en. Immerh<strong>in</strong> war <strong>Mecklenburg</strong>-Schwer<strong>in</strong> 1932 <strong>das</strong> erste Land, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>Nationalsozialist M<strong>in</strong>isterpräsi<strong>den</strong>t wurde. Und auch Pommern war für die<strong>NS</strong>DAP e<strong>in</strong>e Parteihochburg, <strong>in</strong> der vor 1933 weit überdurchschnittlicheWahlergebnisse erzielt wur<strong>den</strong>.Angesichts der zahlreichen <strong>in</strong>nen- und außenpolitische Erfolge, die <strong>das</strong><strong>Regime</strong> nach der »Machtergreifung« vorweisen konnte – angefangen mit derBeseitigung der Arbeitslosigkeit, über die Außenpolitik der 30er Jahre bis h<strong>in</strong>zu <strong>den</strong> militärischen Siegen von Herbst 1939 bis 1942 –, spürten oppositionelleGruppen immer deutlicher ihre Isolierung. Während sie e<strong>in</strong>en handlungsfähigen<strong>Widerstand</strong> aufzubauen versuchten, mussten sie gleichzeitig mit demUnverständnis der Mehrheit der Bevölkerung rechnen. Die Geschichte desDritten Reichs lässt sich ebenso wenig als Geschichte des <strong>Widerstand</strong>s schreibenwie als e<strong>in</strong>e Geschichte ungebrochener Folgebereitschaft.Wenn sich im 60. Jahr nach dem Anschlag Wissenschaftler auf E<strong>in</strong>ladung derFriedrich-Ebert-Stiftung <strong>in</strong> Kooperation mit der Landeszentrale für politischeBildung <strong>Mecklenburg</strong>-Vorpommern und Politische Memoriale e.V. <strong>in</strong> Neubran<strong>den</strong>burgzu e<strong>in</strong>er Tagung versammelt haben, soll dies als Versuch dienen,die seit e<strong>in</strong>igen Jahren <strong>in</strong>tensiver betriebene Erforschung des <strong>Widerstand</strong>s <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er politischen Vielfalt und sozialen Breite am Beispiel e<strong>in</strong>er Region zubilanzieren. Es kommt darauf an, sowohl <strong>das</strong> Attentat als auch die Vorgängejenseits von Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Gesamtgeschichte des <strong>Widerstand</strong>s e<strong>in</strong>zufügen. Diesbedeutet, <strong>das</strong> Verhältnis ganz unterschiedlicher Traditionen und gesellschaftlicherGruppen zum <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong> als Ausgangspunkt zu nehmen.Inzwischen besitzt die Historiographie des <strong>Widerstand</strong>s <strong>gegen</strong> <strong>den</strong> Nationalsozialismuse<strong>in</strong>e eigene Geschichte, welche die jahrzehntelangen wissenschaftlichenKontroversen, ideologisch-politischen Legitimationsbedürfnisseund selektiven Wahrnehmungs- bzw. Ausgrenzungsbestrebungen dokumentiertund <strong>in</strong> Phasen e<strong>in</strong>teilt. 34 Zunächst wurde dieser Aspekt der Zeitgeschichte <strong>in</strong>der deutschen Öffentlichkeit negativ konnotiert bzw. ganz aus dem kollektivenhistorischen Bewusstse<strong>in</strong> ausgeblendet, da er zeigte, <strong>das</strong>s Anhängerschaft undMitläufertum wesentlich mehr verbreitet waren als andere Verhaltensweisen.Dazu kam der Vorwurf des Vaterlandsverrats. Die Literatur zum <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong><strong>Mecklenburg</strong> und Pommern ist ebenfalls von dieser Entwicklung geprägt.Unter dem E<strong>in</strong>druck des Kalten Krieges widmeten sich die Autoren <strong>in</strong>der BRD zunächst nur zögerlich dem ema und beschränkten sich auf <strong>den</strong>34E<strong>in</strong>en Überblick über <strong>den</strong> Forschungsstand gibt beispielsweise Mehr<strong>in</strong>ger, Hartmut: <strong>Widerstand</strong>und Emigration. Das <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong> und se<strong>in</strong>e Gegner, München 1997, S. 268ff.22
konservativen und kirchlichen <strong>Widerstand</strong>. Ferner waren die westdeutschenHistoriker, die sich mit dem <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> und Pommernbeschäftigten, meist Flüchtl<strong>in</strong>ge aus <strong>den</strong> ehemaligen deutschen Ostprov<strong>in</strong>zenund dementsprechend weniger an Vorpommern, sondern eher an <strong>den</strong> <strong>Regionen</strong>östlich der Oder <strong>in</strong>teressiert. Für <strong>den</strong> Raum <strong>Mecklenburg</strong>, der kaumAufmerksamkeit westdeutscher Autoren fand, waren die Grenzziehungennach dem Zweiten Weltkrieg entschei<strong>den</strong>d. Folglich wurde <strong>das</strong> politisch bis1945 zum Gebiet <strong>Mecklenburg</strong>s zählende Lübeck ausgeklammert. So nahmWalter Görlitz 1961 noch Abstand von e<strong>in</strong>er Geschichte der »<strong>Widerstand</strong>sbewegung«<strong>in</strong> Pommern und entschloss sich, »von diesem hohen Ziel Abstandzu nehmen und auf die etwas hochtrabende Bezeichnung zu verzichten«. Diewestdeutschen Autoren konzentrierten sich vorläufig auf e<strong>in</strong>zelne Galionsfiguren,Persönlichkeiten aus der »alten Elite« wie Ewald von Kleist-Schmenz<strong>in</strong>oder Re<strong>in</strong>old von ad<strong>den</strong>-Trieglaff, deren Wirken <strong>in</strong> Biographien moralischgerechtfertigt wurde. Ansonsten wurde betont, <strong>das</strong>s Pommern ke<strong>in</strong> »Hortreaktionärer Verschwörung, e<strong>in</strong>e deutsche Vendée«, gewesen sei. Das Fazitlautete dementsprechend: »Pommern war immer staatstreu gewesen! DieBauern, die Pastoren, die Junker adeligen oder bürgerlichen Standes sahenwohl vieles mit gerunzelter Stirn. Mancher Rittergutsbesitzer, mancher Pastormachte bald mit dem Gefängnis Bekanntschaft.« 35 <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> Form von»echter politischer Willensäußerung oder gar <strong>in</strong> Formen gezielter, konspirativerAktion im Dritten Reich« sei »gar nicht so häufig anzutreffen« gewesen,während »Unzufrie<strong>den</strong>heit, Fronde, allgeme<strong>in</strong>e vaterländische Besorgnisse oderganz e<strong>in</strong>fach <strong>das</strong> Räsonnement, sämtlich als weniger klar umrissene politischeRegungen als vielmehr gefühlsmäßige oder auch konfessionell bestimmte Reaktionen«gerade <strong>in</strong> Pommern »verhältnismäßig häufig« anzutreffen gewesenseien. 36 Die norddeutsche Oberschicht ersche<strong>in</strong>t als e<strong>in</strong>e von der Entwicklungüberforderte Elite, geneigt »<strong>das</strong> Visier vor der Zeit herunterzuklappen«. Daraussei bei dem desorientierten Adel und dem noch am alten Stil orientiertenGroß- und akademischen Bürgertum die Neigung entstan<strong>den</strong>, »reaktiv, ressentimentgela<strong>den</strong>zu agieren <strong>gegen</strong> e<strong>in</strong>e neue, gewiß schwache demokratischeOrdnung mit vielen sichtbaren Mängeln, statt diese mit konservativem Geistanzureichern und mitzuformen«. 3735Görlitz, Walter: <strong>Widerstand</strong> <strong>gegen</strong> <strong>den</strong> Nationalsozialismus <strong>in</strong> Pommern. E<strong>in</strong> Versuch, <strong>in</strong>:Baltische Studien NF 48 (1961), S. 63-74, hier S. 66.36Görlitz, <strong>Widerstand</strong>, S. 63.37Görlitz, Walter: Die norddeutschen Führungsschichten und ihre Umwandlungen nach demErsten Weltkrieg, 1963, S. 22; vgl. ders.: Die Junker, 2. Aufl. o. O. 1957.23
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