lungen schickten Telegramme an die Hitlerregierung, die folgende Warnungenthielten: »Ihre schlechte Behandlung der Zeugen Jehovas empört alle gutenMenschen und entehrt Gottes Namen. Hören Sie auf, Jehovas Zeugen weiterh<strong>in</strong>zu verfolgen, sonst wird Gott Sie und Ihre nationale Partei vernichten.« 170Etwa 20 000 Telegramme aus aller Welt sollen die Reichsregierung erreichtund Hitler zum Toben gebracht haben.Erich Mundt berichtet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Lebenser<strong>in</strong>nerungen, <strong>das</strong>s sich <strong>in</strong> Altdammetwa acht Brüder am 7. Oktober zu diesem Anlass versammelten. 171 E<strong>in</strong>e dieserZusammenkünfte fand auch im Haus der Familie Ebell <strong>in</strong> Grevesmühlen statt.Von Anna Ebell wird berichtet, <strong>das</strong>s sie <strong>das</strong> Schreiben an die Hitlerregierungauf dem Postamt aufgegeben hat. 172 In Brunshaupten (Kühlungsborn) wares Franz Fisch, der die Protestzusammenkunft organisierte. Se<strong>in</strong>e TochterCharlotte Fisch schrieb <strong>den</strong> Entwurf des Schreibens ab und sandte es an dieReichsregierung. Im nahegelegenen Bad Doberan haben Else und Richard Sparrdiese Zusammenkunft durchgeführt. Auch Else Schröder aus Bad Doberan<strong>in</strong>formierte auf e<strong>in</strong>er weiteren Zusammenkunft dort über <strong>das</strong> Protestschreiben.In Wismar ergriff He<strong>in</strong>rich Woest die Initiative und führte mit acht weiterenZeugen Jehovas <strong>das</strong> verbotene Treffen durch. Am Ende der Zusammenkunftsandten sie <strong>das</strong> mit »Jehovas Zeugen, Ortsgruppe Wismar« unterzeichneteSchreiben an die Hitlerregierung. In Güstrow fan<strong>den</strong> die Zusammenkünfteam 7. Oktober gleich an vier verschie<strong>den</strong>en Orten statt, wobei jede Gruppeaus ca. fünf Personen bestand. Die vier Leiter, Joseph Mayer, Friedrich Ahrens,Wilhelm Lange und Helmuth Quooß, lasen zunächst e<strong>in</strong>en Brief des Präsi<strong>den</strong>tender Wachtturm-Gesellschaft Joseph F. Rutherford an alle Versammlungen<strong>in</strong> Deutschland vor und besprachen dann <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen <strong>den</strong> Inhaltdes Protestschreibens.Insgesamt soll es nach dem 7. Oktober 1934 bis <strong>in</strong> <strong>das</strong> Jahr 1935 70 Verhaftungengegeben haben, wovon neun Zeugen Jehovas im Februar 1935festgenommen und am 13. Mai 1935 vor dem Sondergericht Schwer<strong>in</strong>170Zitiert nach Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974, hg. von der Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Wiesba<strong>den</strong>: 1974, S. 133ff. Zürcher, Franz, Kreuzzug <strong>gegen</strong> <strong>das</strong> Christentum.Moderne Christenverfolgung, E<strong>in</strong>e Dokumentensammlung, Zürich/New York 1938, S. 189.171WTA (Selters/Taunus), Lebensbericht Erich Mundt.172Bersch, Falk, Karl und Anna Ebell und der religiöse <strong>Widerstand</strong> der Zeugen Jehovas <strong>in</strong>Grevesmühlen unter dem <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong>, <strong>in</strong>: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus <strong>Mecklenburg</strong>-Vorpommern,6. Jg., 2002, H. 1, S. 22f. Aller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nach gab Anna Ebellnicht, wie <strong>in</strong> dieser Quelle erwähnt, e<strong>in</strong> Telegramm auf dem Postamt auf, sondern versandtee<strong>in</strong> Schreiben.66
angeklagt wur<strong>den</strong>. Vor Gericht konnte nicht nachgewiesen wer<strong>den</strong>, <strong>das</strong>s dieProtestschreiben auch <strong>in</strong> jedem Fall zur Absendung gekommen waren, deshalbwur<strong>den</strong> nur Franz Fisch, He<strong>in</strong>rich Woest, Joseph Mayer, Friedrich Ahrens,Wilhelm Lange und Helmuth Quooß zu jeweils vier Monaten Gefängnisverurteilt. 173 Diese Strafe schreckte sie jedoch nicht vor weiterer Tätigkeit ab.Alle sechs stellte man später erneut vor e<strong>in</strong> Sondergericht.Am 31. August 1936 startete <strong>das</strong> Geheime Staatspolizeiamt e<strong>in</strong>e reichsweiteVerhaftungswelle. 174 Ziel war es, die gesamte »Zentralleitung der I.B.V.«auszuheben, was aber nicht gelang. Trotzdem konnte e<strong>in</strong>e ganze Reihe derverantwortlichen Glaubensbrüder an diesem Tag festgenommen wer<strong>den</strong>. In<strong>Mecklenburg</strong> betraf dies u.a. Wilhelm Wohler, der die Leitung der WismarerVersammlung <strong>in</strong>nehatte, und Franz Fisch. 175 In Pommern verhaftete man am31. August 1936 z. B. <strong>den</strong> Torgelower Max Dräger <strong>in</strong> Alt-Damm. 176 WeitereVerhaftungen erfolgten im September 1936. Trotz dieses empf<strong>in</strong>dlichen Schlagesgelang es <strong>den</strong> Zeugen Jehovas, weitere Großaktionen durchzuführen. Soverteilten sie am 12. Dezember 1936 reichsweit ca. 100.000 Exemplare e<strong>in</strong>er»Resolution«, die auf e<strong>in</strong>em Kongress <strong>in</strong> Luzern im September desselbenJahres verabschiedet wor<strong>den</strong> war. Dar<strong>in</strong> hieß es unter anderem: »Wir rufenalle gutges<strong>in</strong>nten Menschen auf, davon Kenntnis zu nehmen, <strong>das</strong>s JehovasZeugen <strong>in</strong> Deutschland, Österreich und anderswo grausam verfolgt, mitGefängnis bestraft, und auf teuflische Weise misshandelt und manche vonihnen getötet wer<strong>den</strong>.«Am 30. Juni 1937 wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weiteren reichsweiten Aktion e<strong>in</strong> »OffenerBrief« verteilt, der detailliert über die Verbrechen der Nationalsozialisten berichteteund auch Namen brutaler Gestapobeamter veröffentlichte. 177 Für dieVerbreitung des »Offenen Briefes« lassen sich für <strong>Mecklenburg</strong> und Pommernnoch ke<strong>in</strong>e konkreten Fälle nachweisen. Von der Verhaftungswelle, die durchdiese Aktion ausgelöst wurde, waren aber auch hier Zeugen Jehovas betroffen,z. B. Martha Knie aus Leopoldshagen. 178 Die Verbreitung der »Resolution«173Az: K. Ms. 31/35. (Unterlagen aus Privatbesitz Karl-He<strong>in</strong>z Lange. Kopie im Besitz desVerfassers.)174Garbe (wie Anm. 162), S. 245ff.175LHAS, 5.12-6/9P LSA Bützow-Dreibergen 4363. AHRO, 2.1.0.1275, Bl. 86-89.176LHAS, 7.21-1 VdN-Neubran<strong>den</strong>burg 562.177Garbe (wie Anm. 162), S. 249ff. Die bei<strong>den</strong> Dokumente s<strong>in</strong>d abgedruckt <strong>in</strong>: Hesse, Hans/Harder, Jürgen, »Und wenn ich lebenslang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em KZ bleiben müsste …« Die Zeug<strong>in</strong>nenJehovas <strong>in</strong> <strong>den</strong> Frauenkonzentrationslagern Mor<strong>in</strong>gen, Lichtenburg und Ravensbrück. Essen2001, S. 419, 428-436.67
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