Bis zumAusbruch des Krieges zählte hierzu die Seelsorge an ausländischen Saison- undWanderarbeitern. Die Geistlichen mussten <strong>in</strong> polnischer Sprache predigenkönnen und auch auf Polnisch die Beichte hören. Nach Kriegsausbruch kamdann die Seelsorge an Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen h<strong>in</strong>zu, die vonPartei und Staat mit allen möglichen Mitteln erschwert und später verbotenwurde. Bis zum Kriegsende waren e<strong>in</strong>ige Geistliche auch Standortpfarrer <strong>in</strong>der Heeres-Seelsorge. Als solche waren sie immer hoch geachtet – oft auchdann, wenn sie gleichzeitig im zivilen Bereich verfolgt wur<strong>den</strong>. 101<strong>Widerstand</strong> und Verfolgung der katholischen Kirche <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> ereignetensich vor dem H<strong>in</strong>tergrund jahrhundertealter <strong>in</strong>terkonfessioneller Spannungen.So wur<strong>den</strong> die kle<strong>in</strong>en, aber wachsen<strong>den</strong> katholischen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> noch zu100He<strong>in</strong>rich-eiss<strong>in</strong>g-Institut (Hrsg.), Chronik des Bischöflichen Kommissariates Schwer<strong>in</strong>1946 bis 1973, Schwer<strong>in</strong> 2003, S. 82.101Vgl. auch Pfarrarchiv (PA) St. Anna Schwer<strong>in</strong>, Aktenbestand Militärseelsorge. Zu Ause<strong>in</strong>andersetzungenmit dem <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong> kam es auch auf dem Gebiet der Gefangenenseelsorge.Hier ist besonders erwähnenswert <strong>das</strong> Beispiel von Pastor Philipp Koll, der von 1941 bis 1946als Pfarrer von Bützow gleichzeitig für die Gefangenenseelsorge <strong>in</strong> der Strafanstalt Bützow-Dreibergen zuständig war. In der Pfarrchronik der Bützower kath. Geme<strong>in</strong>de f<strong>in</strong>det sich am07.10.1942 folgender Vermerk: »Die Seelsorge <strong>in</strong> <strong>den</strong> Strafanstalten wird dem Pastor entzogenwegen e<strong>in</strong>es Briefes an die Angehörigen des h<strong>in</strong>gerichteten Plünderers Claes […].« Tatsächlichführte der Brief des Bützower Pastors zu e<strong>in</strong>em reichsweiten Verbot, zum Tode verurteiltenStrafgefangenen vor der H<strong>in</strong>richtung noch seelischen Beistand zukommen zu lassen. Vgl. Briefdes Reichsjustizm<strong>in</strong>isters ierack an Reichsleiter Mart<strong>in</strong> Bormann vom 10. Okt. 1942.40
Beg<strong>in</strong>n der 1930er Jahre von der evangelischen Landeskirche mit Argwohn,teilweise auch mit Abneigung betrachtet. Der 1930 verstorbene Landesbischofder evangelisch-lutherischen Landeskirche <strong>Mecklenburg</strong>s, He<strong>in</strong>rich Behm,stellte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift »Das katholische und <strong>das</strong> evangelische Lebensideal«beschwörend fest, »daß die Herrschaft des heutigen Katholizismus über <strong>den</strong>Geist des Volkes <strong>den</strong> moralischen Ru<strong>in</strong> der Nation unfehlbar nach sich ziehenmüsse.« 102Die Katholiken <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> galten vielen Landsleuten nicht nur als antilutherisch,sondern im <strong>NS</strong>-Parteijargon auch als undeutsch, kommunisten- undju<strong>den</strong>hörig. Dazu kam, <strong>das</strong>s <strong>in</strong> der öffentlichen Me<strong>in</strong>ung katholisch meistmit polnisch gleich gesetzt wurde. Katholische Priester wur<strong>den</strong> von der nichtkatholischen Bevölkerung mit dem Be<strong>in</strong>amen »Polenpaster« betitelt. Noch nachdem Zweiten Weltkrieg bekam e<strong>in</strong> Priester, der <strong>in</strong> Rostock Polenabkömml<strong>in</strong>gebesucht hatte, auf se<strong>in</strong>e Frage, ob hier <strong>den</strong>n noch mehr Katholiken im Hauswohnen, die Antwort: »Ne<strong>in</strong>, die anderen s<strong>in</strong>d alle deutsch.« 103E<strong>in</strong> besonders erbitterter Fe<strong>in</strong>d der katholischen Kirche war FriedrichHildebrandt, der Reichsstatthalter des Führers <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong>, ehemalsPferdeknecht <strong>in</strong> Kiek<strong>in</strong>demark bei Parchim. Die katholische Pfarrchronik<strong>in</strong> Parchim hält e<strong>in</strong>e Äußerung von ihm fest, nach der er schon vor derMachtübernahme gesagt haben soll: »Wenn ich erst e<strong>in</strong>mal am Ruder b<strong>in</strong>,werde ich dafür sorgen, daß <strong>in</strong>nerhalb von zwei Jahren ke<strong>in</strong> Katholik mehr<strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> ist.« Viele Repressionen <strong>gegen</strong> Katholiken im Lande wer<strong>den</strong><strong>den</strong> persönlichen Bestrebungen Hildebrandts zugeschrieben. 1041934 bekannten sich <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> nach offiziellen statistischen Angabenca. 32.000 Landsleute zur katholischen Kirche, also weniger als 4% derBevölkerung. Nicht mitgerechnet waren dabei etwa 20.000 ausländische Saisonarbeiter.Während der Weimarer Zeit hatten sich die kirchlichen Strukturender kle<strong>in</strong>en katholischen M<strong>in</strong>derheit im Lande gefestigt. E<strong>in</strong> Jahr nachAbschluss des Preußenkonkordates 1929 kam <strong>Mecklenburg</strong> kirchenrechtlichan <strong>das</strong> Bistum Osnabrück und wurde vom Osnabrücker Bischof 1931 alsDekanat errichtet. Erster Dechant war der Schwer<strong>in</strong>er Pfarrer Josef Brüx. DaBrüx als Heeres-Seelsorger auch Standortpfarrer von Schwer<strong>in</strong> war, wurde102Zitiert nach: Werner Schnoor, Die Vergangenheit geht mit. E<strong>in</strong>ige Notizen zum Weg derKirche <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> von eodor Klieforth bis He<strong>in</strong>rich Rathke, Schwer<strong>in</strong> 1984, S. 37.103Vgl. He<strong>in</strong>rich-eiss<strong>in</strong>g-Institut (Hrsg.), Chronik des Bischöflichen Kommissariates Schwer<strong>in</strong>1946 bis 1973, Schwer<strong>in</strong> 2003, S. 58-64, S. 69.104Vgl. Chronik der kath. Pfarrgeme<strong>in</strong>de St. Josef Parchim.41
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