Der 20. Juli schien plötzlich Beg<strong>in</strong>n, Höhepunkt und Ende von widerständigemVerhalten gewor<strong>den</strong> zu se<strong>in</strong> und nicht Ausdruck e<strong>in</strong>er politischenVielfalt, wie sie <strong>in</strong> der Literatur, <strong>in</strong> der ständigen Ausstellung der Ge<strong>den</strong>kstätteDeutscher <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und andernorts gezeigt wird. 20 DieEhrungen verdeutlichen aber, <strong>in</strong> welchem Maße der deutsche <strong>Widerstand</strong> zue<strong>in</strong>em wichtigen Bezugspunkt der politischen Kultur <strong>in</strong> der BundesrepublikDeutschland gewor<strong>den</strong> ist.Nach all <strong>den</strong> Veranstaltungen und Diskussionen entsteht für mich deridealtypische <strong>Widerstand</strong>skämpfer aus zwei unterschiedlichen Haltungen.Da s<strong>in</strong>d zum e<strong>in</strong>en die Männer des 20. Juli, die unter dem E<strong>in</strong>druck derVerbrechen und der sich abzeichnen<strong>den</strong> militärischen und politischen Niederlageihre Me<strong>in</strong>ung veränderten und <strong>das</strong> Nazi-<strong>Regime</strong> stürzen wollten. Ausloyalen Gefolgsleuten wur<strong>den</strong> entschie<strong>den</strong>e Hitler-Gegner. Damit stehen dieMänner des 20. Juli aber nicht alle<strong>in</strong>. Hans Fallada hat zum Beispiel solch e<strong>in</strong>eWandlung e<strong>in</strong>es Arbeiterehepaares e<strong>in</strong>drucksvoll beschrieben. 21Da s<strong>in</strong>d zum anderen tausende Kommunisten, Sozialdemokraten, Sozialisten,Anarchisten, Gewerkschafter, Liberale, Jugendliche und andere Hitler-Gegner.Viele von ihnen haben bereits vor und auch sofort nach Hitlers Machtergreifung<strong>das</strong> Nazi-<strong>Regime</strong> bekämpft. Dabei verkörpern die Kommunisten <strong>den</strong>größten Anteil am deutschen <strong>Widerstand</strong> und sie haben auch die meistenOpfer gebracht. Die um <strong>den</strong> 20. Juli 1995 erneut heftig geführte Diskussion,ob Kommunisten überhaupt zum deutschen <strong>Widerstand</strong> gehören, schien noche<strong>in</strong>mal zu bestätigen, <strong>das</strong>s <strong>in</strong> der Bundesrepublik besonders jene Nazi-Gegnergeehrt wur<strong>den</strong>, die nicht durch zu große Nähe zur KPD, zur Sowjetunionoder zur kommunistischen Emigration geprägt waren. 2219»Ich musste selber etwas tun«, Deserteure – Täter und Verfolgte im Zweiten Weltkrieg, GeschichtswerkstattMarburg (Hrsg.), Marburg 2000. Zum Forschungsstand vgl. Die anderen Soldaten.Wehrkraftzersetzung, Gehorsamsverweigerung und Fahnenflucht im Zweiten Weltkrieg,hrsg. von Norbert Hasse und Gerhard Paul, Frankfurt (Ma<strong>in</strong>) 1997.20Siehe auch Fußnote 17.21Hans Fallada, Jeder stirbt für sich alle<strong>in</strong>, Berl<strong>in</strong> 2000.22Peter Ste<strong>in</strong>bach, <strong>Widerstand</strong>, e<strong>in</strong> Bezugspunkt zur politischen Kultur. Zugleich e<strong>in</strong> Nachtragzur Kontroverse um <strong>den</strong> <strong>Widerstand</strong>, <strong>in</strong>: Peter Ste<strong>in</strong>bach, <strong>Widerstand</strong> im Widerstreit, S. 468;Peter Reichel, Politik der Er<strong>in</strong>nerung. Gedächtnisorte im Streit um die nationalsozialistischeVergangenheit, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1999. Peter Reichel beleuchtet die Kontroversen um <strong>den</strong>20. Juli 1995.12
Sicherlich hatte die antifaschistische Haltung von Kommunisten 23 unterschiedlicheFacetten von Selbstbehauptung und Anpassung, aber ihre e<strong>in</strong>deutigeAblehnung des Nazi-<strong>Regime</strong>s, auch nach Jahren der Haft, unterlagbei <strong>den</strong> meisten ke<strong>in</strong>em Wandel. Oft nahmen sie nach der Entlassung ausGefängnissen und Konzentrationslagern wieder Kontakt zu Gleichges<strong>in</strong>ntenauf, <strong>in</strong> dem Wissen, was e<strong>in</strong>e erneute Verhaftung für sie und für ihre Familienbedeuten würde.Die Gegner<strong>in</strong>nen und Gegner des <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong>s blieben immer e<strong>in</strong>e verschw<strong>in</strong><strong>den</strong>dkle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit <strong>in</strong> der deutschen Gesellschaft. Was bewegte sie,politisch weiter zu arbeiten, sich äußerlich anzupassen, nicht aber ihre Zieleund ihre antifaschistische Haltung aufzugeben? Es war die eigene Entscheidungjedes e<strong>in</strong>zelnen, nicht die Umsetzung von Beschlüssen kaum bekannter oder<strong>in</strong>zwischen schon verhafteter übergeordneter Leitungen. E<strong>in</strong>, wenn auch kle<strong>in</strong>erwer<strong>den</strong>der Kreis von aktiven Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen<strong>Regime</strong>-Gegnern verhielt sich weiterh<strong>in</strong> solidarisch, unterstützte Bedrohte unddie Familien von Verfolgten, setzte mit kle<strong>in</strong>en propagandistischen Aktionenöffentliche Zeichen, lernte mit <strong>den</strong> Gefahren zu leben und mit der ständigenBedrohung umzugehen.Das sozialistische Arbeitermilieu befand sich schon <strong>in</strong> der Weimarer Republikdurch Elemente der modernen Massenkultur, aber auch durch <strong>das</strong>Gegene<strong>in</strong>ander von SPD und KPD <strong>in</strong> Auflösung. Nach 1933 überwölbte<strong>in</strong>des die geme<strong>in</strong>same Bedrohung die Spaltung der Arbeiterbewegung. Auchwenn die Nazi-Ideologie <strong>in</strong> <strong>den</strong> Alltag der Arbeiterbezirke e<strong>in</strong>drang, Mitgliederund Funktionäre der Arbeiterparteien verhaftet wur<strong>den</strong> und manche sich <strong>den</strong>Nazis anschlossen, wirkte die mentale, kulturelle antifaschistische Prägungdes Kietzes weiter. 24 Zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten entstande<strong>in</strong>e Alltagssolidarität.23Klaus-Michael Mallmann, Konsistenz oder Zusammenbruch. Profile des kommunistischen<strong>Widerstand</strong>s, <strong>in</strong>: Anpassung, Verweigerung und <strong>Widerstand</strong>. Soziale Milieus, Politische Kulturund der <strong>Widerstand</strong> <strong>gegen</strong> <strong>den</strong> Nationalsozialismus im regionalen Vergleich, hrsg. von DetlefSchmiechen-Ackermann, Berl<strong>in</strong> 1997; Hermann Weber und Andreas Herbst, Deutsche Kommunisten.Biografisches Handbuch 1918 bis 1945, Berl<strong>in</strong> 2004.24Anpassung, Verweigerung und <strong>Widerstand</strong>. Soziale Milieus, Politische Kultur und der <strong>Widerstand</strong><strong>gegen</strong> <strong>den</strong> Nationalsozialismus im regionalen Vergleich, hrsg. von Detlef Schmiechen-Ackermann, Berl<strong>in</strong> 1997.13
- Seite 1: Widerstand gegen das NS-Regimein de
- Seite 4 und 5: © Copyright byFriedrich-Ebert-Stif
- Seite 6 und 7: Mario NiemannDer 20. Juli 1944 in M
- Seite 8 und 9: unterschiedlichen Kirchen und Glaub
- Seite 10 und 11: I. EinleitungHans Coppi, BerlinDeut
- Seite 12 und 13: Frauen des Kreisauer Kreises fanden
- Seite 16 und 17: 3. Widerstand im AlltagBei der gro
- Seite 18 und 19: Entspannung, die Lust am Leben und
- Seite 20 und 21: das NS-Regime schärft auch den Bli
- Seite 22 und 23: Hinter den Frauen und Männern des
- Seite 24 und 25: en. Immerhin war Mecklenburg-Schwer
- Seite 26 und 27: Die Widerstandshistoriographie der
- Seite 28 und 29: II. Widerstand und Verfolgung in de
- Seite 30 und 31: und Beförderungen obligatorische Z
- Seite 32 und 33: Das Spektrum von Dissens und Verwei
- Seite 34 und 35: zählenden Gemeinden ihren Verkünd
- Seite 36 und 37: und seine Frau Paula zu jeweils zwe
- Seite 38 und 39: standes begangen worden waren. Wie
- Seite 40 und 41: Georg Diederich, SchwerinWiderstand
- Seite 42 und 43: amerikanische Divisionsgeistliche h
- Seite 44 und 45: sein Leichnam im Dezember 1935 in e
- Seite 46 und 47: Im Prozessverlauf wurden die belast
- Seite 48 und 49: der Geistlichen an den Schulen zur
- Seite 50 und 51: Monaten Gefängnis verurteilt. Er v
- Seite 52 und 53: klar, dass sein Fall vor dem Volksg
- Seite 54 und 55: Irmfried Garbe, GreifswaldEvangelis
- Seite 56 und 57: Da viele evangelische Christen zur
- Seite 58 und 59: tiell als repressive Verfolgung cha
- Seite 60 und 61: Protestanten und stützte in erster
- Seite 62 und 63: courage«. Vielleicht ist diese Lü
- Seite 64 und 65:
aucht er Menschen, die sich alle Di
- Seite 66 und 67:
wurden am 9. April 1933 anlässlich
- Seite 68 und 69:
lungen schickten Telegramme an die
- Seite 70 und 71:
am 12. Dezember 1936 ist hingegen b
- Seite 72 und 73:
Gerichtsverfahren in Schutzhaft gen
- Seite 74 und 75:
III. Widerstand und Dissens im 2. W
- Seite 76 und 77:
1. KriegsdienstverweigerungUnter de
- Seite 78 und 79:
Eine pauschalisierende Bezeichnung
- Seite 80 und 81:
er wolle wieder einmal nach Haus. E
- Seite 82 und 83:
Liedtke: Der 1894 in Ostpreußen ge
- Seite 84 und 85:
IV. Einzelschicksale aus demregiona
- Seite 86 und 87:
normalen Leben zu retten. Würde ei
- Seite 88 und 89:
Rücksicht auf die Gefährdung ihre
- Seite 90 und 91:
Persönlichkeiten verschiedener pol
- Seite 92 und 93:
Mario Niemann, RostockDer 20. Juli
- Seite 94 und 95:
ordinierung der Vorbereitungen erst
- Seite 96 und 97:
gewesen. 1938 zählte er jedoch ber
- Seite 98 und 99:
archisten und Gegners der WeimarerD
- Seite 100 und 101:
Die Genannten verstanden sich alsUn
- Seite 102 und 103:
ist oder nicht. Ich erweitere diese
- Seite 104 und 105:
kamen sie noch kurz vor Kriegsende,
- Seite 106 und 107:
1902 als einziger Sohn eines kaiser
- Seite 108 und 109:
»Jungdeutschen Partei für Polen«
- Seite 110 und 111:
in Berlin hatte Schwerin so gut wie
- Seite 112 und 113:
In diesen Herbstwochen erfuhr Schwe
- Seite 114 und 115:
Sein Tod sei die einzige Chance, de
- Seite 116 und 117:
wollten für den Mitte August gepla
- Seite 118 und 119:
V. Zum Umgang mit der Vergangenheit
- Seite 120 und 121:
Oberleutnant Dr. Hagen, Propagandao
- Seite 122 und 123:
gewiß viel Ehre an. Ich persönlic
- Seite 124 und 125:
Fragestellungen zu Otto Ernst Remer
- Seite 126 und 127:
Annette Leo, BerlinAusflug nach Gö
- Seite 128 und 129:
Weil ich allein auf die Wirkung die
- Seite 130 und 131:
Landarbeiter, schrieb am 3. Novembe
- Seite 132 und 133:
Kirche. Im Gegensatz zur staatliche
- Seite 134:
der Gedenkstätte Deutscher Widerst