wur<strong>den</strong> am 9. April 1933 anlässlich der Gedächtnis- oder Abendmahlsfeier,dem e<strong>in</strong>zigen religiösen Feiertag der Zeugen Jehovas, 24.843 Besucher gezählt.Für <strong>das</strong> Jahr 1927 s<strong>in</strong>d die Besucherzahlen der e<strong>in</strong>zelnen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> veröffentlichtwor<strong>den</strong>, woraus man für <strong>Mecklenburg</strong> 296 Anwesende errechnenkann. Besonders aktive Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> gab es <strong>in</strong> Güstrow, Schwer<strong>in</strong> und Wismar.In Pommern wur<strong>den</strong> 872 Besucher gezählt, davon alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Stett<strong>in</strong> 303. Daes <strong>in</strong> jenem Jahr 24 138 Teilnehmer der Feier gab, mögen die Zahlen <strong>in</strong> etwa<strong>den</strong>en von 1933 geglichen haben. 163Am 10. April 1933 wurde <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong>-Schwer<strong>in</strong> als erstem deutschenLand die Internationale Bibelforscher-Vere<strong>in</strong>igung [I.B.V., d. A.] verboten. InPommern unterlagen die Gläubigen dem Verbot des Preußischen M<strong>in</strong>istersdes Innern vom 24. Juni 1933. 164Zur Verfolgung der Zeugen Jehovas <strong>in</strong> Pommern gibt es bisher wenig Erkenntnis.Der Stett<strong>in</strong>er Generalstaatsanwalt Staecker erwähnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Besprechungim Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium am 18. Juni 1937, <strong>das</strong>s »<strong>in</strong> Pommern[…] seit der Aktion <strong>gegen</strong> die Bibelforscher etwa 500 bis 600 Verhaftungen«vorgenommen wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Er erklärte: »Da wir ke<strong>in</strong> Konzentrationslagerhaben, s<strong>in</strong>d die Verhafteten <strong>in</strong> die Gefängnisse gebracht wor<strong>den</strong>, so daß jenevöllig überfüllt wur<strong>den</strong>.« 165 Hier besteht noch großer Forschungsbedarf. In<strong>Mecklenburg</strong> h<strong>in</strong><strong>gegen</strong> ergibt sich langsam e<strong>in</strong> – wenn auch noch sehr unvollständiges– Bild.Die Verfolgung begann 1933 mit Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmevon christlicher Literatur. Erste Verhaftungen erfolgten. So hielt man FranzFisch vom 24. bis 27. April 1934 <strong>in</strong> Kühlungsborn <strong>in</strong>haftiert. 166 Die ZeugenJehovas lehnten neben Hitlergruß und Führerkult auch die Beteiligung anWahlen ab. Sie verweigerten <strong>in</strong> der Regel die Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong>NS</strong>-Massenorganisationen.Dass <strong>das</strong> nicht ohne Konsequenzen blieb, zeigt die Aussageder Malchower Zeug<strong>in</strong> Jehovas Lucie Schramm: »Wegen Nichtbeteiligung anWahlen, am Luftschutz u. wegen Verweigerung des deutschen Grußes b<strong>in</strong> ich162Zur Verfolgung der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus vgl. Garbe, Detlef, Zwischen<strong>Widerstand</strong> und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im »Dritten Reich«, München 3 1997. Besier,Gerhard/Vollnhals, Clemens, Repression und Selbstbehauptung. Die Zeugen Jehovas unter der<strong>NS</strong>- und SED-Diktatur, Berl<strong>in</strong> 2003.163Angaben vom Geschichtsarchiv der Wachtturm-Gesellschaft (im Folgendem WTA).164Garbe (wie Anm. 162), S. 90, 98ff., 133ff. Zur besonderen Lage <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong>-Strelitzsiehe Landeshauptarchiv Schwer<strong>in</strong> (im Folgen<strong>den</strong> LHAS), 5.12-6/9P LSA Bützow-Dreibergen4327.165Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>, R 3.001 (alt R 22), Nr. 4.277, Bl. 186.166Archiv der Hansestadt Rostock (im Folgendem AHRO), 2.1.0/1275, Bl. 86-89.64
seit 1933 ständig bespitzelt u. verfolgt.« 167 Über Albert Hausdörfer, ebenfallsaus Malchow, berichtete se<strong>in</strong>e Tochter: »1938 wurde er verhaftet, weil er sichan ke<strong>in</strong>er Wahl beteiligte, <strong>den</strong> deutschen Gruß nicht erwiderte und besondersnicht <strong>in</strong> der Arbeitsfront war. Aus <strong>in</strong>nerster Glaubensüberzeugung lehnte erdiese D<strong>in</strong>ge alle ab.« 168 Auch die Rassenlehre der Nationalsozialisten widersprach<strong>den</strong> Glaubensansichten der Zeugen und wurde abgelehnt. In Güstrowpflegte die Zeug<strong>in</strong> Jehovas Luise Lange e<strong>in</strong>e enge Freundschaft mit der Jüd<strong>in</strong>Henia Schubert, die <strong>das</strong> Dritte Reich überlebte. Beide Familien waren derÜberwachung durch die Gestapo ausgesetzt. Die K<strong>in</strong>der der bei<strong>den</strong> Frauenbesuchen sich heute noch <strong>gegen</strong>seitig. 169E<strong>in</strong>e wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Organisationsstrukturender Religionsgeme<strong>in</strong>schaft spielten die »Bezirksdienstleiter« oder reisen<strong>den</strong>Prediger, die jetzt meist unter der Tarnung e<strong>in</strong>es Handelsreisen<strong>den</strong> die e<strong>in</strong>zelnenGruppen besuchten. In <strong>Mecklenburg</strong> und Pommern wirkte u. a. derBerl<strong>in</strong>er Emil Zellmann, der schon <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 1918/19 die ersten Male<strong>in</strong> <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Ländern biblische Vorträge hielt. Nach dem Verbot verbreiteteer zunächst die illegale Literatur der Zeugen Jehovas. Ab 1934 reiste er alsKommissionsvertreter e<strong>in</strong>er Berl<strong>in</strong>er Ölfirma. Er brachte Literatur <strong>in</strong> Umlauf,leitete Spen<strong>den</strong> weiter und ermunterte die e<strong>in</strong>zelnen Gruppen. Die »Bezirksdienstleiter«organisierten auch landesweite Aktionen.E<strong>in</strong>e davon war die Protestaktion vom 7. Oktober 1934, die sich 2004zum 70. Mal jährte. An diesem Tag versammelten sich <strong>in</strong> Deutschland alleVersammlungen der Zeugen Jehovas, um <strong>gegen</strong> ihre Unterdrückung zu protestierenund ihrer Entschlossenheit, dem Glauben treu zu bleiben, Ausdruckzu verleihen. Während der Zusammenkunft wurde e<strong>in</strong> vorbereitetes Schreibenverlesen, <strong>das</strong> anschließend von jeder Gruppe an die Reichsregierung geschicktwer<strong>den</strong> sollte. Dar<strong>in</strong> hieß es u. a.: »Es besteht e<strong>in</strong> direkter Widerspruch zwischenihrem Gesetz und Gottes Gesetz. Wir folgen dem Rat der treuen Apostel und›müssen Gott mehr gehorchen als <strong>den</strong> Menschen‹, und <strong>das</strong> wer<strong>den</strong> wir auchtun (Apg. 5:29). Daher teilen wir Ihnen mit, daß wir um je<strong>den</strong> Preis GottesGebote befolgen, und ihm dienen wer<strong>den</strong>, wie er geboten hat.«Zur selben Zeit versammelten sich Jehovas Zeugen auch im Ausland, umihre deutschen Glaubensbrüder zu unterstützen. Die ausländischen Versamm-167LHAS, 7.21-1 VdN-Neubran<strong>den</strong>burg 2015.168LHAS, 7.21-1 VdN-Neubran<strong>den</strong>burg 1909.169Brief von Karola Carlson vom 15.10.2004 an <strong>den</strong> Verfasser. Vgl. Schmiegelow Powell, Angelika(Hrsg.), Güstrow im Umbruch. Band 2 der Stadtgeschichte Güstrow im 20. Jahrhundert.60 Zeitzeugenberichte, Bremen 2003, S. 92-95.65
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