Entspannung, die Lust am Leben und auf Freiheit. Der überwiegend lockereZusammenhalt schloss konspirative Verhaltensweisen e<strong>in</strong>, war offen für neueFreunde. Freundeskreise veränderten, berührten, überlappten und erweitertensich, ohne zu e<strong>in</strong>er hierarchisch gegliederten Organisation zu wer<strong>den</strong>. Überpersönliche Verb<strong>in</strong>dungen ergaben sich Schnittstellen zu anderen Kreisen.E<strong>in</strong> Netzwerk entstand.Am Lankesee bei Liebenberg, Pf<strong>in</strong>gsten 1940, von l<strong>in</strong>ks nach rechts: Kurt Schumacher, ElfriedePaul, Ra<strong>in</strong>er Küchenmeister, Harro Schulze-Boysen und Günther Weisenborn.Wie behauptete sich e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fe<strong>in</strong>dlich ges<strong>in</strong>nten gesellschaftlichenUmfeld? Wie war ihr Alltag <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bedrohten Welt? Gab es e<strong>in</strong>richtiges Leben im falschen und wie konnte es geführt wer<strong>den</strong>?Die Antifaschisten lebten <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>er Gesellschaft, die sie verachteten. Siehatten <strong>den</strong> Nazi-Terror selbst, <strong>in</strong> ihrer Familie, bei Freun<strong>den</strong> oder bei anderenerlebt. Die ständige Bedrohung hatte sie nicht gebrochen. Im Gegensatz zurMehrheit lehnten sie die Herrschen<strong>den</strong> und ihre verbrecherischen Ziele ab,31»Rote Kapelle. E<strong>in</strong> Portrait der <strong>Widerstand</strong>sgruppe um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen <strong>in</strong> Fotografien und Selbstzeugnissen«, Hans Coppi, Jürgen Danyel, Wolfgang Olesch<strong>in</strong>skiund Johannes Tuchel (Konzeption und Redaktion), Ausstellung der Ge<strong>den</strong>kstätte Deutscher<strong>Widerstand</strong> Berl<strong>in</strong>. Die Ausstellung wurde im Mai 2005 im Rathaus Rostock gezeigt.16
konnten sie nicht gleichgültig <strong>gegen</strong>über fremdem Leid se<strong>in</strong>, <strong>das</strong> von Deutschenverursacht wor<strong>den</strong> war. Obwohl die meisten von ihnen nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von derÖffentlichkeit weitgehend abgeschirmten Untergrund kämpften, bezeichneteman sie später als »Die Illegalen«. Bis auf wenige lebten sie nicht versteckt oderunter falschem Namen. Sie hatten e<strong>in</strong>en Beruf, stan<strong>den</strong>, wenn sie e<strong>in</strong> Telefonbesaßen, im Telefonbuch, hatten e<strong>in</strong>e Arbeitsstelle, e<strong>in</strong>en Arbeitsvertrag.Die meisten »Illegalen« schienen sich völlig legal zu bewegen, bezahlten ihreSteuern, g<strong>in</strong>gen pünktlich zur Arbeit, sehnten sich nach e<strong>in</strong>em erfüllten Leben.E<strong>in</strong>ige hatten K<strong>in</strong>der, andere stellten diesen Wunsch zurück. Die Sehnsuchtnach Glück, die Lust auf Leben, Liebe und Erotik <strong>in</strong> Zeiten des Terrors, desKrieges, der Lebensbedrohung und des <strong>Widerstand</strong>s war ungebrochen.Die <strong>Regime</strong>-Gegner mussten sich <strong>in</strong> der Öffentlichkeit unerkannt bewegenund zugleich blieben sie erkennbar für Freunde, Verfolgte und auch für vonder <strong>NS</strong>-Politik Enttäuschte. Sie wur<strong>den</strong> Sympathieträger und Katalysatorenfür Veränderungen. Mit ihrem Dase<strong>in</strong>, ihren versteckten und offenen Zeichenbewiesen sie, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong> anderes Leben möglich war. Aber nicht nur re<strong>den</strong>,sondern handeln wollten sie. Geme<strong>in</strong>same Aktionen entstan<strong>den</strong> manchmalnach kontroversen Diskussionen.Das Nach<strong>den</strong>ken über <strong>den</strong> deutschen <strong>Widerstand</strong> schließt die Frage nachse<strong>in</strong>em Scheitern mit e<strong>in</strong>. Das Ziel, aus eigener Kraft die Hitler-Diktaturzu stürzen und <strong>den</strong> Krieg zu been<strong>den</strong>, ist nicht erreicht wor<strong>den</strong>. Die Befreiungkam von außen. Aber Tausende, Zehntausende haben es gewagt und<strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> manchmal auswegloser Situation im eigenen fe<strong>in</strong>dlichenLand geleistet, haben sich verweigert, s<strong>in</strong>d übergelaufen oder haben <strong>in</strong> <strong>den</strong>Armeen der Anti-Hitler-Koalition für die Befreiung Europas vom deutschenFaschismus gekämpft. Unter Abwägung aller Gefährdungen schien es vielenDeutschen, die ke<strong>in</strong>e Anhänger des <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong>s gewesen waren, vernünftigergewesen zu se<strong>in</strong>, sich nicht auf <strong>das</strong> Risiko des Widerstehens e<strong>in</strong>zulassen. DieAngst vor der Denunziation und der Macht e<strong>in</strong>es brutalen Geheimdiensteswar zu groß. Viele beriefen sich nach 1945 darauf, <strong>das</strong>s sie die zwölf JahreNazi-Diktatur <strong>in</strong> <strong>in</strong>nerer Emigration überlebt hätten. E<strong>in</strong>ige wenige warenaber bereit gewesen, aus <strong>den</strong> geschützten Räumen der <strong>in</strong>neren Emigrationherauszugehen. Ihre Biografien, ihre Lebensumstände und Beweggründe,Geme<strong>in</strong>samkeiten, Widersprüche, Zweifel, aber auch ihre Hoffnungen undZukunftsvorstellungen zu ergrün<strong>den</strong>, ist e<strong>in</strong> immerwährender Prozess derAnnäherung an die Geschichte und an die Handlungsmöglichkeiten vonMenschen. Dies ist aber nicht nur e<strong>in</strong>e historische, sondern zugleich e<strong>in</strong>esehr aktuelle Fragestellung. Die Beschäftigung mit dem <strong>Widerstand</strong> <strong>gegen</strong>17
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lungen schickten Telegramme an die
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Eine pauschalisierende Bezeichnung
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er wolle wieder einmal nach Haus. E
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Liedtke: Der 1894 in Ostpreußen ge
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IV. Einzelschicksale aus demregiona
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normalen Leben zu retten. Würde ei
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Rücksicht auf die Gefährdung ihre
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Persönlichkeiten verschiedener pol
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Mario Niemann, RostockDer 20. Juli
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ordinierung der Vorbereitungen erst
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gewesen. 1938 zählte er jedoch ber
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archisten und Gegners der WeimarerD
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Die Genannten verstanden sich alsUn
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ist oder nicht. Ich erweitere diese
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kamen sie noch kurz vor Kriegsende,
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1902 als einziger Sohn eines kaiser
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In diesen Herbstwochen erfuhr Schwe
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Oberleutnant Dr. Hagen, Propagandao
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gewiß viel Ehre an. Ich persönlic
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