Die <strong>Widerstand</strong>shistoriographie der DDR widmete sich h<strong>in</strong><strong>gegen</strong> vorwiegenddem kommunistischen <strong>Widerstand</strong>. 38 DDR-Historiker erklärten die KPD zuralle<strong>in</strong> maßgeben<strong>den</strong> Repräsentant<strong>in</strong> der antifaschistischen <strong>Widerstand</strong>skraft,wandten sich <strong>gegen</strong> die westdeutsche »Junkerapologetik« und konstatierten,<strong>das</strong>s »<strong>das</strong> ostelbische Junkertum zu <strong>den</strong> reaktionärsten, am meisten chauv<strong>in</strong>istischenKräften des deutschen Imperialismus gehörte und die faschistischeDiktatur unterstützte«. 39 Die Kritik von Walter Görlitz, die Geschichte deskommunistischen <strong>Widerstand</strong>s werde im Osten »bis zum Überdruß strapaziert«,ohne <strong>das</strong>s e<strong>in</strong> pommerscher <strong>Widerstand</strong>skämpfer beim Namen genanntwerde, verärgerte DDR-Historiker. Im Gegenzug glorifizierten sie ihre Protagonistenund versuchten aufzuzeigen, <strong>das</strong>s »die revolutionäre pommerscheArbeiterklasse und mit ihr zahlreiche Antifaschisten aus allen Schichten derBevölkerung die wahren Träger des Kampfes <strong>gegen</strong> <strong>den</strong> Faschismus waren«.Die Veröffentlichung von Tagebüchern und Memoiren diente dabei ebensoder Legen<strong>den</strong>bildung wie im Westen.Die Vorgehensweise von Historikern <strong>in</strong> der BRD und <strong>in</strong> der DDR, diebeide auf der Ebene der Aufarbeitung der Führungsebenen verharrten, dientenicht zuletzt der Vergangenheitsbewältigung. Die Beschränkung auf dieoberen Ebenen diente im Westen der Vermittlung des E<strong>in</strong>drucks, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong>egeschlossene, Klassen- und Parteigrenzen übergreifende Gegenbewegung zuHitler existierte, die ausschließlich aus moralisch-ethischen Beweggrün<strong>den</strong>handelte. Durchaus beabsichtigt wurde e<strong>in</strong> »anderes Deutschland« konstruiert.E<strong>in</strong> »Aufstand des Gewissens« kompensierte Vorurteile <strong>gegen</strong>über <strong>Widerstand</strong>skämpfernund zurückgekehrten Emigranten und sollte die Diskussion umLandes- und Hochverrat entkräften. Zwangsläufig kanalisierte dies <strong>den</strong> Blickdes <strong>Widerstand</strong>s <strong>gegen</strong> <strong>das</strong> <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong> auf <strong>den</strong> – moralisch oft überhöhten– <strong>Widerstand</strong> <strong>gegen</strong> Hitler. Der <strong>Widerstand</strong> der Arbeiterbewegung <strong>gegen</strong> <strong>das</strong>Dritte Reich und deren primär politische Motivation blieb daher weitgehendausgeblendet. DDR-Studien waren h<strong>in</strong><strong>gegen</strong> dem staatlichen Legitimations-38Zum Forschungsstand der Geschichte des <strong>Widerstand</strong>s <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> <strong>in</strong> der Zeit der DDRsiehe: Jahnke, Karl He<strong>in</strong>z: <strong>Widerstand</strong> <strong>gegen</strong> <strong>den</strong> Nationalsozialismus <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> 1933 bis1945 – Bilanz und Aufgaben der Forschung, <strong>in</strong>: Studien zur Geschichte <strong>Mecklenburg</strong>s <strong>in</strong> derersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hg. v. Studienkreis für Jugendgeschichte und -forschung.Darstellung und Vermittlung e.V., Rostock 1992, S. 29-39.39Copius, Jürgen: Zur Rolle pommerscher Junker und Großgrundbesitzer bei der Vorbereitungder faschistischen Diktatur und der imperialistischen Aggressionspolitik, <strong>in</strong>: WissenschaftlicheZeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Gesellschafts- und sprachwissenschaftlicheReihe, Heft 3, XX (1971), S. 113-116.24
<strong>den</strong>ken verpflichtet. Angesichts der schwierigen Quellenlage s<strong>in</strong>d die realen,historisch und <strong>in</strong>dividuell greifbaren Repräsentanten des antifaschistischen<strong>Widerstand</strong>s aus <strong>den</strong> Hel<strong>den</strong>geschichten herauszuschälen.Die Wissenschaft hat <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren die regionalen Schauplätze entdecktund <strong>den</strong> moralischen Aspekt überwun<strong>den</strong> sowie die antifaschistisch-heroisierendeStilisierung der <strong>Widerstand</strong>skämpfer zu h<strong>in</strong>terfragen begonnen. DieForschung ist von dem Bild e<strong>in</strong>es perfekt durchstrukturierten, hierarchischen<strong>NS</strong>-Terrorsystems ebenso abgerückt wie von dem Klischee e<strong>in</strong>es homogenen<strong>Widerstand</strong>s und der Bewertung der <strong>Widerstand</strong>skämpfer als heroische, zielgerichtetagierende, nie zweifelnde, charakterstarke Übermenschen.Die Zahl der Veröffentlichungen zur Geschichte des <strong>Widerstand</strong>s <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong>und Pommern ist bereits beträchtlich. Die Darstellungen von e<strong>in</strong>zelnenRepräsentanten, größeren und kle<strong>in</strong>eren <strong>Widerstand</strong>sgruppen ergänzen e<strong>in</strong>ander.Die komplizierte Bandbreite zwischen Mitmachen und Widerstehen, Zusammenarbeitund Verweigerung, von Loyalität und Opposition wird als solcheerkannt. So ist es ke<strong>in</strong> Tabubruch mehr, darzustellen, <strong>das</strong>s e<strong>in</strong> pommerscherVerschwörer des 20. Juli 1944 zunächst mit dem <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong> sympathisierthat und e<strong>in</strong> mecklenburgischer Pfarrer, der nach dem Krieg se<strong>in</strong>e Hel<strong>den</strong>tatenbeschrieb, diese weitgehend erfun<strong>den</strong> hat. Zweifellos steht die Forschung zum<strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> und Pommern noch vor großen Aufgaben, dieErarbeitung e<strong>in</strong>es »differenzierten, wissenschaftlich gesicherten Gesamtbildes«steht noch am Anfang. 40Der <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong> und Pommern war ke<strong>in</strong> »<strong>Widerstand</strong>ohne Volk«, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Elite <strong>gegen</strong> die <strong>NS</strong>-Diktatur aktiv wurde,während die Mehrheit der Bevölkerung dem <strong>Regime</strong> positiv <strong>gegen</strong>überstand.Trotzdem bleibt der <strong>Widerstand</strong>sbegriff auch im regionalhistorischen Bezugschwierig. Handelt es sich bei der Verweigerung des Hitlergrußes, bei demAbhören ausländischer Rundfunksender bereits um Opposition? War jedesnicht regierungskonforme Verhalten <strong>Widerstand</strong>? Verhöhnt dies nicht die<strong>Widerstand</strong>skämpfer, die aus ethischen, politischen, religiösen oder sozialenBeweggrün<strong>den</strong> ihr Leben riskiert haben, um <strong>das</strong> Ende des Terror-<strong>Regime</strong>sherbeizuführen? Die weiterh<strong>in</strong> unbefriedigende Antwort kann lauten, <strong>das</strong>se<strong>in</strong>e gewisse Haltung zum <strong>Regime</strong> Voraussetzung für <strong>Widerstand</strong> war. Diesekulm<strong>in</strong>ierte <strong>in</strong> der Absicht, die Verhältnisse zu ändern. Dabei handelten dieProtagonisten im vollen Bewusstse<strong>in</strong> der Konsequenzen. Sie waren bereit, ihrLeben zu opfern. 40Jahnke, Karl He<strong>in</strong>z: Gegen Hitler. Gegner und Verfolgte des <strong>NS</strong>-<strong>Regime</strong>s <strong>in</strong> <strong>Mecklenburg</strong>1933-1945, 2. überarb. u. erw. Aufl., Rostock 2000, S. 17.25
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